Normen
AsylG 2005 §27 Abs1 Z1;
AsylG 2005 §27 Abs4;
AsylG 2005 §27 Abs7;
AsylG 2005 §41 Abs3;
FrPolG 2005 §76 Abs2;
FrPolG 2005 §76 Abs6;
FrPolG 2005 §76;
FrPolG 2005 §80 Abs1;
FrPolG 2005 §80 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AsylG 2005 §27 Abs1 Z1;
AsylG 2005 §27 Abs4;
AsylG 2005 §27 Abs7;
AsylG 2005 §41 Abs3;
FrPolG 2005 §76 Abs2;
FrPolG 2005 §76 Abs6;
FrPolG 2005 §76;
FrPolG 2005 §80 Abs1;
FrPolG 2005 §80 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
I. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit die Schubhaftbeschwerde (erkennbar) für den Zeitraum ab 18. Februar 2010 als unbegründet abgewiesen wurde, sowie im Kostenpunkt wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Begründung
Der - wiederholt Alias-Identitäten verwendende - Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria (alias Liberia), reiste am 2. März 2003 illegal über Italien nach Österreich ein und beantragte erfolglos die Gewährung von Asyl. Wegen der Begehung von Suchtgift- und Urkundendelikten verhängte die Bundespolizeidirektion Wien über ihn mit Bescheid vom 23. August 2004 gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z. 1 FrG ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.
Am 10. Februar 2006 war der Beschwerdeführer nach England ausgereist und hatte dort unter Verwendung gefälschter französischer Dokumente gearbeitet. Nach seiner Überstellung (aus Schottland) wurde er in Österreich vom 16. März bis zum 7. August 2009 gemäß § 76 Abs. 1 FPG in Schubhaft angehalten. Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 18. September 2009 Schubhaftbeschwerde, welche die belangte Behörde mit Bescheid vom 11. Juni 2010 gemäß § 83 FPG als unbegründet abwies. Die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde lehnte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 5. Juli 2011, Zl. 2010/21/0262, ab.
Nach seiner (am 7. August 2009 erfolgten) Enthaftung war der Beschwerdeführer in die Schweiz weitergereist. Von dort wurde er am 13. Jänner 2010 nach Österreich rücküberstellt und von diesem Tag bis zum 23. Februar 2010 in Schubhaft angehalten. Diese wurde zunächst auf § 76 Abs. 1 FPG gestützt. Nach einem Folgeantrag auf Gewährung von internationalem Schutz (vom 13. Jänner 2010) hielt die Fremdenpolizeibehörde in einem Aktenvermerk fest, die Schubhaft gelte "als gem. § 76/2/3 FPG verhängt".
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13. Juli 2010 wies die belangte Behörde eine insoweit erhobene Schubhaftbeschwerde vom 31. März 2010 gemäß § 83 FPG als unbegründet ab und stellte fest, dass die Festnahme, der Schubhaftbescheid und die Anhaltung des Beschwerdeführers vom 13. "bis zum 23. Jänner 2010" (offenbar gemeint: Februar) nicht rechtswidrig gewesen seien. Außerdem verhielt sie den Beschwerdeführer zum Aufwandersatz.
Begründend führte sie - soweit im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung - aus, der Beschwerdeführer habe auf seinen am 13. Jänner 2010 gestellten Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz verwiesen. Dieser sei zwar mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26. Jänner 2010 (gemäß § 68 Abs. 1 AVG) zurückgewiesen worden. Der Asylgerichtshof habe diesen Bescheid jedoch - so der Beschwerdeführer - mit am 18. Februar 2010 zugestelltem Erkenntnis vom 17. Februar 2010 behoben und damit das Asylverfahren zugelassen. Unmittelbar nach dieser Zustellung, die per Telefax am 18. Februar 2010 um 13.03 Uhr erfolgt sei, hätte er - den Manipulationsaufwand eingerechnet spätestens am gleichen Tag um 14.00 Uhr - aus der Schubhaft entlassen werden müssen.
Diesen Ausführungen des Beschwerdeführers sei, so argumentierte die belangte Behörde, zu entgegnen, dass die Fremdenpolizeibehörde keine Parteistellung im asylrechtlichen Verfahren habe. Die Asylbehörde sei gemäß § 27 Abs. 7 AsylG 2005 lediglich verpflichtet, die Einleitung und die Einstellung eines Ausweisungsverfahrens der zuständigen Fremdenpolizeibehörde mitzuteilen. Eine Frist, innerhalb der diese Mitteilung zu erfolgen habe, sei nicht normiert. Konkret sei die Meldung der Asylbehörde, dass das Ausweisungsverfahren gemäß § 27 Abs. 4 leg. cit. eingestellt worden sei, "erst am 23. Jänner 2010" (richtig: 23. Februar 2010) erfolgt. Unmittelbar danach sei der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen worden.
Ein rascheres Handeln wäre der Fremdenpolizeibehörde nur im Fall eines - hier allerdings fehlenden - Minimums an Mitwirkung durch den Beschwerdeführer (Verständigung von dem genannten Erkenntnis des Asylgerichtshofes) möglich gewesen. Der Grundsatz der Amtswegigkeit eines Verfahrens befreie eine Partei nicht von der Obliegenheit, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen und Verzögerungen des Verfahrens hintanzuhalten. Konkret wäre es dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar gewesen, der Fremdenpolizeibehörde die durch die genannte Entscheidung des Asylgerichtshofes geänderte Sachlage zur Kenntnis zu bringen. Die Verzögerung bis zur Entlassung aus der Schubhaft sei somit seiner Sphäre zuzurechnen, weshalb die Schubhaft bis zu ihrem Ende als rechtmäßig zu erkennen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Zu Spruchpunkt I.:
Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass die erwähnte Entscheidung des Asylgerichtshofes (richtig: vom 17. Februar 2010) eine Zulassung des über Antrag des Beschwerdeführers vom 13. Jänner 2010 eingeleiteten Asylverfahrens gemäß § 41 Abs. 3 Satz 2 AsylG 2005 bewirkt hat. Hieraus folgt, dass schon deshalb eine Abschiebung zeitnah nicht mehr durchführbar war, sodass sich die Fortsetzung der Schubhaft ungeachtet der Anordnung des § 76 Abs. 6 erster Satz FPG unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als unzulässig erwies.
Gemäß § 27 Abs. 4 AsylG 2005 ist ein nach Abs. 1 Z. 1 dieser Gesetzesstelle eingeleitetes Ausweisungsverfahren einzustellen, wenn das Verfahren zugelassen wird. Die Einleitung und die Einstellung eines Ausweisungsverfahrens ist der zuständigen Fremdenpolizeibehörde gemäß § 27 Abs. 7 leg. cit. mitzuteilen.
§ 80 Abs. 1 FPG begründet eine Verpflichtung der Behörde, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf nach § 80 Abs. 2 FPG nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
Aus dem Zweck dieser Bestimmungen ist - entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht - eine Pflicht der Asylbehörde abzuleiten, die Fremdenpolizeibehörde unverzüglich zu verständigen, wenn die Voraussetzungen für eine Fortsetzung der Schubhaft - wie dies hier der Fall ist - weggefallen sind. Dass dies verspätet erfolgt ist, kann dem Beschwerdeführer, auch wenn er selbst untätig geblieben ist, nicht mit der Auswirkung zum Nachteil gereichen, dass seine Anhaltung in Schubhaft dadurch rechtmäßig geworden wäre (vgl. zum Ganzen auch das hg. Erkenntnis vom 5. Juli 2011, Zl. 2008/21/0034).
Die trotz Wegfalls ihrer Voraussetzungen fortgesetzte Schubhaft erweist sich daher als rechtswidrig, sodass der angefochtene Bescheid, soweit er in diesem Umfang die Schubhaftbeschwerde abwies und im Kostenausspruch, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 50 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Zu Spruchpunkt II.:
Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Treffen diese Voraussetzungen nur in Bezug auf Teile des bekämpften Bescheides zu, kann die Beschwerdeablehnung nach der Praxis des Verwaltungsgerichtshofes in diesem Umfang, somit auch nur teilweise, vorgenommen werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. März 2010, Zl. 2010/21/0006).
Die vorliegende Beschwerde wirft, soweit sie die Schubhaft im Zeitraum bis zum 18. Februar 2010 betrifft, keine für die Entscheidung dieses Falles maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinn der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung sprächen, liegen nicht vor, zumal die vorgenommene Prüfung des Beschwerdefalles insoweit keine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende und für das Verfahrensergebnis entscheidende Fehlbeurteilung durch die belangte Behörde ergeben hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde insoweit abzulehnen.
Wien, am 30. August 2011
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