Normen
AsylG 2005 §10 Abs6 idF 2009/I/122;
AsylG 2005 §10;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §59 Abs1;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z1;
VwGG §33a;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AsylG 2005 §10 Abs6 idF 2009/I/122;
AsylG 2005 §10;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §59 Abs1;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z1;
VwGG §33a;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
1. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit die Schubhaftbeschwerde als unbegründet abgewiesen wurde, und im Kostenpunkt wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. den Beschluss gefasst:
Die Behandlung der Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft richtet, abgelehnt.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, reiste erstmals am 16. Jänner 2004 nach Österreich ein und stellte unter Angabe des Geburtsdatums 12. Oktober 1984, das in der Folge auf 12. Oktober 1980 geändert wurde, einen Asylantrag, der im Instanzenzug mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 28. Dezember 2006 abgewiesen wurde. Unter einem wurde die Zulässigkeit der (insbesondere) Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat festgestellt und seine Ausweisung nach Indien verfügt. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde, der mit Beschluss vom 18. April 2007 die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war, wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. August 2007, Zl. 2007/19/0260, abgelehnt.
Der Beschwerdeführer wurde am 27. Oktober 2009 in Wien 16 im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle ohne Dokumente aufgegriffen und festgenommen. Dabei gab er als Geburtsdatum "13.05.1986" an, sodass Datenabfragen zu seiner Person negativ verliefen.
Bei der noch am selben Tag vorgenommenen Vernehmung führte der Beschwerdeführer aus, vor ca. einem Monat von der Slowakei kommend illegal nach Österreich eingereist zu sein, um hier einen Asylantrag zu stellen. Danach habe er "in Wien, näheres unbekannt, Unterkunft genommen"; er sei nicht behördlich gemeldet. In der Folge stellte der Beschwerdeführer einen "Asylantrag", wobei ihm dargelegt wurde, dass dieser in der Erstaufnahmestelle Ost des Bundesasylamtes, wohin er anschließend gebracht werde, behandelt werde. Abschließend gab der Beschwerdeführer dann auch an, schon einmal in Österreich gewesen zu sein, wo der von ihm gestellte Asylantrag abgelehnt worden sei. Er sei dann im Jänner 2007 selbst nach Indien heimgereist.
Bei einer ergänzenden Befragung am nächsten Tag, in der dem Beschwerdeführer im Hinblick auf die "bis dato nicht konsumierte Ausweisung nach dem AsylG" die Schubhaftverhängung angekündigt wurde, gab der Beschwerdeführer (u.a.) zu, im ersten Asylverfahren falsche Geburtsdaten behauptet zu haben. Unter seinem (nunmehr angegebenen) richtigen Geburtsdatum sei ihm mittlerweile auch ein Führerschein ausgestellt worden; wo sich dieser befinde, könne er jedoch nicht sagen.
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 28. Oktober 2009 wurde sodann über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer asylrechtlichen Ausweisung und zur Sicherung der Abschiebung verhängt. In der Begründung wurde auf das Fehlen von familiären, beruflichen und sozialen Bindungen, von Mitteln zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes und eines "aufrechten Wohnsitzes" verwiesen. Die Schubhaftverhängung sei notwendig, weil der Beschwerdeführer, der keine Dokumente besitze, trotz bestehender Ausweisung der Asylbehörde in Österreich aufhältig sei. Auch im Rahmen der Begründung der Nichtanwendung gelinderer Mittel verwies die Behörde (u.a.) neuerlich darauf, dass der Beschwerdeführer "trotz bestehender Ausweisung der Asylbehörde in Österreich aufhältig" sei.
Bei der danach durchgeführten "Erstbefragung nach dem AsylG 2005" gab der Beschwerdeführer an, er habe Österreich im Jänner oder Februar 2007 in Richtung Italien verlassen. In der Folge habe er sich in Rumänien und in der Ukraine aufgehalten. Von dort sei er Mitte 2007 nach Indien zurückgekehrt. Ende Juli 2009 habe er Indien wieder verlassen und sei schlepperunterstützt über Moskau in die Slowakei und dann nach Österreich gelangt. Im Übrigen seien seine "alten Fluchtgründe noch aufrecht und aktuell"; neue Fluchtgründe habe er nicht. Der Beschwerdeführer legte noch den bereits erwähnten, von seiner Heimatbehörde am 12. Jänner 2009 ausgestellten Führerschein vor.
Am 12. November 2009 wurde dem Beschwerdeführer vom Bundesasylamt mitgeteilt, dass die Zurückweisung seines Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache beabsichtigt sei. Mit dem noch am selben Tag zugestellten Bescheid vom 18. November 2009 wurde sodann der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von internationalem Schutz wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und seine Ausweisung nach Indien verfügt.
Am 25. November 2009 erklärte der Beschwerdeführer im Zuge einer weiteren Vernehmung, nicht nach Indien zurück zu wollen, weil er dort "Probleme" habe, und er verweigerte sodann das Ausfüllen des Formblattes für die indische Botschaft (zur Erlangung eines Heimreisezertifikates).
Die gegen die Schubhaftverhängung und gegen die Anhaltung erhobene Administrativbeschwerde vom 20. November 2009 wies der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (die belangte Behörde) mit dem angefochtenen Bescheid vom 27. November 2009 unter Kostenzuspruch an den Bund ab; unter einem stellte die belangte Behörde fest, dass auch die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen hat:
Zu Spruchpunkt 1.
Die Bundespolizeidirektion Wien ist vom Vorliegen einer durchsetzbaren Ausweisung im Hinblick auf die gegen den Beschwerdeführer im Rahmen seines ersten Asylverfahrens mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 28. Dezember 2006 erlassene Ausweisung ausgegangen. Auf die vom Beschwerdeführer seinen Behauptungen zufolge danach vorgenommene freiwillige Rückkehr nach Indien wurde nicht eingegangen. Die belangte Behörde meinte dazu nur, selbst wenn der Beschwerdeführer tatsächlich im Jahr 2007 "selbsttätig" aus Österreich ausgereist sei, "war nunmehr die Verhängung der Schubhaft am 28.10.2009 zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer (neuerlichen) Ausweisung zulässig".
Indem die belangte Behörde der Frage, ob der Beschwerdeführer der gegen ihn verfügten Ausweisung vom 28. Dezember 2006 durch eine Rückreise nach Indien entsprochen hat, trotz eines diesbezüglichen Vorbringens in der Schubhaftbeschwerde keine Bedeutung zugemessen hat, verkannte sie die Rechtslage. Nach ständiger Rechtsprechung ist nämlich durch die Ausreise der mit der Ausweisung verfolgte Zweck erfüllt; der Ausweisungsbescheid wird gegenstands- und wirkungslos. Auch nach neuerlicher Einreise könnte der Fremde somit auf der Grundlage dieser Ausweisung nicht mehr abgeschoben werden (vgl. zur fremdenpolizeilichen Ausweisung den Beschluss vom 29. September 2009, Zl. 2009/21/0151; siehe auch den weiteren Beschluss vom 29. September 2009, Zl. 2008/21/0646). Das galt für die hier maßgebliche, bis zum 31. Dezember 2009 geltende Rechtslage auch für asylrechtliche Ausweisungen (Vgl. demgegenüber den mit BGBl. I Nr. 122/2009 angefügten § 10 Abs. 6 AsylG 2005, wonach asylrechtliche Ausweisungen "binnen 18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden" aufrecht bleiben, und die diesbezüglichen ErläutRV (330 BlgNR 24. GP 10), denen zufolge mit dem neu geschaffenen Abs. 6 künftig ein zeitliches Element für asylrechtliche Ausweisungen festgelegt werden soll und durch die Ausreise des Fremden aus dem Bundesgebiet eine asylrechtliche Ausweisung nicht mehr sofort konsumiert wird.)
Wäre der Beschwerdeführer daher tatsächlich - wie von ihm behauptet - nach rechtskräftiger Erlassung der Ausweisung vom 28. Dezember 2006 nach Indien zurückgekehrt, dann wäre im Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft keine durchsetzbare Ausweisung vorgelegen. Die Schubhaftanordnung und die darauf gegründete Anhaltung wäre dann schon deshalb rechtswidrig gewesen.
Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang der Abweisung der Schubhaftbeschwerde und im Kostenausspruch wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere unter Bedachtnahme auf § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Zu Spruchpunkt 2.
Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Treffen diese Voraussetzungen nur in Bezug auf einzelne Spruchteile des bekämpften Bescheides zu, kann die Beschwerdeablehnung nach der Praxis des Verwaltungsgerichtshofes in diesem Umfang, somit auch nur teilweise, vorgenommen werden.
Die vorliegende Beschwerde wirft, soweit sie sich gegen den Ausspruch über die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft richtet, keine für die Entscheidung dieses Falles maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet insoweit gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung sprechen würden, liegen nicht vor, zumal die vorgenommene Prüfung des Beschwerdefalles in diesem Punkt keine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende und für das Verfahrensergebnis entscheidende Fehlbeurteilung durch die belangte Behörde ergeben hat.
Der Fortsetzungsausspruch im bekämpften Bescheid wurde nämlich offenbar auch auf den Tatbestand des § 76 Abs. 2 Z 1 FPG gestützt, der im Entscheidungszeitpunkt im Hinblick auf die mittlerweile im zweiten Asylverfahren erlassene, gemäß § 36 Abs. 1 AsylG 2005 durchsetzbare Ausweisung erfüllt war. Von einem Sicherungserfordernis durfte die belangte Behörde aber schon deshalb ausgehen, weil der Beschwerdeführer nach seiner behaupteten Wiedereinreise einen Monat lang unangemeldet unsteten Aufenthaltes war und den Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz erst nach seinem Aufgriff stellte. Bestärkt wird diese Annahme durch die wechselnden Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Geburtsdatum und durch die Weigerung, trotz Bestehens einer durchsetzbaren Ausweisung bei der Erlangung eines Heimreisezertifikates mitzuwirken.
Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde, soweit sie sich gegen den Fortsetzungsausspruch richtet, abzulehnen.
Wien, am 25. März 2010
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)