VwGH 2010/18/0445

VwGH2010/18/044522.2.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerden 1. der Z B, geboren am 2. Februar 1997, und 2. des A R, geboren am 11. August 2000, beide in W, beide vertreten durch Dr. Elmar Kresbach, LL.M., Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottengasse 4/4/29, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 25. Oktober 2010, 1.

Zl. E1/50.619/2009 (hg. Zl. 2010/18/0445), und 2. Zl. E1/50.640/2009 (hg. Zl. 2010/18/0447), jeweils betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
MRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit den angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 25. Oktober 2010 wurden die beschwerdeführenden Parteien, beide serbische Staatsangehörige, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ausgewiesen.

Die belangte Behörde legte ihren Entscheidungen im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass die beschwerdeführenden Parteien, zwei Geschwister im Alter von dreizehn und zehn Jahren, im August 2006 von Italien nach Österreich eingereist seien und bei ihrer in W lebenden Großmutter, der im Oktober 2007 von den leiblichen Eltern die Obsorge übertragen worden sei, verblieben seien. Daraufhin gestellte Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln seien mit zweitinstanzlichen Bescheiden vom 7. Mai 2008 rechtskräftig abgewiesen worden. (Eine dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom 11. Mai 2010, Zl. 2008/22/0668, als unbegründet abgewiesen.)

Die beschwerdeführenden Parteien lebten gemeinsam mit ihrer Mutter, der die Obsorge im März 2009 wieder übertragen worden sei, im gemeinsamen Haushalt. Gegen die Mutter der beschwerdeführenden Parteien sei mit Bescheid (der belangten Behörde) vom 25. Oktober 2010 wegen Eingehens einer Scheinehe ein befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. (Mit hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2010/18/0446, wurde eine gegen diesen Berufungsbescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.)

Der Vater der beschwerdeführenden Parteien sei zwar im Bundesgebiet gemeldet, verfüge jedoch über keinen Aufenthaltstitel, der ihn zur ständigen Niederlassung berechtige.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass somit die Voraussetzungen zur Erlassung von Ausweisungen - vorbehaltlich der Bestimmung des § 66 Abs. 1 FPG - im Grunde des § 53 Abs. 1 FPG gegeben seien.

Solcherart sei zweifelsfrei von mit den Ausweisungen verbundenen Eingriffen in das Privat- und Familienleben der beschwerdeführenden Parteien auszugehen, diese Eingriffe seien jedoch zulässig, weil sie zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten seien. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses Interesse verstoße der mittlerweile mehrjährige unrechtmäßige Aufenthalt der beschwerdeführenden Parteien jedoch gravierend.

Die privaten und familiären Interessen der beschwerdeführenden Parteien seien zwar gewichtig, jedoch aufgrund der dargestellten Gesamtumstände entscheidend relativiert. Dass die beschwerdeführenden Parteien - in Entsprechung der in Österreich geltenden Unterrichts- und Schulpflicht - hier die Schule besuchten, sei zwar zu berücksichtigen, könne jedoch die privaten Interessen nicht entscheidend verstärken. Dass und allenfalls aus welchen Gründen den beschwerdeführenden Parteien ein Verlassen des Bundesgebietes - allenfalls gemeinsam mit der Mutter - nicht möglich sei, sei nicht erkennbar. Insbesondere aufgrund der Tatsache, dass keiner der unmittelbaren Familienangehörigen der beschwerdeführenden Parteien zur Niederlassung in Österreich berechtigt sei, sei den beschwerdeführenden Parteien die Ausreise aus Österreich zweifelsfrei zumutbar. Dass die beschwerdeführenden Parteien ihre Muttersprache nicht sprächen, sei nicht einmal geltend gemacht worden und auch nicht anzunehmen. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass einer Reintegration in der Heimat unüberwindbare Hindernisse entgegenstünden. Die privaten Interessen der beschwerdeführenden Parteien an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet seien daher keinesfalls derart gewichtig, dass demgegenüber das genannte öffentliche Interesse in den Hintergrund zu treten habe. Die Erlassung der Ausweisung erweise sich daher auch im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG als zulässig.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten der beschwerdeführenden Parteien sprechender Umstände habe die belangte Behörde keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

2. Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden mit dem Begehren, die Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbunden und darüber erwogen:

1. Auf dem Boden der insoweit unbestrittenen Feststellungen, dass die beschwerdeführenden Parteien im August 2006 nach Österreich eingereist und ihre Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln rechtskräftig abgewiesen worden seien, und mangels Hinweis darauf, dass die beschwerdeführenden Parteien sonst über Aufenthaltsbewilligungen für Österreich verfügen, begegnet die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass sich die beschwerdeführenden Parteien unrechtmäßig in Österreich aufhielten und somit die Tatbestandsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2.1. Die Beschwerden wenden sich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung und bringen dazu im Wesentlichen vor, dass die beschwerdeführenden Parteien gemeinsam mit ihrer Mutter in einem gemeinsamen Haushalt lebten. Eine Ausweisung stelle jedenfalls einen unzulässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben der beschwerdeführenden Parteien dar. Unter Berücksichtigung des § 66 FPG erscheine eine Ausweisung als unzulässig, weil diese im konkreten Fall zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele nicht geboten erscheine. Insbesondere sei in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die beschwerdeführenden Parteien Kinder seien, welche mittlerweile im Bundesgebiet ihren Lebensmittelpunkt hätten und auch die Schule besuchten. Im Falle einer Ausweisung würden die beschwerdeführenden Parteien aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen. Dass keiner der unmittelbaren Familienangehörigen zur Niederlassung im Bundesgebiet berechtigt sei, dürfe ihnen nicht zum Nachteil gereichen. Die beschwerdeführenden Parteien hätten somit unter Berücksichtigung ihres jungen Alters bereits einen erheblichen Teil ihres Lebens im Bundesgebiet verbracht.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigen die Beschwerden keine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide auf.

Die belangte Behörde hat bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung gemäß § 66 FPG den Aufenthalt der beschwerdeführenden Parteien im Bundesgebiet seit August 2006 und die familiären Bindungen zueinander, zur - im gleichen Haushalt lebenden - Mutter, zum Vater und zur Großmutter sowie die altersgemäße Integration durch den Schulbesuch berücksichtigt und zutreffend mit der Ausweisung verbundene relevante Eingriffe in das Privat- und Familienleben der beschwerdeführenden Parteien angenommen. Die aus diesen familiären Beziehungen ableitbaren persönlichen Interessen der beschwerdeführenden Parteien werden jedoch bereits dadurch relativiert, dass gegen deren Mutter ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot erlassen wurde und der Vater über keinen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet verfügt.

Den dennoch bestehenden persönlichen Interessen der beschwerdeführenden Parteien an einem weiteren Aufenthalt steht gegenüber, dass deren Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln rechtskräftig abgewiesen wurden und sie sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, was eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften darstellt, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 2010, Zl. 2008/18/0578, mwN). Bei Abwägung des angeführten großen öffentlichen Interesses und der gegenläufigen - wie oben dargestellt - relativierten persönlichen Interessen der beschwerdeführenden Parteien begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung der beschwerdeführenden Parteien gemäß § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, keinen Bedenken.

3. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerden erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, waren die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 22. Februar 2011

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