VwGH 2008/18/0578

VwGH2008/18/057821.1.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde der L M in W, geboren am 13. August 1992, vertreten durch Dr. Martina Schweiger-Apfelthaler, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Graf Starhemberg-Gasse 39/12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 3. Juni 2008, Zl. E1/127.319/2008, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 3. Juni 2008 wurde die Beschwerdeführerin, eine ukrainische Staatsangehörige, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass die Beschwerdeführerin nach ihren eigenen Angaben im Dezember 2004 gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer Schwester mit einem gültigen Touristenvisum nach Österreich gelangt sei.

Die Beschwerdeführerin sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Sie lebe mit ihrer Mutter und ihrer Schwester im gemeinsamen Haushalt. Die Beschwerdeführerin sei nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels. Auch die Schwester der Beschwerdeführerin verfüge über kein Aufenthaltsrecht.

Die Mutter der Beschwerdeführerin sei bereits seit 17. März 2003 im Bundesgebiet gemeldet und habe bereits am 11. März 2003 einen Asylantrag eingebracht; der Antrag sei in erster Instanz rechtskräftig abgewiesen worden. Gegen die Mutter der Beschwerdeführerin bestehe seit 20. August 2007 ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot wegen des Eingehens einer Scheinehe mit einem österreichischen Staatsbürger. (Mit hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2007/18/0733, wurde eine gegen den diesbezüglichen Berufungsbescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.) Der Vater der Beschwerdeführerin, dem das Sorgerecht für diese nicht zukomme und der auch nicht mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebe, sei lediglich aufgrund des gestellten Asylantrages zum vorübergehenden Aufenthalt berechtigt.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Voraussetzungen zur Erlassung einer Ausweisung - vorbehaltlich der Bestimmungen des § 66 Abs. 1 FPG - im Grunde des § 53 Abs. 1 FPG gegeben seien.

Angesichts der festgestellten Umstände sei zwar von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin auszugehen, dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten sei. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses öffentliche Interesse verstoße der mehrjährige unrechtmäßige Aufenthalt der Beschwerdeführerin jedoch gravierend. Darüber hinaus sei sie unter den gegebenen Umständen nicht in der Lage, ihren Aufenthalt in Österreich "vom Inland aus zu legalisieren."

Es sei nicht aktenkundig, dass einer gemeinsamen Ausreise der Beschwerdeführerin mit ihrer Mutter und Schwester unüberwindbare Hindernisse entgegenstünden. Dass die Familie in der Ukraine über kein Einkommen verfüge, sei wohl zwangsläufige Konsequenz ihres mehrjährigen Aufenthaltes in Österreich; dass die Erwirtschaftung eines Einkommens in der Heimat nicht möglich wäre, sei nicht geltend gemacht worden. Die Behauptung, die Mutter sei krank und könne nur in Österreich die entsprechende medizinische Versorgung erhalten, sei im Verfahren völlig unkonkretisiert und unbelegt geblieben. Soweit die Beschwerdeführerin in Österreich die Schule besuche, sei dies "Ausfluss der in Österreich geltenden Unterrichts- bzw. Schulpflicht" und könne daher die Interessen der Beschwerdeführerin nicht entscheidend verstärken. Die Beschwerdeführerin habe auch - trotz ausdrücklicher Aufforderung durch die Erstbehörde - nicht darlegen können, dass sie im Besitz der erforderlichen Mittel zu ihrem Unterhalt sei.

Unter den dargestellten Umständen erweise sich die Erlassung der Ausweisung selbst unter Berücksichtigung der privaten und familiären Lebensumstände der Beschwerdeführerin als dringend geboten und somit zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände habe die belangte Behörde keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf dem Boden der insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde, dass die Beschwerdeführerin mit einem Touristenvisum nach Österreich gelangt sei und sie über keinen Aufenthaltstitel verfüge, begegnet die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass sich die Beschwerdeführerin unrechtmäßig in Österreich aufhalte und somit die Tatbestandsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2.1. Die Beschwerde wendet sich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG (in der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) vorgenommenen Interessenabwägung und bringt dazu im Wesentlichen vor, dass die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrer Mutter, ihrem Stiefvater und ihrer Schwester in einer Wohnung in Wien 10 lebe. Ihre Schwester studiere Medizin und verfüge über ein Studentenvisum. Die Mutter der Beschwerdeführerin sei in einer Kaffeekonditorei als Buffetkraft unselbständig erwerbstätig. Der Stiefvater der Beschwerdeführerin sei österreichischer Staatsbürger. Der leibliche Vater der Beschwerdeführerin lebe ebenfalls in Österreich. Die Beschwerdeführerin sei minderjährig und besuche das Gymnasium. Nach der Matura würde sie gerne ein Studium absolvieren.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die belangte Behörde hat bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung gemäß § 66 FPG den Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet seit Dezember 2004 und ihre familiären Bindungen zu ihrer Mutter, ihrer Schwester und ihrem Vater berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin angenommen. Die aus diesen familiären Beziehungen ableitbaren persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin werden jedoch bereits dadurch relativiert, dass gegen ihre Mutter ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot erlassen wurde und der Aufenthalt ihres Vaters im Bundesgebiet nur aufgrund eines Asylantrages vorläufig erlaubt ist.

Den dennoch bestehenden persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem weiteren Aufenthalt steht allerdings gegenüber, dass sich die Beschwerdeführerin seit dem Ablauf der Gültigkeitsdauer ihres Touristenvisums unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, was eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentliche Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften darstellt, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 28. April 2008, Zl. 2008/18/0317, sowie vom 9. November 2009, Zl. 2009/18/0324, mwN). Bei Abwägung des angeführten großen öffentlichen Interesses und der gegenläufigen - wie oben dargestellt - relativierten persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, selbst dann keinen Bedenken, wenn man zugunsten der Beschwerdeführerin auch eine familiäre Bindung zu ihrem österreichischen Stiefvater berücksichtigt.

3. Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die § 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 21. Jänner 2010

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