Normen
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
SHG Wr 1973 §37a Abs2;
SHG Wr 1973 §8;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
SHG Wr 1973 §37a Abs2;
SHG Wr 1973 §8;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 3. Dezember 2008 beantragte der durch einen Sachwalter vertretene Beschwerdeführer eine monatliche Mietbeihilfe.
Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, vom 18. Februar 2009 mit der Begründung abgewiesen, der Beschwerdeführer sei der Aufforderung, näher bezeichnete Unterlagen vorzulegen, nicht nachgekommen. Da die fehlenden Unterlagen zur Beurteilung eines Sozialhilfeanspruches des Beschwerdeführers unerlässlich iSd § 37a Wiener Sozialhilfegesetz seien, habe der Antrag auf Sicherung des Lebensunterhalts - Mietbeihilfe abgewiesen werden müssen.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung und brachte vor, dass die notwendigen Unterlagen zwischenzeitlich durch seinen Sachwalter eingeholt werden konnten; sie würden nunmehr vorgelegt.
Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 24. März 2009 wurde die Berufung abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe nicht bestritten, dem Auftrag zur Vorlage der erwähnten Unterlagen bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides nicht nachgekommen zu sein. Die Erstbehörde habe daher zu Recht von ihrer Ermächtigung gemäß § 37a Abs. 2 Wiener Sozialhilfegesetz Gebrauch gemacht, die beantragte Hilfeleistung abzulehnen. Selbst wenn die Unterlagen nunmehr vollständig vorgelegt worden seien, biete dies keine Grundlage für eine Abänderung oder Aufhebung des bekämpften Bescheides, weil § 37a Abs. 2 Wiener Sozialhilfegesetz eine Nachzahlung für die Zeit der Ablehnung oder Einstellung der Hilfeleistung ausschließe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah im Übrigen aber von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Wiener Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 11/1973 idF LGBl. Nr. 3/2009, (WSHG) lauten auszugsweise wie folgt:
"§ 8
Anspruch
(1) Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes hat nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen dieses Abschnittes, wer den Lebensbedarf für sich und die mit ihm in Gemeinschaft oder Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.
...
§ 11
Lebensbedarf
(1) Zum Lebensbedarf gehören
1. Lebensunterhalt,
- 2. Pflege,
- 3. Krankenhilfe,
- 4. Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen,
- 5. Hilfe zur Erziehung und Erwerbsbefähigung.
(2) Der Lebensbedarf kann in Form von Geldleistungen, Sachleistungen oder persönlicher Hilfe gesichert werden.
...
§ 12
Lebensunterhalt
Der Lebensunterhalt umfasst insbesondere Unterkunft, Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Beheizung, Beleuchtung, Kochfeuerung und andere persönliche Bedürfnisse. Zu den persönlichen Bedürfnissen gehört auch die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben in angemessenem Ausmaß.
...
§ 37a
Besondere Verfahrensvorschriften
...
2) Wenn ein Hilfesuchender ohne triftigen Grund einer schriftlichen Aufforderung zum Erscheinen zu einer ärztlichen Untersuchung nicht entspricht oder sich weigert, die zur Durchführung des Verfahrens unerlässlichen Angaben zu machen oder die dafür erforderlichen Unterlagen zu erbringen oder am Verfahren und an der Beseitigung seiner Notlage mitzuwirken, insbesondere durch Unterlassung der Geltendmachung gesetzlicher Ansprüche, kann die Hilfeleistung abgelehnt oder solange eingestellt werden, bis er dem Auftrage nachkommt. Er muss auf die Folgen seines Verhaltens nachweislich aufmerksam gemacht worden sein. Eine Nachzahlung für die Zeit der Ablehnung oder Einstellung der Hilfeleistung unterbleibt.
(3) Bei Anwendung der Bestimmungen des Abs. 2 ist auf das Vorliegen einer Behinderung eines Hilfesuchenden Bedacht zu nehmen."
Die maßgeblichen Vorschriften des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) lauten auszugsweise wie folgt:
"§ 66. (1) Notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens hat die Berufungsbehörde durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen.
(2) Ist der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, so kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.
(3) Die Berufungsbehörde kann jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiemit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.
(4) Außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern."
Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, der Beschwerdeführer sei der Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides nicht nachgekommen. Die im § 37a Abs. 2 WSHG vorgesehene Ablehnung der Hilfeleistung sei daher von der Berufungsbehörde ungeachtet der mit der Berufung vorgelegten Unterlagen zu bestätigen gewesen.
Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, er habe die Unterlagen im Berufungsverfahren vorgelegt, diese hätten daher bei der Berufungsentscheidung berücksichtigt werden müssen.
Er ist mit dieser Auffassung im Recht:
Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid den erstbehördlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG vollinhaltlich bestätigt und damit in der Sache dem Beschwerdeführer die beantragte monatliche Mietbeihilfe ab Antragstellung und jedenfalls bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides versagt. Sie hat dabei jedoch übersehen, dass sie nicht bloß zu prüfen hatte, ob im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides die geforderten Unterlagen vorlagen. Vielmehr hatte sie bei ihrer Entscheidung "in der Sache" iSd § 66 Abs. 4 AVG auch darauf Bedacht zu nehmen, dass die Unterlagen während des Berufungsverfahrens vorgelegt worden waren. Unter anderem folgt aus § 37a Abs. 2 letzter Satz WSHG, dass die Sanktion nur bis zum Vorliegen der Unterlagen reicht.
Indem die belangte Behörde demgegenüber den Umstand, dass der Beschwerdeführer die geforderten Unterlagen während des Berufungsverfahrens vorgelegt hat, als unerheblich erachtete, hat sie die Rechtslage verkannt.
Schon aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 13. Mai 2011
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