Normen
ASVG §111 Abs1 Z1;
ASVG §111;
ASVG §33 Abs1;
ASVG §33 Abs2;
VStG §9 Abs2;
ASVG §111 Abs1 Z1;
ASVG §111;
ASVG §33 Abs1;
ASVG §33 Abs2;
VStG §9 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin für schuldig erkannt, sie habe es "als verantwortliche Beauftragte gemäß § 9 Abs. 2 VStG 1991" der N HandelsgmbH mit dem Sitz in Wien zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Dienstgeberin in ihrem Handelsgewerbebetrieb ihrer Verpflichtung nach dem ASVG, jede von ihr nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte beschäftigte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden, insofern nicht nachgekommen sei, als sie eine mit Namen und Geburtsdatum näher bezeichnete Person (MO) ab 7. Jänner 2008 in ihrem Handelsgewerbebetrieb als Hilfskraft mit dem Nachschlichten von Waren in die Regale beschäftigt habe und bis 7. Jänner 2008 um 10.50 Uhr nicht beim zuständigen Krankenversicherungsträger, der Wiener Gebietskrankenkasse, als versichert gemeldet habe. Die Beschwerdeführerin habe dadurch § 111 in Verbindung mit § 33 Abs. 1 ASVG verletzt und es wurde über sie gemäß § 111 Abs. 2 erster Strafsatz ASVG in Verbindung mit § 9 VStG 1991 eine Geldstrafe von EUR 910,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen und elf Stunden) verhängt.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides gibt die belangte Behörde den Inhalt der Anzeige und das wesentliche Berufungsvorbringen, sowie wörtlich die Aussagen der in den mündlichen Verhandlungen einvernommenen Zeugen und der Beschwerdeführerin wieder. Nach Darlegung der anzuwendenden Rechtsvorschriften stellt die belangte Behörde sodann fest, dass die Beschwerdeführerin nach dem Firmenbuchauszug zum Tatzeitpunkt handelsrechtliche Geschäftsführerin der N HandelsgmbH und als solche verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich gewesen sei. Die N HandelsgmbH habe MO am 7. Jänner 2008 in ihrem Handelsgewerbebetrieb in Wien als Hilfskraft mit dem Nachschlichten von Ware beschäftigt, ohne diese Person vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger angemeldet zu haben.
Diese Feststellungen würden sich "aus dem vorliegenden erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt sowie insbesondere aus den Ermittlungen im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde ergeben.
Die Beschwerdeführerin habe bestritten, dass MO im Betrieb gearbeitet habe; es habe lediglich ein Vorstellungsgespräch stattgefunden.
Der Zeuge S, Mitarbeiter der Finanzbehörde, der bei der gegenständlichen Kontrolle auch MO zu ihrer Beschäftigung im Handelsgeschäft befragt habe, habe glaubwürdig dargelegt, dass er auch MO danach gefragt habe, ob sie in diesem Geschäft arbeite. Dabei handle es sich gerade bei Kontrollen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz sowie nach dem ASVG um Standardfragen. Wenn MO meine, dass sie nicht danach gefragt worden sei, ob sie in dem Geschäft arbeite, sei dies unglaubwürdig.
Nicht nachvollziehbar seien auch die Ausführungen von MO, weshalb sie bei einem Vorstellungsgespräch ihre persönlichen Sachen, wie etwa ihre Garderobe und ihre Handtasche im Büro des Geschäftes aufbewahrt habe. MO habe auch nicht darlegen können, weshalb sie im Rahmen eines Vorstellungsgespräches in einem Regal Ware geschlichtet habe. Vielmehr ergebe sich daraus, dass sie bereits in diesem Geschäft gearbeitet habe.
Des Weiteren habe MO während der Kontrolle nicht darauf hingewiesen, dass gerade ein Vorstellungsgespräch stattfinde. Auch KM (weiterer Geschäftsführer der N HandelsgmbH) habe bei der Kontrolle nicht darauf hingewiesen, dass er gerade mit MO ein Vorstellungsgespräch geführt habe. Er habe aber angegeben, beobachtet zu haben, dass auch MO kontrolliert worden sei. Sollte tatsächlich ein Vorstellungsgespräch stattgefunden haben, hätten wohl beide bei der Kontrolle darauf hingewiesen.
Die Aussagen der MO und KM würden im Hinblick auf die Ausführungen, wonach gerade ein Vorstellungsgespräch stattgefunden habe, konstruiert wirken. Der objektive Tatbestand der der Beschwerdeführerin zur Last gelegten Verwaltungsübertretung sei daher als verwirklicht anzusehen gewesen.
Die Beschwerdeführerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass ihr die Einhaltung der übertretenen Verwaltungsvorschrift des ASVG ohne ihr Verschulden nicht möglich gewesen sei, sodass sie die ihr angelastete Verwaltungsübertretung auch in Ansehung der subjektiven Tatseite zu vertreten habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Gemäß § 33 Abs. 2 ASVG gilt Abs. 1 für die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z. 3 lit. a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind.
Gemäß § 111 Abs. 1 Z. 1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet.
2. Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. März 1991, Zl. 90/19/0527) muss im Spruch des Straferkenntnisses angeführt werden, in welcher Eigenschaft der Beschuldigte strafrechtlich verantwortlich gemacht wird; es ist demnach auch zu unterscheiden, ob der Beschuldigte als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als zur Vertretung nach außen Berufener verantwortlich gemacht wird oder aber als verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG.
Aus den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, die mit dem Akteninhalt übereinstimmen, ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin handelsrechtliche Geschäftsführerin der
N HandelsgmbH ist, sodass eine Bestrafung als verantwortliche Beauftragte gemäß § 9 Abs. 2 VStG ausscheidet; auf Übertretungen des § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG ist zudem § 9 Abs. 2 VStG nicht anwendbar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 2010, Zl. 2010/08/0162). Der angefochtene Bescheid - mit dem durch die Bestätigung des erstinstanzlichen Spruchs die Beschwerdeführerin ausdrücklich als "verantwortliche Beauftragte gemäß § 9 Abs. 2 VStG" bestraft wurde - erweist sich daher schon aus diesem Grunde als inhaltlich rechtswidrig.
3. Überdies ist Folgendes festzuhalten:
Die Beschwerdeführerin hat schon in ihrer Rechtfertigung gegenüber der erstinstanzlichen Behörde - wie auch in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid sowie in der mündlichen Verhandlung - angegeben, dass MO, nach Durchführung des Vorstellungsgespräches am 7. Jänner 2008, ab 11. Jänner 2008 "geringfügig beschäftigt" worden sei. Zudem wurde in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, dass MO zum Tatzeitpunkt nicht im Handelsbetrieb der N HandelsgmbH gearbeitet habe, falls sie aber doch damals Ware umgeschlichtet bzw. kontrolliert haben sollte, habe sie dafür kein Entgelt erhalten.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juli 2001, Zl. 99/08/0030) hat die Behörde, wenn sie wegen der Übertretung des § 33 Abs. 1 ASVG eine Strafe verhängt, in der Begründung die Krankenversicherungspflicht der Beschäftigung, d.h. einen Entgeltanspruch, der die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt, darzutun. Dies bedeutet zumindest die Feststellung eines solchen Umfanges der Arbeitsverpflichtung, dass daraus (oder aus den lohnrelevanten Vorschriften des Kollektivvertrages) verlässlich auf einen die Geringfügigkeitsgrenze übersteigenden Anspruchslohn geschlossen werden darf. Gelingt dies nicht, käme nur ein Schuldspruch nach § 33 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG in Betracht.
Die belangte Behörde hat ungeachtet des diesbezüglichen Vorbringens der Beschwerdeführerin keine näheren Feststellungen über den Umfang der Arbeitspflicht von MO getroffen. Insbesondere im Hinblick auf die nachfolgend erstattete Anmeldung betreffend eine geringfügige Beschäftigung ist auch nicht schlüssig dargelegt, dass - selbst wenn man der Beweiswürdigung der belangten Behörde folgt, wonach MO als Verkäuferin angetroffen worden sei - ein vollversichertes Beschäftigungsverhältnis bestanden habe.
4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das den Ersatz der Umsatzsteuer betreffende Kostenmehrbegehren war abzuweisen, da die Umsatzsteuer im Schriftsatzaufwand gemäß der zitierten Verordnung bereits enthalten ist.
Wien, am 27. April 2011
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