Normen
Auswertung in Arbeit!
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Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Mit Ansuchen vom 24. April 2008 beantragte Anton S. (im Folgenden genannt: Bauwerber) die Erteilung einer Baubewilligung für die Aufstockung und den Einbau von Wohneinheiten in ein bestehendes Gebäude auf einer ihm als Miteigentümer zum Teil gehörigen Liegenschaft. Die beiden Mitbeteiligten sind Eigentümer eines Grundstückes, das an diese Liegenschaft angrenzt.
Mit Kundmachung der beschwerdeführenden Partei vom 9. Juli 2008 wurde die mündliche Bauverhandlung für den 24. Juli 2008 anberaumt. Darin wurde u.a. darauf hingewiesen, dass Einwendungen, die nicht spätestens am Tage vor der Verhandlung beim Gemeindeamt oder während der Verhandlung vorgebracht würden, keine Berücksichtigung fänden und die Beteiligten ihre Parteistellung verlören. Nach Ausweis einer in den Verwaltungsakten enthaltenen Liste der Ladungen wurden die beiden Mitbeteiligten als Anrainer zu dieser Bauverhandlung persönlich geladen.
In der Bauverhandlung am 24. Juli 2008 führte der bautechnische Amtssachverständige (u.a.) aus, dass der Bauwerber zwei Dächer seines Gebäudes abzutragen und an deren Stelle ein neues Vollgeschoss mit sechs Wohneinheiten in Holzbauweise zu errichten beabsichtige, wozu entlang der westlichen Grundstücksgrenze die bestehende Außenwand um rund 3 m erhöht werden solle. Das Grundstück liege nach dem rechtskräftigen Flächenwidmungsplan im "Bauland-Kerngebiet-Handelszone" und im ungeregelten Baulandbereich, und es werde das gegenständliche Objekt in einer Höhe entsprechend der Bauklasse III ausgeführt.
Die beiden Mitbeteiligten erklärten in dieser Verhandlung:
"Die Höhe der Mauer zu unserem Grundstück ist für uns unakzeptabel. Die Wohnqualität ist dadurch sehr vermindert und beeinträchtigt unsere Gesundheit."
Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Partei vom 20. November 2008 wurde dem Bauwerber die baubehördliche Bewilligung für "die (den) Aufstockung und Einbau von 6 Wohneinheiten" in sein bestehendes Gebäude unter einer Reihe von Vorschreibungen erteilt. Dieser Bescheid wurde an die beiden Mitbeteiligten nicht zugestellt.
Mit Schreiben vom 27. November 2008 teilte der Bürgermeister der beschwerdeführenden Partei den beiden Mitbeteiligten mit, dass deren Einwendungen bei der Verhandlung keine subjektivöffentlichen Anrainerrechte "darstellten", sodass diese Einwendungen keine Berücksichtigung hätten finden können und deren Parteistellung verloren gegangen sei. Eine Zustellung des Baubewilligungsbescheides sei daher unzulässig.
Mit Schreiben der beiden Mitbeteiligten vom 16. Dezember 2008 stellten diese den Antrag auf Zustellung dieses Bescheides.
Dieser Antrag wurde vom Bürgermeister der beschwerdeführenden Partei mit Bescheid vom 16. Jänner 2009 u.a. mit der Begründung abgewiesen, dass die beiden Mitbeteiligten im Rahmen des Bauverfahrens zwar die Gebäudehöhe beanstandet hätten, diese jedoch keinen Einfluss auf die Belichtung der Hauptfenster zulässiger Gebäude deren Liegenschaft habe, sodass sie zwar Beteiligte, nicht jedoch Parteien im Sinn der NÖ Bauordnung 1996 (im Folgenden: BO) seien. Da die beiden Mitbeteiligten keine subjektiv-öffentlichen Anrainerrechte gemäß § 6 Abs. 2 BO vorgebracht hätten, hätten sie die Parteistellung als Anrainer verloren.
Die beiden Mitbeteiligten erhoben gegen diesen Bescheid Berufung.
Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der beschwerdeführenden Partei vom 26. Februar 2009 wurde der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid vollinhaltlich bestätigt.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde vom 31. Juli 2009 wurde der von den beiden Mitbeteiligten gegen den genannten Berufungsbescheid erhobenen Vorstellung Folge gegeben, der Berufungsbescheid aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungsbehörde zurückverwiesen. In ihrer Bescheidbegründung führte die belangte Behörde u.a. nach Hinweis auf § 6 und § 54 BO aus, der von den beiden Mitbeteiligten in der Bauverhandlung am 24. Juli 2008 abgegebenen Erklärung sei eindeutig zu entnehmen, dass sie sich gegen die Bebauungshöhe aussprächen und mit gesundheitlichen Konsequenzen gerechnet werde, sodass sie sich durch das Bauvorhaben als in ihrem subjektivöffentlichen Recht auf Einhaltung der zulässigen Gebäudehöhe gemäß § 6 Abs. 2 Z. 3 BO verletzt erachteten. Ob das Bauvorhaben tatsächlich Bestimmungen über die Bebauungshöhe verletze, sei nicht Voraussetzung für die Erhebung einer solchen Einwendung, und es bleibe dem Verfahren über die Erteilung der Baubewilligung vorbehalten, diese Frage zu prüfen. Den beiden Mitbeteiligten komme daher insoweit weiterhin Parteistellung im Baubewilligungsverfahren zu, was die Berufungsbehörde nicht erkannt habe, sodass ihr Bescheid zu beheben sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Die beiden Mitbeteiligten haben keine Gegenschrift erstattet.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im Beschwerdeverfahren ist nicht strittig, dass die beiden Mitbeteiligten Eigentümer eines Grundstückes sind, das an die Liegenschaft, auf der das Bauvorhaben errichtet werden soll, angrenzt, und sie daher Nachbarn im Sinn des § 6 Abs. 1 BO sind.
Nach der hg. Judikatur ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektivöffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2011, Zl. 2009/05/0220, mwN).
Die subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte sind in § 6 Abs. 2 BO taxativ aufgezählt, worin auf die Bestimmungen dieses Gesetzes und andere gesetzliche Bestimmungen verwiesen wird, die die aufgezählten Nachbarrechte gewähren. Als eine solche Bestimmung, auf die § 6 Abs. 2 BO verweist, ist (auch) § 54 BO anzusehen.
Diese Gesetzesbestimmungen in der hier maßgeblichen, bei Erlassung des genannten Berufungsbescheides geltenden Fassung, nämlich § 6 Abs. 2 BO idF LGBl. 8200-15 und § 54 idF LGBl. 8200-8, haben folgenden Wortlaut:
"§ 6
Parteien, Nachbarn und Beteiligte
(...)
(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die
1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4) sowie
2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben,
gewährleisten und über
3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässigen Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen."
"§ 54
Bauwerke im ungeregelten Baulandbereich
Ein Neu- oder Zubau eines Bauwerks ist unzulässig, wenn für ein als Bauland gewidmetes Grundstück kein Bebauungsplan gilt oder dieser keine Festlegung der Bebauungsweise oder -höhe enthält und das neue oder abgeänderte Bauwerk
- in seiner Anordnung auf dem Grundstück oder Höhe von den an allgemein zugänglichen Orten zugleich mit ihm sichtbaren Bauwerken auffallend abweicht oder
- den Lichteinfall unter 45 Grad auf Hauptfenster zulässiger Gebäude auf den Nachbargrundstücken beeinträchtigen würde.
Zur Wahrung des Charakters der Bebauung dürfen hievon Ausnahmen gemacht werden, wenn dagegen keine hygienischen oder brandschutztechnischen Bedenken bestehen."
Die beschwerdeführende Partei bringt vor, dass die beiden Mitbeteiligten zwar gegen das Bauvorhaben die oben wiedergegebenen Einwendungen erhoben hätten, was die beiden Baubehörden auch durchaus erkannt hätten. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde begründeten die Bestimmungen der BO über die Bebauungshöhe jedoch keine "generellen" subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte, sondern derartige Rechte nur insofern, "soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ Z. 9) der zulässigen (bestehende, bewilligte und zukünftige bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen." Wenn die Gebäudehöhe eines Projektes auf die Belichtung von Hauptfenstern keine Auswirkung haben könne, so begründeten die Bestimmungen über Bebauungsart und -höhe keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte und sohin keine Parteistellung. Da der Bausachverständige in seinem Gutachten ausgeführt habe, dass die Hauptfenster der Wohngebäude auf den Grundstücken der beiden Mitbeteiligten durch das Bauvorhaben in ihrem "gesetzlichen Lichteinfall" nicht beeinträchtigt würden, und dies auch bereits im erstinstanzlichen Verfahren festgestellt worden sei, lägen subjektiv-öffentlich Rechte der Anrainer in Bezug auf die Gebäudehöhe nicht vor, weshalb der Baubewilligungsbescheid an diese auch nicht zuzustellen gewesen sei.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Nach ständiger hg. Judikatur liegt eine Einwendung im Sinn des § 42 AVG vor, wenn aus dem Vorbringen des Nachbarn zu erkennen ist, in welchem vom Gesetz geschützten Recht er sich als durch die beabsichtigte Bauführung verletzt erachtet. Er muss zwar das Recht, in dem er sich verletzt erachtet, nicht ausdrücklich bezeichnen und auch nicht angeben, auf welche Gesetzesstelle sich seine Einwendung stützt, und er muss seine Einwendung auch nicht begründen, jedoch muss daraus erkennbar sein, welche Rechtsverletzung behauptet wird. Wird keine solche Einwendung erhoben, verliert der Nachbar seine Parteistellung im Baubewilligungsverfahren (vgl. zum Ganzen etwa das Erkenntnis vom 18. Dezember 2006, Zl. 2004/05/0208, mwN).
Die beiden Mitbeteiligte haben in der Bauverhandlung am 24. Juli 2008 - was im Beschwerdeverfahren nicht strittig ist - folgende Erklärung abgegeben:
"Die Höhe der Mauer zu unserem Grundstück ist für uns unakzeptabel. Die Wohnqualität ist dadurch sehr vermindert und beeinträchtigt unsere Gesundheit."
Damit haben die beiden Mitbeteiligten entgegen der Rechtsauffassung der beschwerdeführenden Partei eine Einwendung im Sinne des § 42 AVG erhoben. Denn sie haben nicht nur erklärt, gegen das Bauvorhaben zu sein, sondern ihre Einwendung auch hinreichend konkretisiert, und es kann ihrem Vorbringen entnommen werden, dass sie sich durch das Bauvorhaben als in ihrem subjektivöffentlichen Recht auf Einhaltung der zulässigen Bauwerkshöhe, das ihnen § 6 Abs. 2 Z. 3 BO einräumt, verletzt erachten. Zwar ist den Nachbarn diesbezüglich nach dieser Gesetzesbestimmung nur insofern ein subjektiv-öffentliches Recht eingeräumt, als diese Bestimmungen dazu dienen, eine ausreichende Belichtung der Hauptfenster (der bewilligten oder bewilligungsfähigen) Gebäude der Nachbarn zu gewährleisten. Um eine taugliche Einwendung nach dieser Vorschrift zu erheben, reicht es jedoch bereits aus, dass die Nachbarn behaupten, das Bauvorhaben verletze Bestimmungen über die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe. Dass das Bauvorhaben tatsächlich gegen diese Bestimmungen verstößt (zumal diese Bestimmungen dazu dienen, eine ausreichende Belichtung der Hauptfenster der Gebäude auf dem Nachbargrundstück zu gewährleisten), ist nicht Voraussetzung für eine Einwendung im Rechtssinne. Es bleibt dem Verfahren über die Erteilung der Baubewilligung vorbehalten, diese Frage zu prüfen (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Mai 2006, Zl. 2005/05/0345, und das vorzitierte Erkenntnis, Zl. 2004/05/0208).
Die Rechtsansicht der belangten Behörde, dass den beiden Mitbeteiligten, weil sie in der Bauverhandlung eine zulässige Einwendung im Sinn der vorzitierten Judikatur erhoben hätten, auch im weiteren Baubewilligungsverfahren die Parteistellung zugekommen sei und sie nicht präkludiert seien, weshalb sie ein Recht auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides vom 20. November 2008 hätten, steht daher mit dem Gesetz im Einklang.
Demzufolge war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 6. September 2011
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