VwGH 2009/02/0281

VwGH2009/02/028129.4.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über den Antrag des W M in E, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung eines Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 15. Juni 2009, Zl. UVS-7/15003/11-2009, betreffend Übertretung des KFG 1967, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht Folge gegeben.

Begründung

Der anzufechtende Bescheid wurde dem Antragsteller laut seinen Angaben am 22. Juni 2009 zugestellt. Die Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof endete somit am 3. August 2009. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wurde beim Verwaltungsgerichtshof am 7. August 2009 mittels Telefax eingebracht und zur hg. Zl. VH 2009/02/0039, protokolliert.

Über Vorhalt der Verspätung (dem damaligen Vertreter Mag. Christian Pilz zugestellt am 26. August 2009; dessen Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft mit Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses des Handelsgerichtes Wien vom 6. Oktober 2010, mit dem der Konkurs über sein Vermögen eröffnet wurde und für den mittlerweilige Stellvertreter bestellt wurden) begehrte der Antragsteller mit dem vorliegenden, am 8. September 2009 eingelangten Telefax die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung eines Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen den aus dem Spruch ersichtlichen Bescheid und brachte vor, die verspätete Übermittlung des Antrags auf Verfahrenshilfe könne nur dadurch erklärt werden, dass der Termin von seinem Rechtsvertreter "für die Ladung zur Verhandlung zu spät kalendiert wurde". Dies sei insofern entschuldbar, als der Vertreter eine gute Organisation habe und diese immer wieder kontrolliere. Der Vertreter verfüge über gutes Personal und ein gutes Fristenwahrungssystem. Der Post-, Fax- und E-Mail-Eingang werde mehrmals täglich von mehreren zuverlässigen Kanzleimitarbeitern unabhängig voneinander kontrolliert, um so eine lückenlose Entgegennahme zu gewährleisten. Eingegangene Dokumente würden täglich gescannt und in einen Online-Terminkalender eingetragen und mit mehrfacher Erinnerung versehen, um so einem Fristenversäumnis entgegenzuwirken. Am 30. Juni 2009, nach Vorsortierung und Scan, sei die Frist vom Kanzleimitarbeiter S.G., der immer verlässlich und genau gewesen sei, durch mehrmaliges unerklärliches Verzählen irrtümlich falsch eingetragen worden. Am 25. August 2009 habe der Vertreter mit Zustellung der Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes mit der Aktenzahl VH 2009/02/0039 vom falsch eingetragenen Termin sowie von der Versäumnis der rechtzeitigen Übermittlung des Antrags auf Verfahrenshilfe Kenntnis erlangt. Daher habe ein derartig außergewöhnlicher Fehler nicht vorhergesehen und abgewendet werden können.

Aus der eidesstättigen Erklärung des Kanzleimitarbeiter S.G. geht hervor, dass er entsprechend seiner Tätigkeit die sechswöchige Frist für eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde in den Online Terminkalender eingetragen habe. Da er sich mit dem Eintragen der Frist zweimal um eine Woche verzählt habe, habe er diese Frist mit einer Woche Verspätung eingetragen.

Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, während jenes eines Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes demjenigen der Partei oder des Rechtsanwaltes nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden darf. Das Versehen eines solchen Kanzleibediensteten ist dann ein Ereignis im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht jenen Bediensteten gegenüber nachgekommen ist. Hiebei ist zu beachten, dass der Rechtsanwalt die Aufgaben, die ihm gegenüber seinen Klienten erwachsen, auch insoweit erfüllen muss, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient. Er muss gegenüber diesem Apparat alle Vorsorgen treffen, die die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben gewährleisten. Insoweit der Rechtsanwalt diese Vorsorgen nicht in der Art und dem Maß getroffen hat, wie es von ihm je nach der gegebenen Situation zu erwarten war, kommt ein Verschulden an einer späteren Fristversäumung in Betracht. Insbesondere muss der Anwalt die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, dass auch die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt wird. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen unter anderem dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Ein Rechtsanwalt verstößt danach auch dann gegen eine anwaltliche Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens eines Mitarbeiters Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (vgl. den hg. Beschluss vom 27. Jänner 1997, Zl. 96/10/0253, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof geht ferner in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Rechtsanwalt lediglich rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken ohne nähere Beaufsichtigung einer verlässlichen Kanzleikraft überlassen kann. Hingegen ist für die richtige Berechnung der jeweiligen Rechtsmittelfrist stets der Anwalt selbst verantwortlich. Er selbst hat die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der ihm gegenüber seinen Kanzleiangestellten gegebenen Aufsichtspflicht zu überwachen. Tut er dies nicht oder unterläuft ihm hiebei ein Versehen, ohne dass er dartun kann, dass die Fristversäumung auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten des betreffenden Kanzleiangestellten beruht und in seiner Person keinerlei Verschulden vorliegt, so trifft ihn ein Verschulden an der Versäumung (vgl. auch dazu den zitierten Beschluss vom 27. Jänner 1997, mwN). Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang gleichfalls wiederholt ausgesprochen hat, darf der Rechtsanwalt die Festsetzung von Fristen nicht völlig einer Kanzleikraft überlassen und sich nur auf stichprobenartige Kontrollen beschränken (vgl. den hg. Beschluss vom 21. Oktober 1992, Zlen. 92/02/0247 bis 0249). Kommt der Rechtsanwalt im erwähnten Zusammenhang seiner Aufsichts- und Kontrollpflicht nicht nach, so handelt es sich nicht um einen minderen Grad des Versehens (vgl. den hg. Beschluss vom 26. Jänner 1999, Zl. 98/02/0412, mwN).

Im Beschwerdefall hat der Rechtsanwalt nach den Darlegungen des Antrages die Berechnung der Beschwerdefrist nicht selbst vorgenommen, sondern dies einem seiner Angestellten überlassen. Damit hat er selbst weder auf die richtige Berechnung noch auf die richtige Eintragung des Endes der Beschwerdefrist im konkreten Einzelfall abzielende Maßnahmen gesetzt. Die Berufung auf das "Verzählen" durch den Kanzleiangestellten ist im vorliegenden Zusammenhang schon deshalb nicht zielführend, weil es nicht darauf ankommt, ob dem Kanzleiangestellten ein Verschulden bzw. ein den minderen Grad eines Versehens übersteigendes Verschulden an der Versäumung vorzuwerfen ist. Schon aus den Behauptungen des Antrages geht somit hervor, dass im vorliegenden Fall der einschreitende Rechtsanwalt die Frist nicht selbst berechnet hat. Da auch kein auf die Überprüfung der Eintragung von richtig ermittelten Fristen gerichtetes (ausreichendes) Kontrollsystem behauptet wurde, kann von einem minderen Grad des Versehens nicht gesprochen werden, weshalb dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 Abs. 1 VwGG nicht stattzugeben war.

Wien, am 29. April 2011

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