Normen
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der 1981 geborene Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste am 20. August 2002 - seinem Vorbringen zufolge: nach einem Voraufenthalt in Deutschland von dort kommend -
in das Bundesgebiet ein. Hier stellte er einen Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesaslyamtes vom 18. November 2002 abgewiesen wurde; unter einem wurde die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei für zulässig erklärt.
Während des Verfahrens über die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung, in dem ihm eine vorläufige asylrechtliche Aufenthaltsberechtigung zukam, heiratete der Beschwerdeführer am 6. Dezember 2006 eine österreichische Staatsbürgerin. Die im Asylverfahren eingebrachte Berufung wurde schließlich mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 30. April 2007 abgewiesen. Die Behandlung der dagegen an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde, der am 15. Oktober 2007 die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war, wurde mit Beschluss vom 29. November 2007 abgelehnt. Der Verwaltungsgerichtshof, an den diese Beschwerde sodann abgetreten worden war, lehnte ihre Behandlung ebenfalls, und zwar mit Beschluss vom 31. Jänner 2008, ab. Ein hierauf am 28. März 2008 vom Beschwerdeführer gestellter Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" war (bei Erlassung des bekämpften Bescheides) noch nicht erledigt.
In der Folge wurde mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten (der belangten Behörde) vom 12. November 2008 gemäß § 53 Abs. 1 iVm § 87 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) die Ausweisung des Beschwerdeführers verfügt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Demzufolge ist für die vorliegende Entscheidung sachverhaltsmäßig - ungeachtet der Mitteilung der belangten Behörde vom 3. Februar 2010, dass die Ehe des Beschwerdeführers mit seiner österreichischen Ehefrau mit Gerichtsbeschluss vom 10. Juni 2009 (einvernehmlich) geschieden worden sei - vom aufrechten Bestand dieser Ehe und rechtlich von der Anwendung des FPG in der Fassung vor der Novellierung mit BGBl. I Nr. 29/2009 auszugehen.
Vor diesem Hintergrund erweist sich die Beschwerde aber schon deshalb als berechtigt, weil die belangte Behörde die gebotene Interessenabwägung nach § 66 FPG vor dem Hintergrund der in der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes in Anlehnung an Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte hervorgestrichenen Kriterien nur unzureichend vorgenommen hat. Insoweit kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe der Erkenntnisse vom 9. November 2010, Zl. 2009/21/0031, und Zl. 2007/21/0493, verwiesen werden.
Auch im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde - neben der vom unbescholtenen Beschwerdeführer auch ins Treffen geführten legalen Berufstätigkeit - vor allem die aufrechte Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin nicht im erforderlichen Ausmaß berücksichtigt und sich insbesondere nicht mit der Frage auseinander gesetzt, ob dem Beschwerdeführer und seiner österreichischen Ehefrau die Fortsetzung des Familienlebens in der Türkei möglich und zumutbar wäre. Vielmehr beschränkte sie sich auf den Hinweis, dass der eingebrachte Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels kein "Bleiberecht" schaffe und der Beschwerdeführer mangels Inanspruchnahme der gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeit durch seine Ehefrau kein "begünstigter Drittstaatsangehöriger" sei, sowie auf die Anmerkung, dass der Eingriff in das Familienleben aufgrund dessen erst kurzer Dauer relativiert werde. Auch wenn der Beschwerdeführer - so folgerte die belangte Behörde - Ehegatte einer Österreicherin sei, die deutsche Sprache bereits in Wort und Schrift gelernt habe und seine Ehefrau auch teilweise für ihn sorge, könne dies nichts daran ändern, dass er nach rechtskräftig negativem Abschluss seines Asylverfahrens nicht ausgereist sei und sich demnach unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte.
Diese Formulierung deutet - ähnlich wie im Fall des Erkenntnisses Zl. 2009/21/0031 - darauf hin, dass die belangte Behörde dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften einen absoluten Charakter beizumessen scheint. Jedenfalls lässt sich aber nicht erkennen, die belangte Behörde hätte die besonderen Verhältnisse bei einem Fremden und seinem österreichischen Ehepartner, denen zumeist die Führung eines gemeinsamen Familienlebens nur in Österreich möglich und zumutbar ist, bei ihrer Abwägung berücksichtigt. Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch schon wiederholt darauf hingewiesen, dass sich die Fremdenpolizeibehörde in Konstellationen wie der vorliegenden nicht mit formelhaften Begründungen begnügen darf, sondern sich mit den konkreten Auswirkungen einer Ausweisung auf die Situation des Fremden und seiner Familienangehörigen zu befassen hat (vgl. neuerlich das schon genannte Erkenntnis Zl. 2007/21/0493, und daran anschließend etwa das Erkenntnis vom 22. März 2011, Zl. 2008/21/0666).
Der angefochtene Bescheid war somit schon wegen dieses Begründungsmangels gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 30. August 2011
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