VwGH 2008/08/0028

VwGH2008/08/002816.2.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des G B in Wien, vertreten durch Mag. Jan Gruszkiewicz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 11/4. Stock, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 22. Oktober 2007, Zl. 2007-0566-9-001377, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §12 Abs3 lith idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §12 Abs3;
AlVG 1977 §12 Abs3 lith idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §12 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe am 10. September 2007 Arbeitslosengeld beantragt. Mit Bescheid vom 27. September 2007 habe die erstinstanzliche Behörde dem Antrag keine Folge gegeben und diese Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer vom 1. August 2006 bis 31. August 2006 bei der Firma B. vollversichert beschäftigt gewesen sei und ebendort seit 1. September 2006 bis laufend geringfügig angemeldet sei. Da zwischen vollversicherter und geringfügiger Beschäftigung kein Monat Unterbrechung liege, gelte der Beschwerdeführer somit nicht als arbeitslos.

In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er am 29. Juni 2007 seine Schulausbildung abgeschlossen habe. Seit dem 4. Februar 2006 habe er bei der Firma B. als geringfügig Beschäftigter gearbeitet. Vom 1. August bis zum 31. August 2006 habe er diese geringfügige Tätigkeit unterbrochen, um bei derselben Firma als Urlaubsvertretung für einen Monat im Vollverdienst als Angestellter beschäftigt zu sein.

Diesem Berufungsvorbringen sei der klare gesetzliche Wortlaut entgegenzuhalten, wonach gemäß § 12 Abs. 3 lit. h AlVG nicht als arbeitslos gelte, wer beim selben Dienstgeber eine Beschäftigung aufnehme, deren Entgelt die Geringfügigkeitsgrenze nicht übersteige, es sei denn, dass zwischen der vorhergehenden Beschäftigung und der neuen geringfügigen Beschäftigung ein Zeitraum von mindestens einem Monat gelegen sei.

Eine Abfrage beim Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger habe ergeben, dass der Beschwerdeführer bei der Firma B. vom 1. August bis 31. August 2006 in einem vollversicherungspflichtigen Dienstverhältnis und im Anschluss daran in der Zeit vom 1. September 2006 bis 30. September 2007 beim selben Dienstgeber geringfügig beschäftigt gewesen sei. Da der Beschwerdeführer somit zunächst in einem vollversicherungspflichtigen Dienstverhältnis und daran anschließend beim selben Dienstgeber in einem geringfügigen Dienstverhältnis gestanden sei, sei seinem Antrag auf Arbeitslosengeld keine Folge zu geben.

Als Rechtsgrundlagen wurden von der belangten Behörde § 7 Abs. 1 und Abs. 2, § 12 Abs. 1 und Abs. 3 lit. a und h AlVG und § 5 Abs. 2 ASVG angeführt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 7 Abs. 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaft erfüllt und die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.

Der Arbeitsvermittlung steht gemäß § 7 Abs. 2 AlVG zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitslos ist.

§ 12 Abs. 3 lit. h AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 lautet:

"(3) Als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 gilt insbesondere nicht:

(…)

h) wer beim selben Dienstgeber eine Beschäftigung aufnimmt, deren Entgelt die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, es sei denn, daß zwischen der vorhergehenden Beschäftigung und der neuen geringfügigen Beschäftigung ein Zeitraum von mindestens einem Monat gelegen ist."

Diese Bestimmung wurde durch das Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201, in § 12 Abs. 3 AlVG (vormals als lit. i) eingefügt. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (RV 72 BlgNR 20. GP, S 234) führen dazu aus:

"Zu Art. 23 Z 5 (§ 12 Abs. 3 lit. h und i):

Es sind vermehrt Fälle aufgetreten, in denen ein Arbeitnehmer beim selben Arbeitgeber von einem vollversicherten Dienstverhältnis in ein geringfügiges Dienstverhältnis wechselt und daneben Arbeitslosengeld bezieht. Um diese Mißbrauchsmöglichkeit hintanzuhalten, soll in einem solchen Fall der Anspruch auf Arbeitslosengeld ausgeschlossen sein. Wenn jedoch zwischen dem Vollarbeitsverhältnis und der geringfügigen Beschäftigung ein Zeitraum von mehr als einem Monat liegt, soll dennoch Arbeitslosengeld gebühren."

Gemäß § 12 Abs. 6 lit. a AlVG gilt als arbeitslos jedoch, wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielt, das die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt.

2. Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde im Wesentlichen vor, dass er den Tatbestand des § 12 Abs. 3 lit. h AlVG nicht erfülle. Er sei bis September 2007 nicht arbeitslos gewesen, sondern - neben seiner geringfügigen Beschäftigung - Schüler einer Fachschule. Erst mit Beendigung der Schulausbildung habe er den Tatbestand der Arbeitslosigkeit erfüllen können. Er gelte daher als arbeitslos gemäß § 12 Abs. 6 lit. a AlVG, da er im September 2007 aus einer Beschäftigung ein Entgelt erzielt habe, das den in § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Betrag nicht überstiegen habe. Er erfülle den Tatbestand des § 12 Abs. 3 lit. h AlVG auch deshalb nicht, da er die geringfügige Beschäftigung bei der Firma

B. nach dem einmonatigen Ferialjob nicht aufgenommen, sondern neben der Schule fortgesetzt habe. Hätte er hingegen im September 2007 bei der Firma B. eine Vollbeschäftigung übernommen und wäre dann weiter geringfügig beschäftigt gewesen ohne Schüler zu sein, wäre sein Verhalten tatbestandsmäßig gewesen.

Zweck der Bestimmung des § 12 Abs. 3 lit. h AlVG sei es, die missbräuchliche Inanspruchnahme von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung auszuschließen. Jede Änderung des Beschäftigungsverhältnisses sei aber vor Anwendung des Ausschlusstatbestands der lit. h auf die Möglichkeit eines Rechtsmissbrauchs hin zu untersuchen. Es sei eine am Gesetzeszweck orientierte teleologische Interpretation erforderlich, um unbillige Härtefälle zu vermeiden. Im beschwerdegegenständlichen Fall sei kein Rechtsmissbrauch zu erblicken, ebenso liege kein Dienstverhältnis im Sinne der Gesetzesstelle vor, "sondern ein Ferialjob". Tatsächlich habe der Beschwerdeführer eine geringfügige Beschäftigung fortgesetzt und erst zu einem späteren Zeitpunkt (nach Beendigung der Schule) überhaupt eine Möglichkeit auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten. Die Fortsetzung einer geringfügig bezahlten Beschäftigung werde im AlVG nicht sanktioniert, der Beschwerdeführer habe durch seine versicherungspflichtige Beschäftigung einen Rechtsanspruch auf Arbeitslosengeld erworben.

Der Bescheid sei auch wegen Rechtswidrigkeit in Folge der Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, da die belangte Behörde es unterlassen habe, Feststellungen über die Qualifikation des Beschwerdeführers als Schüler und über die Höhe seines Lohnes zu treffen. Es fehlten somit die Feststellungen, nach denen § 12 Abs. 3 lit. h AlVG erfüllt sei.

3. Im Beschwerdefall steht außer Streit, dass der Beschwerdeführer im August 2006 als Dienstnehmer bei der Firma B. voll- und arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war, und dass er unmittelbar daran anschließend - bis einschließlich des Zeitraums, für den Arbeitslosengeld beantragt wurde - zum selben Dienstgeber ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis bestand.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs besteht für eine einschränkende Interpretation des § 12 Abs. 3 lit. h AlVG in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts dieser Bestimmung kein Raum (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 5. November 2003, Zl. 99/08/0078).

Die Bestimmung des § 12 Abs. 3 lit. h AlVG stellt weder darauf ab, ob ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis beim selben Dienstgeber auch schon vor Aufnahme der vollversicherten Beschäftigung bestanden hat, noch darauf, ob während der daran anschließenden geringfügigen Beschäftigung zunächst kein Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht, weil ein weiterer die Arbeitslosigkeit ausschließender Tatbestand des § 12 Abs. 3 AlVG (im Beschwerdefall lit. f) vorliegt. Es stellt daher auch keinen Verfahrensmangel dar, wenn die belangte Behörde Feststellungen zur Schulausbildung des Beschwerdeführers unterlassen hat. Ebenso kann die Beschwerde nicht dartun, weshalb nähere Feststellungen zur Höhe der Entlohnung des Beschwerdeführers während seiner Vollbeschäftigung im August 2006 erforderlich wären. Für die Anwendbarkeit des§ 12 Abs. 3 lit. h AlVG ist nämlich zunächst nur entscheidend, dass vor der geringfügigen Beschäftigung eine die Arbeitslosigkeit ausschließende (vollversicherte) Beschäftigung beim selben Dienstgeber vorlag, was auch in der Beschwerde nicht bestritten wird. Auch der Umstand, dass es sich bei dieser Beschäftigung um einen "Ferialjob" gehandelt hat, ändert nichts am Vorliegen eines vollversicherungspflichtigen Dienstverhältnisses als Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG im August 2006, an das ohne Unterbrechung die geringfügige Beschäftigung beim selben Dienstgeber anschloss.

4. Der Beschwerdeführer regt auch an, einen Antrag an den Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung des § 12 Abs. 3 lit. h AlVG zu stellen, da diese Bestimmung gleichheitswidrig sei, weil sie nicht danach differenziere, wann und durch wen eine Vollzeitbeschäftigung und in Folge eine geringfügige Beschäftigung erfolge.

Der Verwaltungsgerichtshof kann sich diesen Bedenken im Lichte des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofs vom 24. Juni 1998, B 941/98, nicht anschließen. Der Verfassungsgerichtshof hat in diesem Beschluss, mit dem die Behandlung einer an ihn gerichteten Bescheidbeschwerde abgelehnt wurde, zu der hier gegenständlichen materiellen Bestimmung (damals § 12 Abs. 3 lit. i AlVG) ausgeführt, es stehe dem Gesetzgeber frei, zur Verhinderung von Missbräuchen - ungeachtet denkbarer Härtefälle - Leistungen nicht schon dann vorzusehen, wenn die Vertragspartner die wechselseitigen Hauptpflichten bloß (vorübergehend aussetzen oder unter die Geringfügigkeitsgrenze herabsetzen, sondern erst dann, wenn ein Arbeitsplatz durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses tatsächlich verloren geht. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich dieser Begründung in seinem Erkenntnis vom 23. Februar 2000, Zl. 98/08/0179, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, angeschlossen.

5. Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 16. Februar 2011

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