Normen
AlVG 1977 §12 Abs3 liti;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §12 Abs3 liti;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §38;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte mit dem am 6. August 1997 ausgegebenen Formular die Gewährung von Notstandshilfe. Die Frage
"5) Ich stehe derzeit in Beschäftigung. Wenn ja, Art der Tätigkeit (z.B. Dienstnehmer/in, Hausbesorger/in, geringfügige Beschäftigung, Mitarbeiter/in im Familienbetrieb, Geschäftsführer/in)" verneinte er ebenso wie die Frage "8) Ich habe ein eigenes Einkommen. Wenn ja, welcher Art? (z.B. Pensionen, Renten, Unterhaltsleistungen, Einkommen aus geringfügiger, selbständiger oder freiberuflicher Tätigkeit, Vermietung oder Hausbesorgertätigkeit)".
Mit Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Linz vom 11. August 1997 wurde der Anspruch des Beschwerdeführers auf Notstandshilfe ab dem 6. August 1997 anerkannt. Mit 31. Juli 1998 wurde der Leistungsbezug vorsorglich wieder eingestellt, weil der Beschwerdeführer bekannt gegeben hatte, dass er seit Februar 1998 bei zwei Firmen geringfügig beschäftigt sei. Der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Linz wurde zusätzlich bekannt, dass der Beschwerdeführer zur Firma U. in der Zeit vom 1. August 1997 bis zum 31. August 1997 in einem vollversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden und ab 1. September 1997 (im Rahmen einer nur mehr geringfügigen Beschäftigung) nur mehr unfallversichert gewesen war. Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Linz vom 3. September 1998 wurde der Bezug der Notstandshilfe für die Zeit vom 6. August 1997 bis zum 31. Juli 1998 im Gesamtbetrag von S 65.853,-- widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt und der Beschwerdeführer zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe im Betrag von S 65.853,-- verpflichtet.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Er führte aus, er sei seit 1. Oktober 1996 in der Firma U. geringfügig beschäftigt gewesen. Es sei richtig, dass er im August 1997 auf Grund einer Beitragsprüfung der Gebietskrankenkasse nachträglich zur Vollversicherung in der Sozialversicherung angemeldet worden sei und er daher im August 1997 "mehr als geringfügig" beschäftigt gewesen sei. Ab September 1997 sei er jedoch wieder nur geringfügig beschäftigt gewesen, und zwar bis zum 31. Jänner 1998. Ab diesem Zeitpunkt habe er eine zweite geringfügige Beschäftigung bei der Firma H. angenommen. Für den Zeitraum September 1997 bis zum 31. Jänner 1998 habe er nur eine geringfügige Beschäftigung ausgeübt. Er habe nicht erkennen können, dass ihm Notstandshilfe für diesen Zeitraum nicht gebühre. Er beantrage daher, von der Rückforderung der für diesen Zeitraum gewährten Notstandshilfe abzusehen.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung nicht statt. Gemäß § 38 iVm § 24 Abs. 2 AlVG werde der Bezug der Notstandshilfe vom 6. August 1997 bis zum 25. September 1997 und der Bezug der Notstandshilfe in Form eines Pensionsvorschusses gemäß § 23 AlVG vom 27. Oktober 1997 bis zum 31. Juli 1998 in der Höhe der jeweils angegebenen Tagesleistungen widerrufen. Gemäß § 38 iVm § 25 Abs. 1 AlVG werde die in diesen Zeiträumen zu Unrecht bezogene Leistung im Gesamtausmaß von S 65.853,-- zum Rückersatz vorgeschrieben.
Der Beschwerdeführer habe vom 6. August 1997 bis zum 25. September 1997 Notstandshilfe und vom 27. Oktober 1997 bis zum 31. Juli 1998 die Notstandshilfe in Form eines Pensionsvorschusses bezogen. Auf Grund einer Überlagerungsmeldung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger sei dem Arbeitsmarktservice Linz bekannt geworden, dass der Beschwerdeführer vom 1. August 1997 bis zum 31. August 1997 bei der Firma U. in einem voll- und arbeitslosenversicherungspflichtigen Dienstverhältnis gestanden sei und ab 1. September 1997 beim selben Dienstgeber wie bereits vor dem 1. August 1997 in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis stehen würde. Am 28. August 1998 sei vom Arbeitsmarktservice Linz folgender Aktenvermerk angelegt worden:
"Bei einer persönlichen Vorsprache (vor ca. 2 Wochen) gab Herr S. (Beschwerdeführer) bekannt, daß er seit 2/98 bei 2 Firmen geringfügig beschäftigt ist. Daraufhin wurde der Leistungsbezug vorsorglich per 01.08.98 eingestellt. Lohnbestätigung wurde an beide Firmen geschickt (noch nicht retour). Bei Überprüfung der jährlichen Überlagerungen wurde zusätzlich folgender Sachverhalt bekannt: Herr S. gab dem Arbeitsmarktservice die Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung bei der Firma U. bekannt (Blatt 4/118).
Im Versicherungsverlauf ist dieses Dienstverhältnis jedoch vom 01.08.97 vollversichert und ab 01.09.97 nur mehr unfallversichert.
Laut Rücksprache mit Herrn W. (OÖ. Gebietskrankenkasse Beitragsprüfung) wurde am 20.05.98 eine Beitragsprüfung seitens der OÖ. Gebietskrankenkasse durchgeführt. Dabei stellte sich heraus, dass Herr S. einen Grundlohn von S 3.000,-- monatlich bezog. Im August 1997 sind jedoch Mehrstunden (lt. Lohnabrechnung) im Gesamtwert von S 11.000,-- angefallen. Herr S. hätte also erkennen müssen, daß dies dem Arbeitsmarktservice zu melden gewesen wäre. Der Leistungsbezug wird ab 01.08.97 rückgefordert."
Voraussetzung für die Annahme der Arbeitslosigkeit sei die Beendigung einer Beschäftigung. Sei das Beschäftigungsverhältnis nicht beendet, so komme es auf das Ausmaß der Tätigkeit nicht an. Arbeitslosigkeit sei bei Vorliegen eines voll- und arbeitslosenversicherungspflichtigen Dienstverhältnisses (vom 1. August 1997 bis zum 31. August 1997) nicht gegeben, und auch dann nicht, wenn dieses voll- und arbeitslosenversicherungspflichtige Dienstverhältnis auf das Niveau einer geringfügigen Beschäftigung herabsinke, das Beschäftigungsverhältnis jedoch nicht beendet worden sei. Somit habe sich nachträglich die Gewährung der Notstandshilfe vom 6. August 1997 bis zum 25. September 1997 und die Gewährung der Notstandshilfe in Form eines Pensionsvorschusses vom 27. Oktober 1997 bis zum 31. Juli 1998 als nicht begründet herausgestellt. Die Leistungsbezüge für diese Zeiträume seien zu widerrufen gewesen. Der Empfänger einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung habe jedwede Beschäftigung zu melden, selbst wenn sie nach seiner Auffassung den Leistungsanspruch nicht beeinflussen könne. Der Beschwerdeführer habe dem Arbeitsmarktservice anlässlich der Beantragung der Notstandshilfe vom 6. August 1997 verschwiegen, dass er in einer Beschäftigung stehe. Er habe dadurch maßgebende Tatsachen verschwiegen und somit einen Rückforderungstatbestand nach § 25 Abs. 1 AlVG verwirklicht.
In der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die von der belangten Behörde angewendete Bestimmung des § 12 Abs. 3 lit. i AlVG wurde mit Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201, mit 1. Mai 1996 in Kraft gesetzt und lautet wie folgt:
"(3) Als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 gilt insbesondere nicht:
...
i) wer beim selben Dienstgeber eine Beschäftigung aufnimmt, deren Entgelt die in § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, es denn, dass zwischen der vorhergehenden Beschäftigung und der neuen geringfügigen Beschäftigung ein Zeitraum von mindestens einem Monat gelegen ist."
Der Beschwerdeführer macht geltend, § 12 Abs. 3 lit. i AlVG sei unrichtig ausgelegt worden. Die vorliegenden besonderen Umstände, dass ein durchgehend bestehendes geringfügiges Beschäftigungsverhältnis (auf Grund von notwendigen Überstunden) einen Monat lang ein vollversicherungspflichtiges geworden und dann wieder auf das Niveau eines geringfügigen herabgesunken sei, rechtfertige es nicht, die Arbeitslosigkeit auch für den Zeitraum nach Ablauf des genannten Monats zu verneinen. Dem Gesetzgeber könne nicht unterstellt werden, er habe beabsichtigt, dass jede noch so geringfügige Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze (die zur Vollversicherungspflicht geführt habe) eine zumindest einmonatige Unterbrechung eines langjährig bestehenden Beschäftigungsverhältnisses nach sich ziehen müsse, um den Anspruch auf Arbeitslosengeld zu wahren. § 12 Abs. 3 lit. i AlVG sei als Ausnahmebestimmung einschränkend zu interpretieren.
Diesen Ausführungen kann nicht beigepflichtet werden. Den Gesetzesmaterialien RV 72 BlgNR 20. GP S. 234 zu Folge seien vermehrt Fälle aufgetreten, in denen ein Arbeitnehmer beim selben Arbeitgeber von einem vollversicherten Dienstverhältnis in ein geringfügiges Dienstverhältnis wechsle und daneben Arbeitslosengeld beziehe. Um diese Missbrauchsmöglichkeit hintanzuhalten, soll der Anspruch auf Arbeitslosengeld in einem solchen Fall ausgeschlossen sein. Wenn jedoch zwischen dem Vollarbeitsverhältnis und der geringfügigen Beschäftigung ein Zeitraum von mehr als einem Monat liege, soll dennoch Arbeitslosengeld gebühren.
Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer im August 1997 in einem voll- und arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden ist, an welches sich unmittelbar eine geringfügige Beschäftigung beim selben Dienstgeber anschloss. Damit verwirklichte sich die vom Gesetzgeber angenommene Missbrauchsmöglichkeit des vom jeweiligen Bedarf des Arbeitgebers abhängigen Wechsels des Arbeitnehmers in ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis bei (teilweiser) Substitution des Entgeltausfalles durch Arbeitslosengeld. Für eine einschränkende Interpretation des § 12 Abs. 3 lit. i AlVG besteht in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts dieser verfassungsrechtlich unbedenklichen Bestimmung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2000, Zl. 98/08/0179) kein Raum.
Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ist, wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt, die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen. Infolge des der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Linz erst nachträglich bekannt gewordenen Nichtbestehens des Anspruchs auf Arbeitslosengeld liegen die Voraussetzungen für einen Widerruf der Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gemäß § 24 Abs. 2 AlVG vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. März 2001, Zl. 2000/08/0178, mwN).
Nach § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG ist bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.
Die Verpflichtung, hinsichtlich maßgebender Tatsachen vollständige und wahrheitsgemäße Angaben zu machen, soll sicherstellen, dass der Behörde, die zahlreiche gleichartige Verfahren relativ rasch abzuwickeln hat, grundsätzlich die für den Leistungsanspruch maßgebenden Umstände vollständig und wahrheitsgemäß zur Kenntnis gelangen. Der Rückforderungstatbestand "unwahre Angaben" liegt daher jedenfalls dann vor, wenn die Behörde in einem Antragsformular eine rechtserhebliche Frage stellt und diese Frage unrichtig oder unvollständig beantwortet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. November 2002, Zl. 2002/08/0208). Da die Angaben zur Geltendmachung einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung im Antragsformular die Behörde in die Lage versetzen sollen, zu beurteilen, ob ein Anspruch besteht, ist das Risiko eines Rechtsirrtums, aus dem heraus ein Arbeitsloser meint, die darin gestellten Fragen nicht vollständig oder richtig beantworten zu müssen, von ihm zu tragen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. November 1995, Zl. 92/08/0034).
Der Beschwerdeführer stellt in Abrede, schuldhaft Meldepflichten verletzt zu haben, weil in den im Jahr 1996 verwendeten Antragsformularen nicht darauf hingewiesen worden sei, dass auch geringfügige Beschäftigungen zu melden wären. Darauf kommt es aber hier nicht an, weil nach dem Formular, das der Beschwerdeführer bei dem gegenständlichen Antrag vom 6. August 1997 verwendet hat, ausdrücklich sowohl eine geringfügige Beschäftigung als auch ein geringfügiges Einkommen zu melden ist. Auf das erstmals in der Beschwerde erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers, die unzutreffenden Angaben in seinem Antrag seien auf seine unzulänglichen Kenntnisse der deutschen Sprache zurückzuführen, kann wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes (§ 41 VwGG) nicht eingegangen werden (vgl. dazu im Übrigen z.B. das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 1993, Zl. 92/08/0087).
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Spruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 5. November 2003
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