VwGH 2008/05/0239

VwGH2008/05/023915.3.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der H R in S, vertreten durch Dr. Wolfgang Kunert, Rechtsanwalt in 2000 Stockerau, Pampichler Straße 1a, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 6. Oktober 2008, Zl. RU1-BR-1006/001-2008, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer baurechtlichen Angelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1. B W in R, 2. R B in B, 3. Marktgemeinde B), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde als Baubehörde erster Instanz vom 13. Februar 2008 wurde der erst- und der zweitmitbeteiligten Partei die Baubewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses, einer Garage, einer straßenseitigen Einfriedung, eines Schwimmbeckens, einer Gartenhütte und eines Erdkellers auf dem Grundstück Nr. 882/8, KG B, erteilt. Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin laut Rückschein am 22. Februar 2008 zugestellt.

2. Die dagegen eingebrachte Berufung der Beschwerdeführerin wurde vom Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom 20. März 2008 als verspätet zurückgewiesen. Dies wurde damit begründet, dass der Bescheid am 22. Februar 2008 übernommen worden und der letzte Tag für die Einbringung der Berufung damit der 7. März 2008 gewesen sei. Die Berufung sei aber erst am 10. März 2008 zur Post gegeben worden und deshalb als verspätet zurückzuweisen gewesen.

3. Daraufhin brachte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 28. März 2008 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist ein. Begründet wurde dieser im Wesentlichen damit, dass die Kanzleileiterin ihres Rechtsvertreters den auf elektronischen Weg übermittelten Bescheid übernommen und daraufhin die Rechtsmittelfrist vorgemerkt habe. Dabei sei ihr ein Versehen unterlaufen, weshalb die Rechtsmittelfrist verspätet vorgemerkt worden sei. Bei der Kanzleileiterin handle es sich um eine äußerst verlässliche und erfahrene Kanzleikraft, die diese Tätigkeit bereits seit Jahrzehnten ausübe, weshalb die Beschwerdeführerin sowie ihr Rechtsvertreter auf die richtige Fristvermerkung hätten vertrauen dürfen. Ein derartiges Versehen sei dieser trotz jahrzehntelanger Kanzleitätigkeit bisher noch nie unterlaufen. Der unrichtige Fristvermerk sei offenbar auf den vermehrten Arbeitsaufwand am letzten Arbeitstag vor dem Urlaubsantritt der Kanzleileiterin zurückzuführen. Bedingt durch die elektronische Übermittlung der der Beschwerdeführerin zuvor zugestellten Bescheidausfertigung an ihren Rechtsvertreter sei diesem das Kuvert mit Poststempel naturgemäß nicht übermittelt worden. Dieses habe sich somit auch nicht im Akt des Rechtsvertreters befunden, weshalb die fälschlich verspätet vorgemerkte Rechtsmittelfrist bei der weiteren Bearbeitung des Aktes nicht habe auffallen können. In weiterer Folge hätte auch keine persönliche Besprechung stattgefunden, im Zuge derer das Versehen hätte aufgeklärt werden können. Die Versäumung der Berufungsfrist sei auf die Kulmination dieser Umstände zurückzuführen, auf Grund der Einmaligkeit der Ereignisse liege aber lediglich ein minderer Grad des Versehens vor.

4. Diesem Antrag wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 10. April 2008 nicht stattgegeben. Begründend wurde insbesondere festgehalten, dass die Sorgfaltspflicht die Überwachung der Fristvormerkung umfasse, wobei dann, wenn Aufzeichnungen über die Zustellung eines zu bekämpfenden Bescheides fehlten, eine erhöhte Sorgfaltspflicht seitens des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin bestehe. Dagegen sei im Beschwerdefall verstoßen worden, von einem minderen Grad des Versehens könne nicht gesprochen werden.

5. Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wurde vom Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom 18. Juni 2008 abgewiesen. Begründend wurde u.a. festgehalten, dass bei einer elektronischen Übermittlung des Bescheides, wenn weder das Kuvert mit Zustelldatum noch ein Vermerk der Kanzleikraft über die Zustellung beigelegt sei, die erste Prüfung des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin auf die Berechnung der Fristen hätte gerichtet werden müssen.

6. Die dagegen gerichtete Vorstellung der Beschwerdeführerin wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

In der Begründung wurde im Wesentlichen festgehalten, dass der Beschwerdeführerin der erstinstanzliche Baubewilligungsbescheid wirksam zugestellt worden und daraufhin mit der Kanzleileiterin ihres Rechtsvertreters die Zeit der Zustellung besprochen worden sei. Diese habe daraufhin die entsprechende Frist berechnet und - aus nicht mehr zu klärender Ursache - den entsprechenden falschen Fristvermerk verfasst. In diesem Zusammenhang sei an den Rechtsvertreter seitens der Beschwerdeführerin lediglich eine elektronische Übermittlung des besagten Bescheides, nicht jedoch eine solche der Kopie des dazugehörigen Kuverts (oder des Kuverts selbst) erfolgt. Dieser Fristvermerk sei vom Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin nicht mehr nachgeprüft worden, weil es sich auf den Eintrag seiner äußerst verlässlichen und erfahrenen Kanzleileiterin verlassen habe, keine Unklarheiten bzw. Unsicherheiten hinsichtlich des Fristvermerkes ersichtlich gewesen seien und sich auch kein Kuvert im Handakt befunden habe. Diese Tatsachen seien auf Grund der Ausführungen der Beschwerdeführerin auch der Berufungsbehörde klar gewesen, weshalb es keiner weiteren Ermittlungen bedurft habe. Der Berufungsbehörde sei dabei auch die Verkettung von Umständen, die zum Versäumen der Berufungsfrist geführt hätten, klar gewesen, was sich daraus ergebe, dass sie auf die erhöhte Überwachungspflicht des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin bei elektronisch übermittelten Bescheiden ohne weitere Vermerke im Handakt hingewiesen habe.

Die Beschwerdeführerin müsse sich das Verhalten ihres Rechtsvertreters zurechnen lassen. Für eine Wiedereinsetzung komme es darauf an, dass das zur Versäumung führende Ereignis (Versehen der Kanzleileiterin) für den Rechtsvertreter unvorhergesehen oder unabwendbar gewesen sei, wobei an die Sorgfaltspflichten rechtskundiger Parteienvertreter ein strengerer Maßstab angelegt werde als bei anderen Personen. Für die richtige Beachtung der Rechtsmittelfristen sei in einer Rechtsanwaltskanzlei stets der Rechtsanwalt verantwortlich, denn er selbst habe die Fristen zu setzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen. Dies auch dann, wenn eine Kanzleiangestellte überdurchschnittlich qualifiziert und deshalb mit der selbständigen Besorgung bestimmter Kanzleiarbeiten, so auch der Führung des Fristvormerks, betraut worden sei und es bisher nicht zu Beanstandungen gekommen sein sollte. Bei der richtigen Berechnung von Fristen und deren Vormerkungen sei insgesamt ein strenger Maßstab anzulegen, die Festsetzung der Fristen und die Anordnung deren Vormerkung habe stets durch den Rechtsanwalt selbst zu erfolgen, die richtige Eintragung im Kalender sei mit der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen. Eine bloß stichprobenartige Überprüfung der Eintragungen sei nicht ausreichend. Die Beschwerdeführerin mache in diesem Zusammenhang geltend, dass auf Grund der elektronischen Übermittlung des Bescheides und des Fehlens des Kuverts sowie entsprechender Anhaltspunkte dafür, dass der Fristvermerk fehlerhaft eingetragen worden sei, eine Überprüfung durch ihren Rechtsvertreter nicht mehr erfolgt sei. Dabei übersehe sie aber, dass ihr Rechtsvertreter selbst für die richtige Berechnung der Frist zu sorgen gehabt hätte und dies nicht der Kanzleileiterin (sei diese noch so verlässlich) hätte überlassen dürfen. Lediglich die Eintragung des bereits vom Vertreter selbst berechneten Vermerks hätte durch diese erfolgen dürfen, bei einem falschen Eintrag wäre dann die Überwachungspflicht des Rechtsanwaltes zu prüfen gewesen.

Im vorliegenden Fall sei die Berechnung der Frist offensichtlich durch die Kanzleileiterin auf Grund von Mitteilungen der Beschwerdeführerin in einem diesbezüglich geführten Telefongespräch erfolgt, die Setzung des falschen Fristvermerks sei aus Versehen vorgenommen worden. Eine spätere Kontrolle der Berechnung der Frist sei mangels entsprechender Unterlagen im Akt (Kuvert) nicht erfolgt. Dies werde von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten, daher sei davon auszugehen, dass ein entsprechendes Kontrollsystem, das bei elektronisch übermittelten Schriftstücken ohne weitere Hinweise auf das Datum der Zustellung eine entsprechende Nachprüfung durch den Rechtsanwalt selbst vorsehe, in der Kanzlei des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin nicht existiert habe. Selbst wenn der Fristvermerk durch die Kanzleileiterin selbständig gesetzt worden sei, liege es am Rechtsanwalt, vor der Bearbeitung die Einhaltung der Frist zu beachten, das Nichtvorliegen entsprechender Unterlagen hätte nicht zu einem Unterbleiben einer Kontrolle durch diesen, sondern im Gegenteil zu einer nachträglichen Vergewisserung über die Richtigkeit der Berechnung auf Grund seiner erhöhten Sorgfaltspflicht führen müssen. Selbst wenn der verlässlichen und erfahrenen Kanzleileiterin (wie im vorliegenden Fall) ein Versehen bei der Setzung des Fristvermerks unterlaufe, müsse dies der Rechtsanwalt bei der Abfassung des Rechtsmittels eben bei der gebotenen Sorgfalt bemerken, weshalb der Einwand, dass eine Überprüfung jeder einzelnen Eintragung im Fristenbuch auf ihre Richtigkeit nicht zumutbar sei, ins Leere gehe. Die Führung des Fristenkalenders unterliege der ständigen Überwachung durch den Rechtsvertreter selbst. Die telefonische Übermittlung des Datums der Zustellung eines Bescheides bedinge Maßnahmen zur Kontrolle des Zustelldatums, dies insbesondere deshalb, weil dabei Hörfehler oder andere Fehler und Missverstände nicht ausgeschlossen werden könnten. So hätte z.B. die Einholung einer Bestätigung des telefonisch durchgegebenen Zustelldatums per Fax oder E-Mail erfolgen müssen, weshalb der Einwand der Beschwerdeführerin, dass der Kanzleileiterin das Zustelldatum klargewesen sei und dem Rechtsvertreter selbst kein Anhaltspunkt dafür, dass Unklarheiten bezüglich des Zustelldatums gegeben seien, vorgelegen sei und deshalb keine nachprüfende Kontrolle erfolgt sei, fehl gehe. Die Berechnung der Frist sei durch die Kanzleileiterin auf Grund einer mündlichen Bekanntgabe des Zustelldatums erfolgt, der Eintrag der Frist sei selbständig durch sie vorgenommen worden, eine Kontrolle durch den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin sei weder hinsichtlich der Berechnung der Frist noch hinsichtlich des richtigen Eintrages erfolgt. Gerade die lediglich mündliche Bekanntgabe des Zustelldatums hätte eine überhöhte Überwachungspflicht des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin bedingt, ein entsprechendes Kontrollsystem (Bestätigung der mündlichen Erklärung oder Ähnliches) habe nicht existiert, weshalb ein minderer Grad des Versehens im vorliegenden Fall zu verneinen gewesen sei.

7. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

8. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

9. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9.1. Die im Beschwerdefall maßgebliche Bestimmung des § 71 AVG lautet auszugweise wie folgt:

"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

..."

9.2. In der Beschwerde wird geltend gemacht, dass die Versäumung der Berufungsfrist auf eine Kumulation unglücklicher Umstände zurückzuführen sei. Der Beschwerdeführerin gegenüber sei der Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde zunächst selbst zugestellt worden. Danach sei nach einem mit der Kanzleileiterin des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin geführten Telefonat der Bescheid mittels E-Mail übermittelt worden. Das Kuvert bzw. der Zustellnachweis seien von der Beschwerdeführerin nicht gesendet worden. Auf Grund der erteilten Informationen sei von der Kanzleileiterin die Rechtsmittelfrist vorgemerkt worden. Die Kanzleileiterin sei seit mehr als drei Jahrzehnten in der Kanzlei des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin tätig und daher als äußerst erfahren und verlässlich einzustufen. Ein ähnliches Versehen sei ihr in dieser jahrzehntelangen Tätigkeit bislang nicht unterlaufen, weshalb sich der Rechtsvertreter im konkreten Fall auf den gesetzten Fristvermerk seiner langjährigen Mitarbeiterin verlassen habe dürfen. Unabhängig davon würde die Tätigkeit der Kanzleikräfte, insbesondere die Vormerkung von Rechtsmittelfristen, überwacht und überprüft; dies insbesondere bei Erledigung des täglichen Posteinlaufs. Eine lückenlose Überwachung - insbesondere eine Kontrolle auf "Schritt und Tritt" - sei jedoch weder möglich noch zumutbar. Die Entgegennahme der Poststücke erfolge seitens der Angestellten des Rechtsvertreters, zumal dieser auf Grund von Gerichtsterminen regelmäßig bei der Postzustellung nicht in der Kanzlei anwesend sein könne. Bereits nach Entgegennahme der Poststücke würden diese einzeln den Akten zugeordnet und Fristen - soweit erforderlich - vorgemerkt. Gleichzeitig werde die Frist auch im Akt vermerkt. In weiterer Folge werde der Posteinlauf gemeinsam mit dem Kalender vom Rechtsvertreter selbst überprüft, dies insbesondere auf die gesetzten Fristvermerke. Damit sei im Regelfall eine lückenlose Überprüfung der Fristen gewährleistet. Da sich das Kuvert nicht im Handakt befunden habe, keinerlei Unklarheiten beim Fristvermerk offensichtlich gewesen seien und der Posteinlauf am 25. Februar 2008 mit dem gesetzten Fristvermerk am 10. März 2008 in Einklang gestanden sei, seien Gründe für eine weitere Überprüfung/Nachforschung nicht ersichtlich gewesen. Hinzu komme, dass sich die Kanzleileiterin zu diesem Zeitpunkt bereits im Urlaub befunden habe, weshalb auch eine Aufklärung des Versehens aus diesem Grunde unterblieben sei. Die Auffassung der belangten Behörde, dass jede Frist vom Vertreter selbst vorzumerken sei, sei weder zutreffend noch mit dem Arbeitsablauf vereinbar. Notwendigerweise könnten nicht sämtliche Arbeiten vom Vertreter selbst erbracht werden, sondern seien diese aufzuteilen. Insbesondere würden die Entgegennahme der Post und der Fristvermerk von dafür ausgebildeten Angestellten erledigt, wobei jedoch die Poststücke anschließend zum Posteinlauf gelangten. Der Fristablauf werde gleichzeitig im jeweiligen Akt vermerkt, weshalb der gesetzte Fristvermerk bereits mit der täglichen Post geprüft werden könne. Trotz dieser Kontrolle sei im vorliegenden Fall - auf Grund einer Verkettung unglücklicher Umstände - die unrichtig vorgemerkte Rechtsmittelfrist nicht aufgefallen. Ein solches Versehen könne gelegentlich auch einem äußerst sorgfältigen Menschen unterlaufen, weshalb von einem minderen Grad des Versehens auszugehen sei. Es sei (unter Hinweis auf Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs) als ausreichend anzusehen, dass geschulte und verlässliche Angestellte mit der laufenden Kontrolle der Eintragungen betraut würden bzw. dass selbst und regelmäßig in kurzen Intervallen geeignete Überprüfungen durchgeführt würden. Im Beschwerdefall sei die zumutbare und nach der Sache eine gebotene Überwachungspflicht nicht verletzt worden. Der Fristvermerk sei von der verlässlichsten Angestellten des Rechtsvertreters gesetzt worden, die diese Tätigkeit seit Jahrzehnten fehlerfrei ausübe und mit der Berechnung von Fristen und deren Vormerkungen bestens vertraut sei. Im Übrigen sei der Fristvermerk auch anhand des Posteinlaufs überwacht worden, wobei sich jedoch der vorliegende Bescheid erst am 25. Februar 2008 beim Posteinlauf befunden habe. Bei einer routinemäßigen Kontrolle des Kalenders habe daher auch der mit 10. März 2008 vermerkte Fristablauf nicht auffallen können. Der Verwaltungsgerichtshof habe auch ausgesprochen, dass eine Überprüfung jeder einzelnen Eintragung im Fristenbuch auf ihre Richtigkeit nicht zumutbar sei.

9.3. Vorweg ist festzuhalten, dass - insoweit stimmen die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens überein - die Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den in Rede stehenden Bescheid des Bürgermeisters als Baubehörde erster Instanz versäumt wurde, somit die wesentliche Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Wiedereinsetzungsantrages erfüllt ist (§ 71 Abs. 1 AVG).

9.4. Der Beschwerdeführerin ist zwar zuzustimmen, dass eine Kontrolle jeder erforderlichen Eintragung im Fristenbuch durch eine erfahrene und verlässliche Kanzleikraft seitens des Rechtsanwaltes, also eine Überwachung auf "Schritt und Tritt", nicht erforderlich sei. Allerdings fallen die Festsetzung der Frist und die Anordnung ihrer Vormerkung unbeschadet dessen allein in die Verantwortung des Rechtsanwalts. Ihm obliegt es daher auch, die richtige Eintragung der Frist im Fristvermerk (Terminkalender) durch die Kanzleileiterin zu überwachen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. April 2005, Zl. 2005/05/0100, sowie dazu ferner das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2009, Zl. 2008/05/0208).

Im vorliegenden Fall hat aber der Vertreter der Beschwerdeführerin (wie in seiner Rechtsanwaltskanzlei üblich) die Berechnung der Berufungsfrist ausschließlich der Kanzleiangestellten überlassen. Nach den insoweit nicht bestrittenen Feststellungen wurde nämlich erst nach Berechnung der Rechtsmittelfrist und Eintragung derselben in den Fristvormerk durch die Kanzleiangestellte der bezughabende Akt dem Rechtsanwalt vorgelegt.

Dem Rechtsvertreter hätte ferner bei Durchsicht des Posteinlaufes am 25. Februar 2008 - schon infolge des Fehlens des Kuverts - auffallen müssen, dass der in Rede stehende Baubewilligungsbescheid nicht ihm als Rechtsvertreter, sondern zuvor der beschwerdeführenden Partei zugestellt worden war. Er hat (wie sich auch aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt) die Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Bauverfahren nicht vertreten und in der (verspäteten) Berufung gegen den Baubewilligungsbescheid mitgeteilt, dass ihn die Beschwerdeführerin (nunmehr) mit ihrer Vertretung betraut habe ("Vollmachtsbekanntgabe").

Bei dieser Sachlage wäre der Beschwerdevertreter nach dem strengen Sorgfaltsmaßstab, der ihn als beruflich rechtskundigen Parteienvertreter im Verkehr mit Behörden und bei der Einhaltung von Terminen und Fristen trifft (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 95/05/0060, mwH), verpflichtet gewesen, zu kontrollieren, ob die Berufungsfrist auch tatsächlich richtig vorgemerkt worden war. Er hätte sich nicht darauf verlassen dürfen, dass die Berufungsfrist mit dem Datum seines Posteinlaufes (25. Februar 2008) begonnen hat, vielmehr hätte er der Frage, wann die Berufungsfrist tatsächlich zu laufen begonnen hat, selbst nachgehen müssen. Dieses Außerachtlassen der Sorgfalt kann angesichts des besagten strengen Maßstabes nicht als minderer Grad des Versehens eingestuft werden, zumal die Fristenberechnung und - kontrolle zu den haftungsträchtigsten Tätigkeiten eines Rechtsanwaltes (vgl. nochmals das Erkenntnis Zl. 95/05/0060) zählt. Nach der hg. Rechtsprechung ist der Fristenkontrolle bezüglich Rechtsmittel von Rechtsvertretern ein besonderes Augenmerk zu widmen. Dabei unterliegt auch das Zustelldatum einer besonderen Prüfungspflicht, zumal es einen wesentlichen Umstand für das Ende der Rechtsmittelfrist darstellt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1999, Zl. 99/03/0029).

9.5. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat abzuweisen.

9.6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 15. März 2011

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