VwGH 2008/03/0011

VwGH2008/03/001118.5.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des J M in W, vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 6. Dezember 2007, Zl E1/114.314/2007, betreffend Waffenverbot, zu Recht erkannt:

Normen

StGG Art6;
VwRallg;
WaffG 1996 §12 Abs1;
StGG Art6;
VwRallg;
WaffG 1996 §12 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs 1 Waffengesetz 1996, BGBl I Nr 12/1997 (WaffG), ein Waffenverbot verhängt.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen Folgendes aus:

Der Beschwerdeführer sei erstmals 1986 wegen des Vergehens des Besitzes von verbotenen Waffen (einer abgesägten Schrotflinte und eines Schlagstocks mit einer im Griffstück verborgenen Reizgasspraydose), im Jahr 1988 zudem wegen des Vergehens der Sachbeschädigung (Überfahren eines den Weg versperrenden Wegschrankens mittels eines vom Beschwerdeführer gelenkten Traktors) verurteilt worden. In der Folge sei der Beschwerdeführer wegen diverser Vermögensdelikte und schließlich am 14. Oktober 2004 wegen des Vergehens nach § 198 Abs 1 StGB sowie des Vergehens der vorsätzlichen Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (der Beschwerdeführer hatte im Jahr 2003 seine minderjährige Tochter durch Schlagen mit einem Holzstock verletzt) verurteilt worden.

Der Beschwerdeführer habe im erstinstanzlichen Verfahren ein mit 1. September 2005 datiertes psychologisches Gutachten vorgelegt, nach dem er nicht dazu neige, insbesondere unter psychischer Belastung mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden. In einem polizeiamtsärztlichen Gutachten vom 18. Oktober 2005 sei ausgeführt worden, dass aus medizinischer Sicht beim Beschwerdeführer die in § 8 Abs 1 WaffG geforderte Verlässlichkeit gegeben erscheine, zumal "ein ausreichendes Problem … gegenüber der eigenen Gewaltbereitschaft gerade noch ableitbar" sei.

Der Beschwerdeführer sei weiters mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3. Juli 2006 unter anderem wegen des Verbrechens der Schlepperei, des Vergehens des Eingehens und der Vermittlung von Aufenthaltsehen, des Vergehens der Urkundenfälschung sowie des Vergehens der Annahme und des Besitzes falscher besonders geschützter Urkunden nach § 224a StGB verurteilt worden. Ein gegen den Beschwerdeführer wegen des verbotenen Besitzes eines Schlagringes beim Landesgericht für Strafsachen Wien geführtes Verfahren nach § 50 WaffG sei gemäß § 34 StPO eingestellt worden. Im diesbezüglichen Verfahren habe sich der Beschwerdeführer der Aktenlage nach im Zuge des gerichtlichen Vorverfahrens geständig gezeigt, im Zeitraum von Dezember 2005 bis Jänner 2006 eine verbotene Waffe (einen Schlagring) bei sich getragen zu haben. Seiner Aussage nach habe er den Schlagring zum Zwecke der Verteidigung bei sich geführt, weil er auf Grund der "Visafälschungen" und fallweiser Verhaftung von "Visakäufern" durch türkische Staatsbürger bedroht worden sei. Während des Berufungsverfahrens, nämlich am 16. März 2007, sei gegen den Beschwerdeführer vom Polizeikommissariat M ein "Wegweisungs- und Betretungsverbot gemäß § 38a SPG" erlassen worden, weil er im Verdacht gestanden sei, im Zuge eines eskalierten Streites seiner Lebensgefährtin durch Versetzen mehrerer Schläge ein blaues Auge sowie ein Hämatom im Bereich des Halses und der Brust zugefügt zu haben. Das diesbezüglich beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien gegen den Beschwerdeführer nach § 83 StGB geführte Verfahren sei gemäß § 90 StPO eingestellt worden.

Von der Behörde sei einer Person der Besitz von Waffen und Munition zu verbieten, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass diese Person durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte. Zwar liege die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Erwerbs und des Besitzes zweier verbotener Waffen mittlerweile fast 21 Jahre zurück, er habe aber neuerlich einen Schlagring, also eine verbotene Waffe, besessen und, wie sich aus der zuletzt genannten Verurteilung ergebe, Kontakte zur organisierten Kriminalität unterhalten.

Nach weiteren Ausführungen zu den Voraussetzungen für die Verhängung eines Waffenverbots verwies die belangte Behörde darauf, dass der Beschwerdeführer Anfang 2003 seiner minderjährigen Tochter mit einem Holzstock eine Körperverletzung zugefügt habe. Der Beschwerdeführer verfüge über ein - aktuelles - Aggressionspotential, was sich zuletzt im Zuge der eskalierten Auseinandersetzung mit seiner Lebensgefährtin gezeigt habe; auf Grund seines Eingeständnisses hinsichtlich des Besitzes eines Schlagrings sei zudem davon auszugehen, dass er eine verbotene Waffe mitgeführt und sich damit abgefunden habe, Streitigkeiten und Bedrohungen durch den Einsatz einer verbotenen Waffe zu lösen.

Schon der der Verurteilung vom 14. Oktober 2004 zu Grunde liegende Sachverhalt (vorsätzliche Körperverletzung) reiche nach Ansicht der belangten Behörde bereits aus, ein Waffenverbot zu verhängen. Träten aber, wie im Beschwerdefall, zu diesem schwerwiegenden Vorfall mehrere weitere hinzu, so falle auch der Vorwurf des unerlaubten Besitzes einer verbotenen Waffe, der für sich alleine genommen die Verhängung eines Waffenverbots nicht gerechtfertigt hätte, bei der Beurteilung der Voraussetzungen für die Verhängung eines Waffenverbotes ins Gewicht. Auf Grund der Gesamtpersönlichkeit sowie des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers habe die Erstbehörde daher zutreffend die Gefährdungsprognose im Sinne des § 12 Abs 1 WaffG angenommen. Dem stehe das polizeiamtsärztliche Gutachten vom 18. Oktober 2005 nicht entgegen, weil die Frage, ob eine Gefahr im Sinne des § 12 Abs 1 WaffG bestehe, eine allein von der Behörde zu beurteilende Rechtsfrage sei und nicht Gegenstand der Begutachtung durch einen medizinischen Sachverständigen sein könne.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 12 Abs 1 WaffG hat die Behörde einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dient die Verhängung eines Waffenverbotes der Verhütung einer missbräuchlichen Verwendung (das ist eines "gesetz- oder zweckwidrigen Gebrauches") von Waffen. Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger ("missbräuchlicher") Gebrauch gemacht und dadurch eine Gefährdung im Sinne des § 12 Abs 1 WaffG herbeigeführt werden könnte. Hierbei ist nach dem dem Waffengesetz allgemein innewohnenden Schutzzweck bei der Beurteilung der auch mit dem Besitz von Schusswaffen verbundenen Gefahr ein strenger Maßstab anzulegen. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs 1 WaffG setzt voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen (nämlich durch gesetz- oder zweckwidrigen Gebrauch) zu befürchten ist. Liegt diese Voraussetzung vor, so hat die Behörde gemäß § 12 Abs 1 WaffG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen, ohne dass ein bisher untadeliges Vorleben dem entgegenstünde. Wesentlich ist, dass dem Betroffenen die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist. Der Begriff der "missbräuchlichen Verwendung" einer Waffe ist nicht restriktiv auszulegen (vgl zum Ganzen etwa das hg Erkenntnis vom 25. Februar 2009, Zl 2008/03/0064, mwN).

2. Die Beschwerde bestreitet die Feststellungen des angefochtenen Bescheides nicht; diese sind daher der rechtlichen Beurteilung zu Grunde zu legen. Davon ausgehend erweist sich das Beschwerdevorbringen als nicht zielführend.

2.1. Das Beschwerdevorbringen, der angefochtene Bescheid greife in das Eigentumsrecht des Beschwerdeführers sowie in sein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Gleichheit ein, verhindere nämlich seine Berufsausübung als Jäger bzw Jagdbegleiter, ist bereits deshalb nicht zielführend, weil damit die Verletzung von verfassungsmäßig gewährleisteten Rechten behauptet wird, worüber zu befinden der Verfassungsgerichtshof zuständig ist (vgl Art 144 B-VG; siehe dazu etwa das hg Erkenntnis vom 27. Jänner 2010, Zl 2007/03/0131). Dessen ungeachtet ist festzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung durch einen Bescheid verletzt wird (vgl etwa das Erkenntnis vom 6. März 2009, B 311/08, mwN), wenn dieser einem Staatsbürger die Ausübung einer bestimmten Erwerbsbetätigung untersagt, ohne dass ein Gesetz die Behörde zu einem solchen die Erwerbstätigkeit einschränkenden Bescheid ermächtigt, oder wenn die Rechtsvorschrift, auf die sich der Bescheid stützt, verfassungswidrig oder gesetzwidrig ist, oder wenn die Behörde bei der Erlassung des Bescheides ein verfassungsmäßiges Gesetz oder eine gesetzmäßige Verordnung in denkunmöglicher Weise angewendet hat. Eine gesetzliche Grundlage für die in Rede stehende Beschränkung liegt vor. Angesichts der von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen kann keine Rede davon sein, dass sie die der Verhängung des Waffenverbots zu Grunde gelegte Bestimmung des § 12 Abs 1 WaffG denkunmöglich angewendet hätte oder ohne gesetzliche Grundlage vorgegangen wäre.

2.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach betont, dass Androhung oder Anwendung von Gewalt auch dann, wenn dabei keine Waffe verwendet wird, eine Grundlage für die Verhängung eines Waffenverbots darstellen kann (vgl etwa die hg Erkenntnisse vom 28. März 2006, Zl 2005/03/0124 und Zl 2005/03/0251). In Anbetracht der mehrfachen Gewalttätigkeiten des Beschwerdeführers - entgegen den Beschwerdeannahmen war dabei nicht etwa allein auf die "zuletzt ergangene Verurteilung" abzustellen - kann nicht gesagt werden, dass die Schwere des Eingriffs gegenüber dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe unverhältnismäßig wäre.

Besteht aber eine Gefahr im Sinne des § 12 Abs 1 WaffG, liegt die Verhängung eines Waffenverbotes nicht etwa im Ermessen der Behörde; diese hat auch keine Abwägung mit beruflichen Interessen des von der Verhängung eines Waffenverbots Betroffenen vorzunehmen.

2.3. Nicht zielführend ist schließlich der Hinweis der Beschwerde auf das psychologische Gutachten vom 1. September 2005.

Dieses Gutachten lautet wie folgt:

"Betrifft: Überprüfung der Verlässlichkeit nach § 25, Abs. 2 WaffG 1996 (BGBl. I Nr. 12/1997) zur Vorlage bei der BPolDion Wien

Psychologisches Gutachten

Fragestellung: Neigt (der Beschwerdeführer) dazu, insbesondere unter psychischer Belastung, mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden? Die Befundaufnahme erfolgte am 1.9.2005 in meiner psychologischen Praxis statt. Details liegen im Akt auf. In der o.a. 1. WaffV vorgeschriebenen wissenschaftlichen Instrumenten kamen zur Anwendung:

1) MMPI-K, Deutsche Kurzform, Zweite korr. Auflage (entspricht § 3, Zi 2, 1. WaffV)

2) Stressverarbeitungsfragebogen S-V-F (entspricht § 3, Zi 2, 1. WaffV)

Ergänzend zur Untersuchung der Fragestellung:

3) Befragung

Ergebnis der Untersuchung und Beantwortung der Fragestellung (Der Beschwerdeführer) neigt nicht dazu, insbesondere unter

psychischer Belastung, mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden."

Dieses Gutachten hat somit nicht die Frage zum Gegenstand, welche Schlüsse aus medizinisch-psychologischer Sicht aus den der angefochtenen Entscheidung zu Grunde gelegten Vorfällen zu ziehen sind. Es lässt nicht einmal erkennen, dass zumindest jene Vorfälle, die sich vor der "Befragung" verwirklicht haben, in deren Zuge - sei es auch bloß in einer Darstellung aus der Sicht des Beschwerdeführers - überhaupt zur Sprache gekommen seien und steht den Schlüssen, die die belangte Behörde aus diesen Vorfällen gezogen hat, schon deshalb nicht entgegen.

3. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am 18. Mai 2011

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