VwGH 2007/18/0910

VwGH2007/18/091012.4.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des D A, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 31. Oktober 2007, Zl. E1/464548/2007, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §56 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §61 Z4;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §56 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §61 Z4;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z 1 iVm § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer halte sich seit etwa seinem vierten Lebensjahr im Bundesgebiet auf und verfüge über einen unbefristeten Aufenthaltstitel. Er habe in Österreich die Schulpflicht absolviert und eine Lehre als Maler und Anstreicher begonnen, die er jedoch nicht abgeschlossen habe. In den Jahren 1990 und 1991 habe er in seinem Heimatland den Militärdienst geleistet. Er sei geschieden und für drei Kinder sorgepflichtig. Diese und seine Eltern sowie zwei Brüder, die zum Teil bereits österreichische Staatsbürger seien, lebten im Bundesgebiet. Er sei vor seiner letzten strafrechtlichen Verurteilung (seit mehreren Jahren) ohne (legale) Beschäftigung gewesen und habe Sozialunterstützung in der Höhe von EUR 690,-- bezogen.

Am 25. Juni 2003 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen der Vergehen nach § 27 Abs. 1 und 2 Z 1 erster Fall Suchtmittelgesetz - SMG und § 15 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten rechtskräftig verurteilt worden, weil er in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider gewerbsmäßig am 15. Oktober 2002 rund 40 Gramm Marihuana und am 16. Februar 2002 rund 9 Gramm Marihuana anderen überlassen sowie weiters rund 32,5 Gramm Marihuana für den unmittelbar bevorstehenden Weiterverkauf an andere bereitgehalten und am 16. Oktober 2002 1,4 Gramm Kokain erworben und besessen habe.

Am 6. Juni 2006 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 vierter Fall, Abs. 3 erster Fall und Abs. 4 Z 3 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Jahren rechtskräftig verurteilt worden, weil er in Wien gewerbsmäßig Suchtgift, dessen Menge zumindest das 25-fache der Grenzmenge (§ 28 Abs. 6 SMG) ausgemacht habe, in Verkehr gesetzt habe. So habe er von ca. Mitte Dezember 2005 bis 2. März 2006 ca. 13 Kilogramm Marihuana (brutto) einem namentlich bekannten Abnehmer, von Anfang Februar 2006 bis 2. März 2006 ca. 4 Kilogramm Marihuana (brutto) einem anderen namentlich bekannten Abnehmer und am 2. März 2006 4500,8 Gramm Marihuana (brutto) einem namentlich bekannten Abnehmer verkauft.

Nach Darstellung des Berufungsvorbringens und der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde aus, dass auf Grund der Verurteilungen des Beschwerdeführers der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt sei und das diesen zugrunde liegende Verhalten die Annahme als gerechtfertigt erscheinen lasse, dass sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde sowie anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen, nämlich insbesondere dem Schutz der Volksgesundheit, der Verteidigung der Ordnung und der Verhinderung von strafbaren Handlungen, zuwiderlaufe.

In Anbetracht der über den Beschwerdeführer verhängten unbedingten Freiheitstrafe von vier Jahren komme den Tatbeständen des § 61 FPG keine Bedeutung zu.

Auf Grund seines langjährigen Aufenthalts in Österreich und des Umstandes, dass seine Eltern, seine Kinder (die allerdings bei ihrer Mutter lebten) und seine Geschwister im Bundesgebiet aufhältig seien, wobei diese Angehörigen zum Teil bereits österreichische Staatsbürger seien, sei zweifellos von einem beachtlichen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen. Dessen ungeachtet sei die Zulässigkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Grunde des § 66 FPG zu bejahen. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (hier:

zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Gesundheit) dringend geboten. Das Fehlverhalten des Beschwerdeführers, welches sich auf eine enorm große Menge Suchtgift bezogen habe, verdeutliche augenfällig seine Gefährlichkeit für die Gesundheit im Bundesgebiet aufhältiger Menschen und das Unvermögen oder den Unwillen, die Rechtsvorschriften des Gastlandes einzuhalten. Die Suchtgiftdelikten immanente große Wiederholungsgefahr habe er durch seine Tatwiederholung augenfällig unter Beweis gestellt.

Eine positive Verhaltensprognose sei für den Beschwerdeführer - auch bezogen auf den Zeitpunkt seiner künftigen Haftentlassung - im Hinblick auf die Gewerbsmäßigkeit, die große Menge des verhandelten Suchtgifts, die Tatwiederholung und den damit verbundenen überaus erheblichen Unrechtsgehalt nicht möglich.

Bei der Interessenabwägung nach § 66 Abs. 2 FPG sei zu berücksichtigen, dass einer allfälligen, aus dem bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die für jegliche Integration erforderliche soziale Komponente durch sein strafbares Verhalten erheblich beeinträchtigt werde. Von daher hätten seine privaten Interessen gegenüber den genannten - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten.

Eine Ermessensübung sei wegen der Verurteilung im Sinn des § 55 Abs. 3 Z 1 bzw. § 56 Abs. 2 Z 1 FPG nicht in Betracht gekommen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens mit dem Antrag vor, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, und erklärte, von der Erstattung einer förmlichen Gegenschrift Abstand zu nehmen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. In Anbetracht der insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde zu den Verurteilungen des Beschwerdeführers begegnet die - unbekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

1.2. Diesen beiden (einschlägigen) Verurteilungen liegen die oben (I.1.) näher dargestellten Straftaten des Beschwerdeführers zugrunde. Schon im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität und die dieser innewohnende Wiederholungsgefahr (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 9. November 2009, Zl. 2007/18/0537, mwN), die sich gerade im vorliegenden Fall gezeigt hat, begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde und die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand. Hiebei wären auch die auf den Beschwerdeführer allenfalls anzuwendenden - gegenüber § 60 Abs. 1 FPG strengeren (vgl. dazu nochmals das vorzitierte Erkenntnis) - Voraussetzungen des Gefährdungsmaßstabes nach § 56 Abs. 1 leg. cit. erfüllt.

2.1. Die Beschwerde bekämpft das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 Abs. 1 und 2 FPG vorgenommenen Interessenabwägung und bringt dazu vor, es sei nicht entsprechend berücksichtigt worden, dass sich der Beschwerdeführer seit 1976 durchgehend im Bundesgebiet aufgehalten habe und als kleines Kind im Alter von drei Jahren nach Österreich gekommen sei. Er verfüge über einen unbefristeten Aufenthaltstitel. Seine gesamte Familie halte sich im Bundesgebiet auf, und seine Kinder verfügten mittlerweile über die österreichische Staatsbürgerschaft. In seinem Heimatland habe er keine Bindungen und keine Verwandten mehr.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes unter dem Gesichtspunkt des § 66 FPG hat die belangte Behörde die langjährige Dauer des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers sowie die familiären Bindungen zu seinen Eltern, seinen Kindern (die bei ihrer Mutter leben) und seinen Geschwistern sowie den Umstand, dass ein Teil dieser Angehörigen bereits österreichische Staatsbürger sind, berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen. Wie die belangte Behörde weiters zutreffend ausgeführt hat, wird die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers ableitbare Integration in ihrem Gewicht jedoch durch das gravierende, einschlägige Fehlverhalten des Beschwerdeführers erheblich gemindert. Darüber hinaus ist ihm eine dauerhafte berufliche Integration nicht gelungen.

Den insgesamt dennoch gewichtigen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht die aus seinen einschlägigen Straftaten, insbesondere dem von ihm begangenen Verbrechen nach dem SMG, resultierende massive Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Im Hinblick auf das überaus große öffentliche Interesse an der Verhinderung derartiger Straftaten begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass das gegen den Beschwerdeführer verhängte Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten sei und die persönlichen Interessen die gegenläufigen öffentlichen Interessen nicht überwögen, sodass die Erlassung dieser Maßnahme gemäß § 66 Abs. 1 und 2 FPG zulässig sei, auch dann keinen Bedenken, wenn man dieser Beurteilung das weitere Beschwerdevorbringen zugrunde legte, dass er in seinem Heimatland über keine Bindungen mehr verfüge.

3. Schon im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu einer unbedingten vierjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, steht auch § 61 Z 4 FPG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen.

4. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 12. April 2011

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