VwGH 2010/12/0089

VwGH2010/12/008915.12.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khorramdel, über die Beschwerde des R G in S, gegen den Bescheid des Vorsitzenden des Bundesvergabeamtes vom 24. März 2010, Zlen. BMWFJ-57.260/0003- BVA/L/2010, BMWFJ-57.260/0033-BVA/L/2009, betreffend Aussetzung eines Verfahrens nach § 38 AVG, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §38;
BDG 1979 §36a;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §56;
VwGG §58 Abs2;
AVG §38;
BDG 1979 §36a;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §56;
VwGG §58 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird für gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Ein Aufwandersatz findet nicht statt.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Beamter in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und beim Bundesvergabeamt in Verwendung.

In seiner an den Vorsitzenden des Bundesvergabeamtes gerichteten Eingabe vom 28. September 2009 brachte er u.a. vor, dass eine ihm gegenüber ergangene Anordnung von Telearbeit im Sinne des § 36a BDG 1979 mit Ablauf des 31. August 2009 enden und ihm damit ab 1. September d.J. seines Erachtens rechtswidrig die "Teleworkingmöglichkeit" vorenthalten werde.

Er stellte abschließend die Anträge

"1. auf umfassende Akteneinsicht in alle den Beschwerdeführer und weiters die fragliche Teleworkingentscheidung ab 1.9.2009 im Bundesvergabeamt betreffenden Aktenbestandteile nach vorangehender Bekanntgabe von entsprechenden Terminmöglichkeiten mit mindestens einwöchiger Vorlaufzeit zur Akteneinsicht;

samt Möglichkeit zum Kopieren;

2. auf Zustellung des die Auswahl treffenden Bescheids über die Teleworkinganordnung im Bundesvergabeamt ab 1.9.2009;

2a. auf bescheidmäßige Absprache über die (Nicht-) Einräumung der Telearbeitsmöglichkeit für den Beschwerdeführers ab 1.9.2009;

3. auf unverzügliche Anordnung eines Telearbeitsplatzes mit Zustimmung des Beschwerdeführer unter Zurverfügungstellung der notwendigen Sachmittelausstattung;

4. auf Feststellung,

dass die Nichtgewährung einer Telearbeitsmöglichkeit an den Beschwerdeführer ab 1.9.2009 und das vorangehende Verfahren rechtswidrig waren;

eventualiter: dass die Nichtgewährung einer Telearbeitsmöglichkeit an den Beschwerdeführer ab 1.9.2009 rechtswidrig war;

eventualiter: dass die Nichtgewährung einer Teleworkingmöglichkeit an den Beschwerdeführer ab 1.9.2009 rechtswidrig war und ist;

eventualiter: dass die Nichtgewährung einer Telearbeitsmöglichkeit an den Beschwerdeführer ab 1.9.2009 rechtswidrig ist;

5. auf Feststellung, ob das e-mail des Herrn U. vom 1.9.2009 an den Beschwerdeführer eine Weisung war;

und bejahenden Falls, ob die Weisung zur Rückgabe des Diensthandys ab 1.9.2009 zu den Dienstpflichten des Beschwerdeführers gehört hat;

6. auf schriftliche Bescheidzustellung hinsichtlich der gerade gestellten Begehren zu 1. bis 5.; im Falle des Akteneinsichtbegehrens jedenfalls mangels Gewährung der gewünschten Akteneinsicht."

In einer weiteren Eingabe vom selben Tag erhob er gleichlautende Anträge an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend. Dieser wies mit seinem Bescheid vom 6. November 2009 u.a. diese gleichlautenden Anträge, aber auch weitere Anträge vom 1., 13. und 20. Oktober 2009 gemäß §§ 36a BDG 1979 iVm 298 BVergG 2006, 56 AVG und 3 DVG zurück, wogegen der - anwaltlich vertretene - Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhob. In der Begründung dieses Bescheides wurde u.a. auch die Zuständigkeitsfrage behandelt. Der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend kam dabei zum Ergebnis, dass er als Dienstbehörde nach § 298 Satz 2 des Bundesvergabegesetzes 2006 für die Anordnung der Telearbeit nach § 36a BDG 1979 und damit auch zur bescheidförmigen Erledigung der vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang gestellten Anträge zuständig sei.

Mit dem vorliegend angefochtenen Bescheid vom 24. März 2010 sprach die hier belangte Behörde wie folgt ab:

"Im Verfahren über die diversen Anträge des Beschwerdeführers an den Vorsitzenden des Bundesvergabeamtes betreffend befristete Teleworkinganordnung ergeht folgender BESCHEID

Spruch

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Rechtsgrundlagen: § 302 BVergG 2006 iVm § 38 AVG 1991"

Begründend führte die belangte Behörde hiezu Folgendes aus:

"Mit wortidenten Eingaben, jeweils vom 28. September 2009, an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend sowie an den Vorsitzenden des Bundesvergabeamtes begehrte der Beschwerdeführer diverse Entscheidungen betreffend Teleworkinganordnung. Gegen den vom Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend dazu mittlerweile ergangenen Bescheid wurde vom Einschreiter Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Dennoch besteht der Einschreiter ausdrücklich auf die Erlassung eines Bescheides hinsichtlich der (auch an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend gerichteten und von diesem bereits entschiedenen) wortidenten Eingabe durch den Vorsitzenden des Bundesvergabeamtes.

Gemäß § 38 AVG ist die Behörde, so ferne die Gesetze nicht anderes bestimmen, berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Da durch die derzeit anhängige Beschwerde des Beschwerdeführers an den Verfassungsgerichtshof hinsichtlich des Bescheides des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend auch vorfragenrelevante Klarstellungen betreffend die Kompetenz zur bescheidmäßigen Erledigung der Eingaben des Beschwerdeführers erwartet werden können wird das Verfahren zu den gleichlautenden Anträgen an den Vorsitzenden des Bundesvergabeamtes aus Gründen der Zweckmäßigkeit ausgesetzt."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung dieses Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, eventualiter wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, subsidiär eventualiter infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde begehrt wird. Der Verwaltungsgerichtshof leitete hierauf mit Verfügung vom 10. Mai 2010 das Vorverfahren über diese Beschwerde ein, worauf die belangte Behörde unter Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens eine Gegenschrift erstattete, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet unter Zuerkennung von Aufwandersatz beantragte.

Mit Beschluss vom 8. Oktober 2010, B 1546/09, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde gegen den eingangs genannten Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom 6. November 2009 ab und trat über nachträglichen Antrag des Beschwerdeführers diese Beschwerde mit einem weiteren Beschluss vom 28. Oktober 2010 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Mit (auch der belangten Behörde zur Kenntnis übermittelten) Verfügung vom 3. November 2010 ersuchte der Verwaltungsgerichtshof den Beschwerdeführer um Stellungnahme, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein Rechtsschutzinteresse fortwähre, wenn sich der angefochtene Bescheid vom 24. März 2010 auf das nunmehr mit Beschluss vom 8. Oktober 2010, B 1546/09, beendete Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bezogen habe.

Die belangte Behörde brachte hierauf mit Note vom 15. November 2010 vor, dass aus ihrer Sicht keinerlei Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers im gegenständlichen Beschwerdeverfahren vorliege. Da die Beschwerde unbegründet gewesen sei und der belangten Behörde durch die Beschwerde Aufwand verursacht worden sei, würden die bisherigen Anträge vollinhaltlich aufrecht erhalten.

Der Beschwerdeführer brachte seinerseits in seiner Eingabe vom 21. November 2010 vor, die belangte Behörde habe sich offenbar gezwungen gesehen, beim Beschwerdeführer am 29. Oktober 2010 anzufragen, ob sie weiterhin über die an sie gestellten Anträge absprechen müsse. Diese Anfrage widerspreche wohl der Position, dass der Aussetzungsbescheid hinreichend bestimmt gewesen sei, denn bei ausreichender Bestimmtheit hätte diese Anfrage überhaupt nicht gemacht werden müssen. Der Beschwerdeführer habe der belangten Behörde gegenüber am selben Tag erklärt, dass sämtliche Anträge aufrecht blieben. Diese habe dem Beschwerdeführer bis zur Überreichung dieses Schriftsatzes keine bescheidmäßigen Erledigungen der an sie gestellten Anträge zugestellt, obwohl sie nunmehr bereits auch gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof die Auffassung der "Ministerzuständigkeit" vertrete. Insoweit gestehe der Beschwerdeführer im Punkte des Rechtsschutzinteresses zu, dass seit der Anfrage der belangten Behörde vom 29. Oktober 2010 seine Situation diejenige sei, dass nunmehr aus verfahrensmäßiger Vorsicht jedenfalls jetzt "Säumnisrechtsmittel/-rechtsbehelfe" zu verfassen sein könnten, zumal die belangte Behörde ihm gegenüber am 29. Oktober 2010 gelegentlich der Aushändigung seiner Anfrage sinngemäß geäußert habe, dass sie nunmehr gehalten wäre, die Anträge zu erledigen; dass aber der Beschwerdeführer bislang keine bekämpfbaren Erledigungen der belangten Behörde erhalten habe, obwohl diese wie gesagt aktuell die Auffassung der "Ministerzuständigkeit" transportiere und damit überhaupt nicht mehr gehindert sei, diese Auffassung ihren Erledigungen zu Grunde zu legen.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde "im Verfahren über die diversen Anträge" dahingehend abgesprochen, dass "das Verfahren ... ausgesetzt" werde. Damit war dem Spruch des Bescheides nicht zu entnehmen, welches konkrete Verfahren wie lange, d.h. bis zu welcher Entscheidung durch eine andere Behörde oder ein Gericht gemäß § 38 AVG ausgesetzt werde, womit allein anhand des Spruches die normative Reichweite des angefochtenen Bescheides noch nicht eindeutig war.

Spruch und Begründung eines Bescheides bilden eine Einheit, sodass für die Ermittlung des Sinns eines Bescheides auch die Begründung heranzuziehen ist, insbesondere dann, wenn wegen der Unklarheit des Spruches an seinem Inhalt Zweifel bestehen. Die Begründung eines Bescheides kann daher als Auslegungsbehelf herangezogen werden, wenn der Spruch eines rechtskräftigen Bescheides für sich allein betrachtet Zweifel an seinem Inhalt offen lässt (vgl. etwa die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze Band I2, unter E 47 f zu § 59 AVG wiedergegebene Rechtsprechung).

In Anwendung dessen erlangte der Spruch des angefochtenen Bescheides insofern Klarheit, als die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf "wortidente Eingaben" vom 28. September 2009 an sie sowie an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend und weiters darauf verwies, dass der Beschwerdeführer gegen den vom Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend dazu mittlerweile ergangenen Bescheid Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben habe. "Da durch die derzeit anhängige Beschwerde des (Beschwerdeführers) an den Verfassungsgerichtshof hinsichtlich des Bescheides des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend" nach Ansicht der belangten Behörde Klarstellungen hinsichtlich der Zuständigkeit zur bescheidmäßigen Erledigung der Eingaben erwartet werden könnten, werde das Verfahren "zu den gleichlautenden Anträgen" an die belangte Behörde aus Gründen der Zweckmäßigkeit ausgesetzt. Unter Einbeziehung der Begründung des angefochtenen Bescheides erfährt der Spruch daher dahingehend eine Klärung, dass das Verfahren vor der belangten Behörde über die in der Eingabe vom 28. September 2009 an diese gerichteten Anträge bis zur Beendigung des Verfahrens über die Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof gegen den eingangs genannten Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom 6. November 2009 ausgesetzt werden sollte.

Ein Aussetzungsbescheid verliert seine Rechtswirksamkeit jedenfalls mit dem Eintritt des Zeitpunktes, bis zu welchem die Aussetzung verfügt worden ist (vgl. etwa die in Hengstschläger/Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Teilband (2005), unter Rz. 48 zu § 38 AVG wiedergegebene Rechtsprechung).

Das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof fand, wie eingangs dargelegt, mittlerweile durch Ablehnung der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde mit dem eingangs genannten Beschluss vom 8. Oktober 2010 ein Ende.

Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde.

Bei einer Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist unter einer "Klaglosstellung" nach § 33 Abs. 1 und § 56 erster Satz VwGG nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides - im Besonderen durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof - eingetreten ist (vgl. etwa den hg. Beschluss eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, Slg. 10.092/A).

§ 33 Abs. 1 VwGG ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt; ein Einstellungsfall liegt, wie in dem zitierten Beschluss vom 9. April 1980 dargelegt wurde, etwa auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat (vgl. dazu etwa den hg. Beschluss vom 13. März 2009, Zl. 2008/12/0053, mwN).

Mit der Ablehnung der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom 6. November 2009 gerichteten Beschwerde kommt dem hier angefochtenen Bescheid jedenfalls keine Rechtswirkung mehr zu. Einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über den hier angefochtenen Bescheid käme daher nur mehr theoretische Bedeutung zu, weshalb ein weiteres Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht mehr gegeben und die vorliegende Beschwerde in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen ist (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 26. Juni 2002, Zlen. 99/12/0283, 0328).

Mangels einer formellen Klaglosstellung kommt in einem solchen Fall die Bestimmung des § 56 VwGG nicht zur Anwendung. Ein Zuspruch von Kosten könnte nur auf § 58 Abs. 2 VwGG gestützt werden. Diese Bestimmung setzt voraus, dass bereits ohne unverhältnismäßigen Aufwand an Prüfungstätigkeit des Verwaltungsgerichtshofes der fiktive Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - wäre der Fall der Gegenstandslosigkeit nicht eingetreten - eindeutig ist, also entweder der angefochtene Bescheid offenkundig als rechtswidrig zu erkennen oder die Beschwerde offenkundig unbegründet ist.

Da ein Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht offenkundig in die eine oder andere Richtung zu erkennen ist, war im Sinn des § 58 Abs. 2 letzter Halbsatz VwGG von einem Zuspruch von Aufwandersatz abzusehen.

Wien, am 15. Dezember 2010

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