VwGH 2010/03/0066

VwGH2010/03/006625.8.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der F M in L, vertreten durch Dr. Clemens Pichler, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Marktstraße 33, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 27. April 2010, Zl UVS-1-499/E8-2009, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:

Normen

31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art3 Abs1 idF 32002R0484;
31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art6 Abs4 idF 32002R0484;
31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art6 Abs4;
32002R0484 Nov-31992R0881/31993R3118 Erwägungsgrund2;
EURallg;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8;
GütbefG 1995 §23 Abs1;
GütbefG 1995 §23 Abs4;
VStG §19 Abs2;
VStG §20;
VStG §21 Abs1;
VStG §5 Abs1;
VwGG §35 Abs1;
31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art3 Abs1 idF 32002R0484;
31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art6 Abs4 idF 32002R0484;
31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art6 Abs4;
32002R0484 Nov-31992R0881/31993R3118 Erwägungsgrund2;
EURallg;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8;
GütbefG 1995 §23 Abs1;
GütbefG 1995 §23 Abs4;
VStG §19 Abs2;
VStG §20;
VStG §21 Abs1;
VStG §5 Abs1;
VwGG §35 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin als "Inhaberin" der Firma F & R M Transporte zur Last gelegt, sie habe nicht dafür Sorge getragen, dass anlässlich einer - näher umschriebenen - gemeinschaftslizenzpflichtigen gewerbsmäßigen Beförderung von Gütern von einem Ort außerhalb des Bundesgebietes (Deutschland) durch Österreich in Richtung Schweiz die für den eingesetzten Fahrer YK, welcher als kasachischer Staatsbürger Staatsangehöriger eines Drittstaates gewesen sei, erforderliche Fahrerbescheinigung gemäß Art 6 Abs 4 der Verordnung (EWG) Nr 881/92 mitgeführt worden sei.

Die Beschwerdeführerin habe dadurch § 23 Abs 1 Z 8 Güterbeförderungsgesetz (GütbefG) iVm Art 6 Abs 4 der Verordnung (EWG) Nr 881/92 idF der Verordnung (EG) Nr 484/2002 verletzt und es wurde über sie gemäß § 23 Abs 1 und 4 GütbefG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.453,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 68 Stunden) verhängt.

Begründend führte die belangte Behörde ua aus, die Beschwerdeführerin habe in ihrer Berufung geltend gemacht, dass die Übertretung nicht auf österreichischem Staatsgebiet begangen worden sei. Es sei daher weder österreichisches Recht anwendbar noch sei die Zuständigkeit einer österreichischen Behörde gegeben. Dem hielt die belangte Behörde entgegen, dass die gegenständliche Fahrzeugkontrolle in Hohenems bei der Grenzkontrollstelle Hohenems auf der L 46, km 1,750, stattgefunden habe und diese Grenzkontrollstelle auf österreichischem Staatsgebiet liege.

Zum Ansinnen der Beschwerdeführerin, wegen ihres geringfügigen Verschuldens gemäß § 21 Abs 1 VStG von der Verhängung einer Strafe abzusehen und lediglich eine Ermahnung auszusprechen, führte die belangte Behörde aus, es könne nicht erkannt werden, dass das tatbildmäßige Verhalten der Beschwerdeführerin hinter dem in der gegenständlichen Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückgeblieben wäre. Dass niemand zu Schaden gekommen sei, sei unbeachtlich, weil es sich bei der der Beschwerdeführerin zu Last gelegten Übertretung um ein Ungehorsamsdelikt handle, zu dessen Tatbild es nicht gehöre, dass ein Schaden eintrete.

Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Darüber hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

1. Im Beschwerdefall ist die Verordnung (EG) Nr 1072/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs noch nicht anzuwenden.

Die hier noch maßgebliche Verordnung (EWG) Nr 881/92 des Rates vom 26. März 1992 über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt in der Gemeinschaft für Beförderungen aus oder nach einem Mitgliedstaat oder durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten, ABl Nr L 095 vom 9. April 1992, idF der Verordnung (EG) Nr 484/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 1. März 2002 zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr 881/92 und (EG) Nr 3118/93 des Rates hinsichtlich der Einführung einer Fahrerbescheinigung, ABl L Nr 076 vom 19. März 2002, (im Folgenden: VO) enthält folgende - für die Entscheidung des gegenständlichen Rechtsstreits relevante - Bestimmungen:

"Artikel 3

(1) Der grenzüberschreitende Verkehr unterliegt einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung - sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates ist - mit einer Fahrerbescheinigung. ...

Artikel 4

...

(2) Die Fahrerbescheinigung gemäß Artikel 3 bestätigt, dass im Rahmen einer Beförderung auf der Straße, für die eine Gemeinschaftslizenz besteht, der diese Beförderung durchführende Fahrer, der Staatsangehöriger eines Drittstaates ist, in dem Mitgliedstaat, in dem der Verkehrsunternehmer ansässig ist, gemäß den Rechts- und Verwaltungsvorschriften und gegebenenfalls, je nach den Vorschrift dieses Mitgliedstaats, gemäß den Tarifverträgen über die Bedingungen für die Beschäftigung und Berufsausbildung von Fahrern beschäftigt ist, um dort Beförderungen auf der Straße vorzunehmen.

...

Artikel 6

(1) Die Fahrerbescheinigung gemäß Artikel 3 wird von den zuständigen Behörden des Niederlassungsmitgliedstaats des Verkehrsunternehmens ausgestellt.

(2) Die Fahrerbescheinigung wird von dem Mitgliedstaat auf Antrag des Inhabers der Gemeinschaftslizenz für jeden Fahrer ausgestellt, der Staatsangehöriger eines Drittstaats ist und den er rechtmäßig beschäftigt bzw. der ihm gemäß den Rechts- und Verwaltungsvorschriften und gegebenenfalls, je nach den Vorschriften dieses Mitgliedstaats, gemäß den Tarifverträgen über die in diesem Mitgliedstaat geltenden Bedingungen für die Beschäftigung und Berufsausbildung von Fahrern rechtmäßig zur Verfügung gestellt wird. Mit der Fahrerbescheinigung wird bestätigt, dass der darin genannte Fahrer unter den in Artikel 4 festgelegten Bedingungen beschäftigt ist.

...

(4) Die Fahrerbescheinigung ist Eigentum des Verkehrsunternehmers, der sie dem darin genannten Fahrer zur Verfügung stellt, wenn dieser Fahrer ein Fahrzeug im Verkehr mit einer dem Verkehrsunternehmer erteilten Gemeinschaftslizenz führt. Eine beglaubigte Abschrift der Fahrerbescheinigung ist in den Geschäftsräumen des Verkehrsunternehmers aufzubewahren. Die Fahrerbescheinigung ist den Kontrollberechtigten auf Verlangen vorzuzeigen."

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmung des Güterbeförderungsgesetz 1995, BGBl Nr. 593/1995 idF BGBl I Nr. 153/2006 (GütbefG) lautet (auszugsweise):

"§ 23. (1) Abgesehen von gemäß dem V. Hauptstück der Gewerbeordnung 1994 zu ahndenden Verwaltungsübertretungen begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 7 267 Euro zu ahnden ist, wer als Unternehmer

...

8. nicht dafür sorgt, dass die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 erforderlichen Gemeinschaftslizenzen oder Fahrerbescheinigungen mitgeführt werden.

(3) Strafbar nach Abs. 1 Z 3, Z 6, Z 8 oder Z 11 ist ein Unternehmer auch dann, wenn er die in §§ 7 bis 9 genannten Verpflichtungen oder die in der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 normierten Gebote und Verbote im Ausland verletzt. Örtlich zuständig ist diesfalls jene Behörde, in deren Sprengel der Lenker im Zuge einer Straßenkontrolle betreten wird, sonst jene Behörde, in deren Sprengel der Grenzübertritt in das Bundesgebiet erfolgte.

(4) ... Bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs. 1 ...

Z 8 ... hat die Geldstrafe mindestens 1 453 Euro zu betragen. ..."

2. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, nicht nach den Bestimmungen der § 23 Abs 1 Z 8 GütbefG iVm Art 6 Abs 4 der VO bestraft zu werden, wenn das entsprechende Tatbild nicht erfüllt sei. Gleichzeitig stellt sie aber nicht in Abrede, dass anlässlich der gegenständlichen grenzüberschreitenden Güterbeförderung für den aus einem Drittstaat stammenden Fahrer keine Fahrerbescheinigung mitgeführt wurde; sie als Unternehmerin dafür also auch nicht gesorgt hatte.

Die Beschwerdeführerin macht lediglich geltend, dass die polizeiliche Kontrolle "an der Grenzkontrollstation Hohenems" stattgefunden habe, die "bei richtiger Auslegung des telos der gegenständlichen Bestimmung nicht als österreichisches Staatsgebiet (zumindest im Sinne dieser Bestimmung) gewertet werden" könne, sodass von keiner Zuständigkeit der österreichischen Behörden auszugehen sei.

Dem ist zu erwidern, dass der (in Deutschland ansässigen) Beschwerdeführerin mit dem in Rede stehenden Unterlassungsdelikt ein Verhalten vorgeworfen wird, für das sie nach § 23 Abs 3 GütbefG auch dann strafbar ist, wenn sie die in der VO normierten Gebote und Verbote im Ausland verletzt. Örtlich zuständig ist in diesem Fall jene (österreichische) Behörde, in deren Sprengel der Lenker im Zuge einer Straßenkontrolle betreten wird, sonst jene Behörde, in deren Sprengel der Grenzübertritt in das Bundesgebiet erfolgte. Ausgehend davon, dass die Betretung des Lenkers bzw der Grenzübertritt im Sprengel der erstinstanzlichen Behörde erfolgte, ist der Einwand der Unzuständigkeit somit nicht zielführend.

3. Statt der verhängten (Mindest-)Strafe strebt die Beschwerdeführerin - wie schon in der Berufung - eine Ermahnung nach § 21 Abs 1 VStG an, weil ihr Verschulden "so geringfügig und die Folgen der Tat so unbedeutend" gewesen seien, dass selbst die Verhängung der Mindeststrafe dem Unrechtsgehalt der Tat nicht gerecht werde.

Gemäß § 21 Abs 1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten. Nach der ständigen hg Rechtsprechung ist das Verschulden geringfügig, wenn - unabhängig von der Schuldform (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) - das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 20. März 2002, Zl 2000/03/0139). Dass diese Voraussetzung im Beschwerdefall gegeben wäre, wird von der Beschwerde nicht dargelegt und lässt sich auch nicht ohne Weiteres erkennen. Im Übrigen handelt es sich bei der in Rede stehenden Übertretung um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG, bei dem der Nichteintritt eines Schadens schon nach dem Zweck der Strafdrohung (§ 19 Abs 2 VStG) nicht als Milderungsgrund in Betracht kommt (vgl die hg Erkenntnisse vom 23. April 2008, Zl 2008/03/0012, und vom 21. April 2010, Zl 2007/03/0136). Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, dass die belangte Behörde § 21 Abs 1 VStG nicht angewendet hat.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 25. August 2010

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