VwGH 2000/03/0139

VwGH2000/03/013920.3.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des H B in V, vertreten durch Dr. Michael Ruhdorfer, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Paulitschgasse 17/II, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 22. März 2000, Zl. KUVS-K1- 54/3/00, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995, zu Recht erkannt:

Normen

31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art3 Abs1;
31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art5 Abs4;
EURallg;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8 idF 1998/I/017;
VStG §20;
VStG §21;
31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art3 Abs1;
31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art5 Abs4;
EURallg;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8 idF 1998/I/017;
VStG §20;
VStG §21;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird hinsichtlich des Schuldspruches als unbegründet abgewiesen. Im Übrigen, also hinsichtlich des Ausspruches über die verhängte Strafe und der diesbezüglichen Kosten des Berufungsverfahrens, wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe am 3. Februar 1999 gegen 14.00 Uhr mit einem (nach den Kennzeichen jeweils bestimmten) Sattelfahrzeug samt Sattelanhänger im Auftrag eines näher genannten Unternehmens in Villach auf der Bundesstraße 100, Parkplatz Berg, Richtung Spittal/Drau fahrend, eine gewerbliche Beförderung von Gütern von Italien/Sterzing nach Villach durchgeführt, ohne eine für diese Transitfahrt erforderliche Gemeinschaftslizenz mitzuführen, nachdem er diese auf Verlangen des Kontrollorganes nicht habe vorweisen können, obwohl der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz unterliege, eine beglaubigte Abschrift der Gemeinschaftslizenz im gewerblichen Güterverkehr auf den im Gebiet der Gemeinschaft zurückgelegten Wegstrecken im Fahrzeug mitgeführt werden müsse und dem Kontrollberechtigten auf Verlangen vorzuzeigen sei. Dadurch habe er eine Verwaltungsübertretung gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 iVm Art. 3 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 begangen. Gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 und § 23 Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 sei über ihn hiefür eine Geldstrafe von S 20.000,-- (3 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt worden. Weiters wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG aufgetragen, als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens weitere 20 % der über ihn verhängten und bestätigten Geldstrafe, sohin S 4.000,-- (EUR 290,69) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution dem Land Kärnten zu leisten.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, es sei unstrittig, dass der Beschwerdeführer zum angeführten Zeitpunkt den näher umschriebenen grenzüberschreitenden Güterverkehr als Lenker des besagten Sattelkraftfahrzeuges durchgeführt habe. Es sei weiters unstrittig, dass er auf dieser Fahrt eine beglaubigte Abschrift der Gemeinschaftslizenz nicht mitgeführt habe und demnach auf Verlangen nicht habe vorweisen können. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers komme als Adressat des Art. 5 Abs. 4 dritter Satz der in Rede stehenden Verordnung nur der Lenker in Frage, was sich eindeutig aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergebe. Bei dem gegenständlichen Delikt handle es sich um ein Ungehorsamsdelikt im Sinn des § 5 VStG, zur Hintanhaltung eines Schuldspruches wäre der Beschwerdeführer daher im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht verhalten gewesen, ein allfälliges mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen. Der Einwand, er wäre kein Berufskraftfahrer und es wäre einem solchen zudem unzumutbar, in Bezug auf die zu beachtenden EU-Rechtsvorschriften immer auf dem Laufenden zu sein, habe eine solche Wirkung nicht zu erzielen vermocht. Der Beschwerdeführer übersehe dabei auch, dass gerade der Umstand, dass er nicht als Berufskraftfahrer tätig sei, ihn dazu hätte verhalten müssen, bei einer geeigneten Stelle eine Auskunft darüber einzuholen, welche Rechtsvorschriften von ihm im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Transport als Lenker zu beachten bzw. welche Dokumente, Begleitpapiere udgl. mitzuführen seien. Dass er dahingehende Erkundigungen vorgenommen habe, sei von ihm nicht behauptet worden. Bereits darin sei die Annahme eines fahrlässigen Verhaltens begründet. Es sei die gesetzliche Mindeststrafe verhängt worden. Dass die Voraussetzungen für eine Anwendung der §§ 20 oder 21 Abs. 1 VStG vorlägen, habe der Beschwerdeführer selbst nicht behauptet. Nach Meinung der belangten Behörde könne beim vorliegenden Sachverhalt auch unter Berücksichtigung der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers nicht davon gesprochen werden, dass die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe im Sinn des § 20 VStG beträchtlich überwogen hätten. Einer Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG habe entgegengestanden, dass nicht zu erkennen sei, dass im Beschwerdefall das tatbildmäßige Verhalten des Beschwerdeführers hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückgeblieben wäre.

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 (idF BGBl. Nr. 17/1998) begeht eine Verwaltungsübertretung, wer unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, sofern dies nicht nach anderen Vorschriften zu bestrafen ist. Als solche Vorschrift kommt im Beschwerdefall die Verordnung (EWG) Nr. 881/92 des Rates vom 26. März 1992 über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt in der Gemeinschaft für Beförderungen aus oder nach einem Mitgliedstaat oder durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten, ABl Nr. L 095 vom 9. April 1992, S 1-7, in Betracht. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Regelungen dieser Verordnung lauten wie folgt:

"Artikel 1

(1) Diese Verordnung gilt für den grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr auf den im Gebiet der Gemeinschaft zurückgelegten Wegstrecken.

(1) Der grenzüberschreitende Verkehr unterliegt einer Gemeinschaftslizenz.

(2) Die Gemeinschaftslizenz wird von einem Mitgliedstaat gemäß den Artikeln 5 und 7 jedem gewerblichen Güterkraftverkehrsunternehmer erteilt, der

(1) Die Gemeinschaftslizenz gemäß Artikel 3 wird von den zuständigen Behörden des Niederlassungsmitgliedstaates ausgestellt.

(2) Die Mitgliedstaaten händigen dem Inhaber das Original der Gemeinschaftslizenz, das von dem Transportunternehmen aufbewahrt wird, sowie so viele beglaubigte Abschriften aus, wie dem Inhaber der Gemeinschaftslizenz Fahrzeuge als volles Eigentum oder aufgrund eines anderen Rechts, insbesondere aus Ratenkauf-, Miet- oder Leasingvertrag, zur Verfügung stehen.

(3) Die Gemeinschaftslizenz muss dem Muster in Anhang I entsprechen. In diesem Anhang ist auch die Verwendung der Gemeinschaftslizenz geregelt.

(4) Die Gemeinschaftslizenz wird auf den Namen des Transportunternehmers ausgestellt. Sie darf von diesem nicht an Dritte übertragen werden. Eine beglaubigte Abschrift der Gemeinschaftslizenz muss im Fahrzeug mitgeführt werden und ist den Kontrollberechtigten auf Verlangen vorzulegen."

2.2. Der Beschwerdeführer wendet ein, er komme als (bloßer) Lenker eines Fahrzeuges als Adressat des Art. 5 Abs. 4 der in Rede stehenden Verordnung nicht in Frage, weil es sich beim Vorhandensein der Gemeinschaftslizenz zweifellos um eine Verpflichtung handle, welche ausschließlich vom Transportunternehmer selber einzuhalten sei, auf dessen Namen sie auch ausgestellt sei und von welchem sie auf Grund des Verbotes, sie an Dritte zu übertragen, unmittelbar verwahrt werden müsse, und es daher wohl auch nur Sache des Transportunternehmers sein könne, Sorge dafür zu tragen, dass in seinen Fahrzeugen eine beglaubigte Abschrift dieser Gemeinschaftslizenz mitgeführt werde und damit dem Kontrollberechtigten auf Verlangen vorgezeigt werden könne. Damit übersieht er aber, dass - unabhängig von dieser vom Beschwerdeführer behaupteten Obliegenheit des Transportunternehmers als Gemeinschaftslizenzinhaber - als derjenige, der diese Lizenz gemäß Art. 5 Abs. 4 letzter Satz leg.cit. mitzuführen und einem Kontrollberechtigten auf Verlangen vorzuzeigen hat, nur die Person in Frage kommen kann, die das Fahrzeug bei der Kontrolle tatsächlich lenkt. Im Beschwerdefall war dies unbestritten der Beschwerdeführer selbst. Entgegen seiner Meinung hätte er bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit die strafbare Handlung als solche auch erkennen müssen, muss doch von einem einen der in Rede stehenden Verordnung unterfallenden Transport im gewerblichen Güterkraftverkehr durchführenden Lenker verlangt werden, sich mit den einschlägigen Rechtsnormen vertraut zu machen.

2.3. Weiters wendet der Beschwerdeführer gegen den bekämpften Bescheid ein, dass in Anbetracht seines seiner Auffassung nach geringfügigen Verschuldens sowie der unbedeutenden Folgen der Übertretung - die Gemeinschaftslizenz sei im Betrieb des Transportunternehmers vorhanden gewesen und er selbst sei kein Berufskraftfahrer - die Voraussetzungen des § 21 VStG für ein Absehen von der Strafe vorlägen. Ferner wäre nach Ansicht des Beschwerdeführers angesichts seiner geringen Schuld eine außerordentliche Milderung der Strafe nach § 20 VStG durchaus angebracht gewesen, die belangte Behörde habe im Rahmen ihrer Beurteilung auch in keiner Weise angeführt, welche Erschwerungsgründe überhaupt vorgelegen seien, die die jedenfalls gegebenen Milderungsgründe überwiegen würden. Auch diese Einwände sind nicht zielführend. Das Vorbringen, sein Verschulden sei geringfügig, weil er in Unkenntnis des Gesetzes gehandelt habe, geht schon aus den in Punkt 2.2. angestellten Erwägungen fehl. Weiters ist der Beschwerde nicht entnehmbar, welche anderen Umstände die nach Meinung des Beschwerdeführers "jedenfalls gegebenen Milderungsgründe" begründen könnten, weshalb es nicht als rechtswidrig erkannt werden kann, wenn die belangte Behörde zum Ergebnis gekommen ist, dass der einzige von ihr in Betracht gezogene Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit auch bei Fehlen von Erschwerungsgründen noch kein beträchtliches Überwiegen der Milderungsgründe über die Erschwerungsgründe im Sinn des § 20 VStG bedeutet.

Gemäß § 21 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten. Nach der ständigen hg. Rechtsprechung ist das Verschulden geringfügig, wenn - unabhängig von der Schuldform (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) - das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts - und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt. Diese Voraussetzung ist im Beschwerdefall aber nicht gegeben, muss doch (wie schon erwähnt) vom Beschwerdeführer als einem eine der in Rede stehenden Verordnung unterfallende Fahrt im Güterkraftverkehr durchführenden Lenker verlangt werden, sich mit den einschlägigen Rechtsnormen vertraut zu machen.

2.4. In seinem Erkenntnis vom 14. Dezember 2001, G 181/01, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Wortfolge "und Z 7 bis 9" im zweiten Satz des § 23 Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes 1995, BGBl. Nr. 593, idF BGBl. I Nr. 17/1998, verfassungswidrig war. Im genannten Erkenntnis, kundgemacht im Bundesgesetzblatt am 8. Februar 2002 unter BGBl. I Nr. 37, hat der Verfassungsgerichtshof ferner - gestützt auf Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG - Folgendes ausgesprochen:

"(2) Die verfassungswidrige Bestimmung ist insofern nicht mehr anzuwenden, als sie sich auf die Z 8 bezieht."

Da der zuletzt genannte Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes die Anwendung der als verfassungswidrig festgestellten gesetzlichen Bestimmung auch im vorliegenden Beschwerdefall ausschließt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 17. Dezember 1979, Slg. Nr. 9994/A), erweist sich der Ausspruch über die im Beschwerdefall gemäß § 23 Abs. 2 zweiter Satz des Güterbeförderungsgesetzes 1995 verhängte Mindeststrafe von S 20.000,-- als inhaltlich rechtswidrig.

2.5. Von daher war der angefochtene Bescheid in dem im Spruch genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.6. Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001 und § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.

Wien, am 20. März 2002

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