Normen
AVG §8;
VwGG §21 Abs1;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §8;
VwGG §21 Abs1;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerde gegen den am 11. Februar 2009 erfolgten Vollzug der Abschiebung des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet ab.
Begründend führte sie - auf das Wesentliche zusammengefasst - aus, gegen den Beschwerdeführer sei ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden, das mit Bescheid der belangten Behörde vom 11. Dezember 2008 bestätigt worden sei und die Grundlage der gegenständlichen, mit Verwaltungsbeschwerde bekämpften Abschiebung bilde. Gegen den genannten Bescheid vom 11. Dezember 2008 habe der Beschwerdeführer am 4. Februar 2009 Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben, der mit Beschluss vom 9. Februar 2009 die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei. Dieser Beschluss sei dem anwaltlichen Vertreter des Beschwerdeführers am 11. Februar 2009 um 09.50 Uhr per Fax zugestellt worden.
Davor, nämlich am 11. Februar 2009 um 09.30 Uhr, habe der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers Mag. W., eine Mitarbeiterin der für die Abschiebung zuständigen erstinstanzlichen Fremdenpolizeibehörde, angerufen und davon in Kenntnis gesetzt, dass aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei. Mag. W. habe um 09.35 Uhr dieses Tages Rücksprache mit dem zuständigen Hofrat des Verwaltungsgerichtshofes gehalten, der - von ihr nicht in Zweifel gezogen - die erfolgte Erteilung aufschiebender Wirkung bestätigt und weiters mitgeteilt habe, der genannte Beschluss vom 9. Februar 2009 werde dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers sofort gefaxt werden. Hierüber habe Mag. W. nach eigenen Angaben einen Aktenvermerk angelegt. Sie habe weiters im Internet den für die Abschiebung vorgesehenen Flug der Turkish Airline betreffend recherchiert. Nachdem dort der Vermerk "boarding" aufgeschienen sei, sei sie davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer bereits im Flugzeug gewesen und die Abschiebung nicht mehr zu stoppen sei. In einem weiteren Vermerk sei im Fremdenpolizeiakt protokolliert worden, dass die Abschiebung am 11. Februar 2009 um 10.26 Uhr durchgeführt worden sei; es sei "zu keinen Vorfällen" gekommen.
Weiters sei bestätigt worden, dass ein Abbruch der im Gang befindlichen Abschiebung durch mündliche Weisung des Dienstvorgesetzten der begleitenden Beamten, die mit mobilen Diensttelefonen ausgestattet seien, möglich gewesen sei. Einer der begleitenden Beamten habe ausgesagt, dass bei der Turkish Airline ein zu transportierender "Häftling" meist als Letzter zum Flugzeug gebracht werde. Schließlich stellte die belangte Behörde fest, dass "ab 10.00 Uhr" die Türen des Luftfahrzeuges geschlossen worden seien. Nach etwa 10 bis 15 Minuten Manipulationszeit sei um
10.17 Uhr das "block off" (Wegrollen von der Einstiegsposition) erfolgt.
Hieraus folgerte die belangte Behörde rechtlich, ab Rechtsverbindlichkeit der vom Verwaltungsgerichtshof bewilligten aufschiebenden Wirkung, die mit der Zustellung am 11. Februar 2009 um 09.50 eingetreten sei, habe ein Abbruch der gegenständlichen Abschiebung nicht erfolgen können. Davor erfolgte mündliche Mitteilungen entfalteten keine Rechtsbindung. Die maßgebliche schriftliche Ausfertigung des genannten Beschlusses sei überdies erst am 17. Februar 2009 "bei der belangten Behörde" eingelangt. Diese sei somit nicht gehalten gewesen, vor Kenntnis der schriftlichen Ausfertigung allein auf Basis telefonischer Erkundigungen die Abschiebung des Beschwerdeführers zu stoppen. "Selbst unter der Prämisse, dass die belangte Behörde unmittelbar um 09.50 Uhr von dem Umstand erfahren hätte", seien ihr nur knapp 10 Minuten für ein Reagieren verblieben. Dieses "Zeitfenster" sei zu kurz, um einen Abbruch der in Vollzug befindlichen Abschiebung tatsächlich umzusetzen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Vorweg ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof seinen Beschluss vom 9. Februar 2009 über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nur an die Parteien des zugrundeliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (hier neben dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde der Bundesministerin für Inneres) und nicht an die Fremdenpolizeibehörde (erster Instanz) zuzustellen hatte und auch tatsächlich zugestellt hat. Schon von daher kann also nicht - im Ergebnis mit Bezug auf § 30 Abs. 2 VwGG, der lediglich eine Wirkung ex nunc vorsieht - damit argumentiert werden, eine Zuerkennung aufschiebender Wirkung komme erst mit der Zustellung des (schriftlichen) Aufschiebungsbeschlusses an diese Behörde zum Tragen.
Fallbezogen ist es zu einer Kenntnis von der Zuerkennung aufschiebender Wirkung bereits durch das Telefonat der Fremdenpolizeibehörde mit dem Verwaltungsgerichtshof (am 11. Februar 2009 um 09.35 Uhr) gekommen. Ab diesem Zeitpunkt war die Fremdenpolizeibehörde - wie sie unter Berücksichtigung der von ihr eingeleiteten Ermittlungen auch grundsätzlich richtig erkannt hat - zur Veranlassung eines Abbruchs der begonnenen Abschiebung des Beschwerdeführers gehalten. Im Hinblick darauf, dass ein "boarding" keinesfalls generell mit der Unmöglichkeit gleichgesetzt werden kann, von einer Teilnahme am Flug als Passagier noch Abstand zu nehmen, weiters auf mögliche Unregelmäßigkeiten im zeitlichen Ablauf der Vorbereitung jeder Flugbewegung sowie die leichte telefonische Erreichbarkeit der den Beschwerdeführer begleitenden Beamten vermag der Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht die Ansicht der belangten Behörde zu teilen, das (richtig rund 30 Minuten umfassende) "Zeitfenster" sei für eine Reaktion zu kurz gewesen. Die Fremdenpolizeibehörde hat somit die von ihr an den Tag zu legende Sorgfalt dadurch vernachlässigt, dass sie aus dem bereits begonnenen "boarding" des zur Abschiebung dienenden Fluges - ohne weitere Maßnahmen (insbesondere Veranlassung eines Anrufs bei den begleitenden Beamten) zu setzen - geschlossen hat, eine Befolgung des genannten Beschlusses vom 9. Februar 2009 wäre fallbezogen bereits unmöglich geworden. Vielmehr hätte sie zielführende Handlungen in die Wege leiten müssen, um die Abschiebung zu stoppen.
Da die belangte Behörde diese Umstände unrichtig beurteilt hat, war der angefochtene Bescheid schon deshalb, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden musste, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 23. September 2010
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