VwGH 2009/07/0050

VwGH2009/07/005018.2.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. Sulzbacher und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Jantschgi, über die Beschwerde

1. der IW und 2. der TG, beide in A, beide vertreten durch Mag. Alfred Lang und Mag. Ulf Schulze-Bauer, Rechtsanwälte in 8280 Fürstenfeld, Realschulstraße 2a, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung vom 26. November 2008, Zl. FA10A-LAS14A1/2008-5, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit der Bodenreform, zu Recht erkannt:

Normen

AgrVG §7 Abs2;
AVG §56;
AVG §62;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;
AgrVG §7 Abs2;
AVG §56;
AVG §62;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerinnen haben dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Agrarbezirksbehörde G. (nunmehr Agrarbezirksbehörde für Steiermark; im Folgenden ABB) gab mit Verständigung (Kundmachung) vom 29. März 1984 bekannt, dass im Zusammenlegungsverfahren A. der Zusammenlegungsplan als Bescheid durch Auflage zur allgemeinen Einsicht erlassen werde. Die Auflage erfolge in der Zeit von Donnerstag, dem 12. April 1984, bis einschließlich Donnerstag, dem 26. April 1984, - zwei Wochen - beim Gemeindeamt A., wo während der Amtsstunden für die Parteien dieses Zusammenlegungsverfahrens die Möglichkeit der Einsichtnahme bestehe. Die Erläuterung erfolge am 12. April 1984 und am 26. April 1984, jeweils in der Zeit von 08.30 bis 12.00 Uhr und von 14.00 bis 16.00 Uhr beim Gemeindeamt A.

Gemäß der in dieser Verständigung (Kundmachung) enthaltenen Rechtsmittelbelehrung beginne die zweiwöchige Berufungsfrist mit dem auf den Ablauf der Dauer der Auflage folgenden Tag.

Mit Eingabe vom 8. Oktober 2008 erhoben die Beschwerdeführerinnen durch ihre Rechtsvertreter gegen den "Bescheid der Agrarbezirksbehörde G. vom 29.03.1984 (Verständigung über die Auflage des Zusammenlegungsplanes 'A.'), von ihren ausgewiesenen Rechtsvertretern am 8.10.2008 persönlich von der Behörde übernommen", Berufung an die belangte Behörde.

Begründend führten die Beschwerdeführerinnen aus, dass sie Enkeltöchter der Ehegatten Anna und Anton L. seien. Sie hätten von ihren Großeltern unter anderem die aus dem Grundstück Nr. 101 (alt) in der KG A neu gebildeten Grundstücke Nr. 101/1 und 101/2 in ihr Eigentum übernommen. Die Grundstücksfläche Nr. 101 bzw. der auf diesem Grundstück gelegene Zufahrtsweg hätte seit jeher zum Erreichen der Häuser Nr. 6 in A. (vormals im Eigentum der Großeltern der Beschwerdeführerinnen) gedient, wobei diese Wegfläche bis an die öffentliche Ortsdurchfahrt von A. heranführe und an diese anschließe. Vom Nachbarn Herrn S. seien die Beschwerdeführerinnen mit der Behauptung konfrontiert worden, dass sich jener Teil des Zufahrtsweges zu ihrem Anwesen, welcher zunächst an die Ortsdurchfahrt von A. anschließe, in seinem Eigentum befinden würde. Die Beschwerdeführerinnen hätten somit kein Recht, über den besagten Weg zuzufahren. Ihre Großeltern hätten daraufhin angegeben, dass "dieser Besitzstand nicht möglich sei". Das gesamte Grundstück, auf welchem sich die Zufahrt befinde, sei nämlich immer in ihrem Eigentum gestanden.

Danach hätten sie - so führen die Beschwerdeführerinnen in ihrer Berufung weiter aus - herausgefunden, dass im Zuge des Zusammenlegungsverfahrens A. ein Teil dieses Grundstückes abgeschrieben und dem Grundstück Nr. 103 im Eigentum des Herrn S. zugeschrieben worden sei. Weitere Nachforschungen beim Gemeindeamt in A. hätten ergeben, dass der Großvater der Beschwerdeführerinnen, Herr Anton L., von der Auflage des Zusammenlegungsplanes der Zusammenlegung A. mit Verständigung der ABB vom 29. März 1984 in Kenntnis gesetzt worden sei. Mit einer Kopie der Übernahmsbestätigung konfrontiert hätte jedoch ihr Großvater erklärt, dass es sich bei der Unterschrift auf der Übernahmsbestätigung nicht um seine Unterschrift handle und dass er nie über die Auflage des Zusammenlegungsplanes und dessen Erläuterung verständigt worden sei.

Sie hätten daraufhin die Originalunterschrift auf der Übernahmsbestätigung von einem allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für Handschriften und Urkundenuntersuchung prüfen lassen. Es würde nunmehr seit 24. September 2008 ein Schriftvergleichsgutachten vorliegen, aus dem sich ergebe, dass die Unterschrift auf der in Rede stehenden Übernahmsbestätigung nicht vom Großvater der Beschwerdeführerinnen stammen würde. Somit liege keine rechtswirksame Zustellung vor.

Die Beschwerdeführerinnen seien in ihrer Eigenschaft als Rechtsnachfolgerinnen ihrer Großeltern übergangene Parteien und somit berufungslegitimiert. In dieser Eigenschaft würden sie gegen den "Bescheid" der ABB über die Verständigung von der Auflage des Zusammenlegungsplanes A. Berufung erheben.

Die Beschwerdeführerinnen hätten tatsächlich keine Möglichkeit gehabt, in den aufgelegten Zusammenlegungsplan Einsicht zu nehmen und an der Erläuterung des Planes teilzunehmen. Sie hätten jedoch "ein evidentes, rechtliches Interesse an der Einsichtnahme und Erläuterung des Zusammenlegungsplanes", da über die vom Grundstück Nr. 101 (alt) abgeschriebene Teilfläche die einzige Zufahrtsmöglichkeit zu ihren Liegenschaften verlaufe. Mit der Abschreibung seien sie somit keinesfalls einverstanden.

Aus "advokatorischer Vorsicht" stellten die Beschwerdeführerinnen unter einem einen Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist sowie einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens.

Nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid die Berufung der Beschwerdeführerinnen "gegen die Kundmachung der

Auflage des Zusammenlegungsplanes ... vom 29.3.1984" als

unzulässig zurück.

Unter Zitierung der Bezug habenden Rechtsvorschriften führte die belangte Behörde begründend aus, dass die "schriftliche Verständigung" der ABB vom 29. März 1984 kein Bescheid sei. Lediglich der Zusammenlegungsplan selbst sei "ein Bescheid iSd AVG". Ob der Zusammenlegungsplan durch Zustellung oder durch Auflage zur allgemeinen Einsicht erlassen werde, liege im Ermessen der Bescheid erlassenden Behörde. Damit könne nicht durch die Parteien - wie es die Beschwerdeführerinnen offenbar fordern - bestimmt werden, eine Bescheidauflage und Erläuterung desselben durch die ABB vornehmen zu lassen.

Ihrem Inhalt nach werde mit der Berufungsschrift die Zustellung des Bescheides (Zusammenlegungsplanes) begehrt.

Die gegenständliche Berufung richte sich somit gegen eine Verfahrensanordnung. Gegen eine solche sei gemäß § 63 Abs. 2 AVG eine abgesonderte Berufung nicht zulässig, weshalb die Berufung der Beschwerdeführerinnen als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 7 Abs. 1 bis 3 AgrVG 1950 lautet:

"§ 7. (1) Ausweise, Pläne, Listen, Register und Verzeichnisse, durch die Rechte oder Rechtsverhältnisse festgestellt oder gestaltet werden, sind Bescheide im Sinne des AVG. Inhalt und Form dieser Bescheide richten sich nach den Verwaltungsvorschriften.

(2) Im Agrarverfahren können Bescheide auch durch Auflage zur allgemeinen Einsicht während einer bestimmten Dauer erlassen werden. Die Dauer und der Ort der Auflage sind so zu bestimmen, dass jede Partei innerhalb einer Frist von mindestens zwei Wochen Einsicht nehmen kann. Die Dauer und der Ort sind den Parteien schriftlich bekannt zu geben. Für jede Partei beginnt die Auflagefrist nicht vor dem Tag der Zustellung dieser Verständigung. Die Verständigung hat eine Rechtsmittelbelehrung im Sinne des Abs. 3 zu enthalten.

(3) Im Falle einer Bescheiderlassung nach Abs. 2 beginnt die Berufungsfrist mit dem Tag, der auf den Ablauf der Dauer der Auflage folgt."

§ 7 Abs. 2 AgrVG 1950 ergänzt die Bestimmung des § 62 AVG durch eine den Besonderheiten des Agrarverfahrens entsprechende Form der Bescheiderlassung. Ein im Sinne des § 7 Abs. 2 AgrVG 1950 zur allgemeinen Einsicht während einer bestimmten Dauer aufgelegter Bescheid ist mit der Auflage erlassen, d.h. er erlangt damit seine rechtliche Existenz. Die schriftliche Bekanntgabe von Zeit und Ort der die Bescheiderlassung bewirkenden Auflage zur allgemeinen Einsicht ist nun insofern wesentlich, als ein nach § 7 Abs. 2 AgrVG 1950 erlassener Bescheid den Parteien gegenüber nur dann rechtskräftig werden kann, wenn die Bekanntgabe "wirksam" zugestellt worden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. März 2002, Zl. 2001/07/0046, mwN).

Gemäß § 63 Abs. 3 AVG, der auf Grund des § 1 AgrVG 1950 auch im gegenständlichen Fall von der belangten Behörde anzuwenden war, hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.

Wie dem § 7 Abs. 2 AgrVG 1950 zu entnehmen ist, kommt der Verständigung der ABB vom 29. März 1984 kein selbständiger Bescheidcharakter zu. Sie ist vielmehr Voraussetzung für die Erlassung des Zusammenlegungsplanes, welcher gemäß § 7 Abs. 1 AgrVG 1950 ein Bescheid im Sinne des AVG ist, durch Auflage zur allgemeinen Einsicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1995, Zl. 93/07/0088).

Die Beschwerdeführerinnen wenden sich mit ihrer als "Berufung" titulierten Eingabe vom 8. Oktober 2008 ausdrücklich

gegen den "Bescheid ... vom 29.03.1984". Im Zusammenhang mit der

zitierten Geschäftszahl und dem weiteren Vorbringen ist zweifelsfrei zu entnehmen, dass damit die Verständigung der ABB vom 29. März 1984 über die Auflage des Zusammenlegungsplanes A. gemeint ist.

Auch lässt sich dieses Vorbringen nicht im Sinne einer Bekämpfung des durch Auflage erlassenen Zusammenlegungsplanes A. umdeuten. Die Berufung wendet sich in ihrer Begründung zwar auch gegen den Inhalt des Zusammenlegungsplanes. Sie macht jedoch primär die Rechtsunwirksamkeit der "Zustellung" des Zusammenlegungsplanes geltend. Folgerichtig enthält die Berufung auch kein Begehren auf Abänderung oder Aufhebung des Zusammenlegungsplanes. Vielmehr wird lediglich die Aufhebung der Verständigung vom 29. März 1984 begehrt. Der Zusammenlegungsplan selbst wird von den Berufungsanträgen nicht erfasst. Es wird unter der Rubrik "Berufungsanträge" lediglich die - den Beschwerdeführerinnen gegenüber erstmalige - Erlassung des Zusammenlegungsplanes durch Auflage zur allgemeinen Einsicht begehrt. Begründet wird dies mit dem Verweis auf eine rechtsunwirksame "Zustellung" des Zusammenlegungsplanes gegenüber den Rechtsvorgängern der Beschwerdeführerinnen (deren Großeltern).

Der belangten Behörde war somit die eigenmächtige Umdeutung eines in der Berufung präzise bezeichneten Verwaltungsaktes verwehrt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1994, Zl. 94/11/0173). Auf Grund der ausdrücklichen Bezeichnung des Berufungsgegenstandes - das ist die Verständigung der ABB vom 29. März 1984 - blieb für die belangte Behörde kein Raum, die Berufung als gegen den Zusammenlegungsplan A. selbst gerichtet anzusehen (vgl. dazu wiederum das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1995).

Da der bekämpften Verständigung keine Bescheidqualität zukommt, erfolgte die vom angefochtenen Bescheid vorgenommene Zurückweisung der Berufung der Beschwerdeführerinnen zu Recht.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 18. Februar 2010

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