VwGH 2009/05/0201

VwGH2009/05/020112.10.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der Dr. H H in Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Lenneis, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Singerstraße 8, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 28. Mai 2009, Zl. RU1- BR-443/006-2009, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Marktgemeinde Perchtoldsdorf, vertreten durch Dr. Hermann Geissler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Neutorgasse 12, 2. Dkfm. J F, 3. Dkfm. E F, beide in Perchtoldsdorf, beide vertreten durch Dr. Tassilo Neuwirth, Dr. Alexander Neurauter und Dr. Martin Neuwirth, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Petersplatz 3), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO NÖ 1996 §18;
BauO NÖ 1996 §23;
BauO NÖ 1996 §6 Abs1 Z3;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z1;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §18;
BauO NÖ 1996 §23;
BauO NÖ 1996 §6 Abs1 Z3;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z1;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610, 60, der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106, 40 und den zweitmitbeteiligten und drittmitbeteiligten Parteien insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. 2288/3 der Liegenschaft EZ 5025, KG Perchtoldsdorf. Die zweit- und drittmitbeteiligten Parteien sind jeweils Hälfteeigentümer des daran angrenzenden Grundstückes Nr. 2294/2 der Liegenschaft EZ 4158, KG Perchtoldsdorf.

Mit Bauansuchen vom 14. September 2005 suchten die zweit- und drittmitbeteiligten Parteien (in weiterer Folge: Bauwerber) um Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung einer Einfriedungsmauer gemäß § 18 Niederösterreichische Bauordnung 1996 (in der Folge: NÖ BO) auf ihrem Grundstück an.

Die nunmehrige Beschwerdeführerin wurde als Nachbarin zur Bauverhandlung geladen. Sie wendete in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 27. Jänner 2006 ein, dass die Beschaffenheit und Gestaltung der Mauer "weder den Voraussetzungen der statischen Sicherheit, noch der Frostsicherheit entspricht".

Im bautechnischen Gutachten vom 12. Dezember 2005 wird das Vorhaben wie folgt beschrieben:

"Entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze ... soll auf einer

Länge von 33,35 m eine freistehende Einfriedungsmauer aus Betonschalsteinen errichtet werden. Die Höhe der Mauer soll zwischen 30 cm und 87 cm und die Breite der Mauer soll 20 cm betragen. Die Fugen sollen mit Zementmörtel verstrichen werden.

Die Gründung der Mauer erfolgt auf einem Streifenfundament mit den Abmessungen von 60 cm (Tiefe) und 50 cm (Breite) im Querschnitt, wobei das Fundament bis zur Gebäudeoberfläche ragt.

Die Mauer sitzt ebenso wie das Fundament an der gemeinsamen Grundstücksgrenze und belastet das Fundament somit asymmetrisch. Angaben zur Betonqualität fehlen. Unmittelbar vor dem Fundament

der Mauer ist im Bereich der Liegenschaft ... (Bauwerber) ein

Drainageschotterkoffer (ca. 30 cm x 30 cm) samt Drainageschlauch O 10 cm angeordnet. Ein Sickerschacht für die Drainageeinrichtung ist nicht geplant.

Darüber hinaus ist eine Niveauanpassung des Grundstücks im Gartenbereich geplant. Die Niveauänderungen sollen von 0,00 cm beginnend bis zu 40 cm betragen und dienen zur Abflachung des bestehenden geneigten Geländeniveaus. Eine Angabe über die Art des Schüttmaterials fehlt."

In seinem Gutachten führte der bautechnische Sachverständige sodann aus, dass unter der Voraussetzung, dass wasserdurchlässiges Material für den Schüttkörper verwendet werde, von einer Verbesserung für den Unterlieger - das ist das Grundstück der Beschwerdeführerin - betreffend die anfallenden Oberflächenwässer ausgegangen werden könne. Die geplante Fundierung wurde als frostsicher beurteilt. Die Hebungen und Setzungen des Bodens während und nach einer Frostperiode lägen bei nur 3,6 cm. Bei einer anzunehmenden überwiegenden Gleichmäßigkeit der Bodenzusammensetzung sei mit keiner schädigenden und die Standsicherheit der Mauer beeinflussenden Einwirkung zu rechnen. Die Beanspruchung der Mauer durch Frosthebungen und Tausetzungen sei gering; die Standsicherheit der Mauer werde dadurch nicht beeinflusst. Die freistehende Einfriedungsmauer sei keinen besonderen statischen Beanspruchungen ausgesetzt, weshalb die Betongüte von C 16/20 (Mindestbetongüte) ausreichend sei. Im Hinblick auf den vorgesehenen Drainagekoffer samt Drainageschlauch bestehe keine Gefahr einer Beeinträchtigung der Liegenschaft der Beschwerdeführerin durch Oberflächenwässer bei Anschluss an einen Sickerschacht.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 27. Februar 2006 wurde den mitbeteiligten Bauwerbern die beantragte Baubewilligung zur Errichtung der Einfriedungsmauer gemäß § 23 Abs. 1 und 2 NÖ BO unter Vorschreibung von Auflagen - wie vom Sachverständigen vorgeschlagen - erteilt.

Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wurde vom Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 23. April 2007 als unbegründet abgewiesen.

Die Berufungsbehörde legte ihrer Entscheidung auch eine gutachtliche Stellungnahme des von ihr beauftragten bautechnischen Sachverständigen vom 20. November 2006 zu Grunde, in welchem die "Kippsicherheit" der Mauer auch unter Berücksichtigung der Windbelastung und Durchführung von Grabarbeiten auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin berücksichtigt wurde. Die Standsicherheit der Mauer wurde auch von diesem Sachverständigen als gegeben beurteilt.

Der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Vorstellung wurde von der belangten Behörde Folge gegeben, der Berufungsbescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Marktgemeinde zurückverwiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei in ihrem Recht auf Parteiengehör verletzt worden, da ihr das von der Berufungsbehörde eingeholte Gutachten vor Erlassung des Bescheides nicht zur Kenntnis gebracht und keine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt worden sei.

Die Berufungsbehörde ergänzte in der Folge das Ermittlungsverfahren durch Einholung einer ergänzenden fachkundigen Stellungnahme ihres bautechnischen Sachverständigen. In diesem Gutachten vom 23. Juli 2008 nimmt der Sachverständige zum Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrem "Antrag" vom 3. September 2008 Stellung und kommt abschließend zum Ergebnis, dass der rechnerische Nachweis der Standsicherheit der Einfriedungsmauer gegeben sei.

Mit Bescheid vom 26. November 2008 wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde die Berufung der Beschwerdeführerin neuerlich ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass ein ergänzendes Gutachten eingeholt worden sei. Dieses sei der Beschwerdeführerin zur Stellungnahme zugestellt worden und dazu habe die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme abgegeben. Es habe sich aus diesem Gutachten kein Hinweis darauf ergeben, warum das Bauvorhaben nicht bewilligungsfähig sein solle. Selbst im "schlechtesten Fall" sei laut ergänzendem Gutachten des Dipl. Ing. Reiss die Standsicherheit der Einfriedungsmauer gegeben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Baubehörden auf Grund der vorliegenden Ermittlungsergebnisse und des nachvollziehbaren Gutachtens des bautechnischen Sachverständigen zutreffend von der Standsicherheit der projektierten Einfriedungsmauer ausgegangen seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Beschwerdeabweisung beantragte. Die mitbeteiligten Bauwerber und die mitbeteiligte Marktgemeinde erstatteten ebenfalls Gegenschriften, in denen sie die kostenpflichtige Beschwerdeabweisung beantragten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin ist als Grundstückseigentümerin der dem Baugrundstück benachbarten Liegenschaft im gegenständlichen Bewilligungsverfahren Nachbarin im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 3 Niederösterreichische Bauordnung 1996 (in der Folge: BO). Ihr kommt im Bewilligungsverfahren nur insoweit ein Mitspracherecht zu, als von ihr subjektiv-öffentliche Rechte iSd § 6 Abs. 2 BO geltend gemacht wurden. Diese Bestimmung lautet auszugsweise:

"(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die

1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4) sowie

2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben, gewährleisten und über

3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen."

Verfahrensgegenständlich ist die Neuerrichtung einer Einfriedungsmauer und nicht - wie die Beschwerdeführerin offenbar vermeint - der Abbruch einer bereits bestehenden Mauer. Der offenbar von der Beschwerdeführerin beantragte Abbruchsauftrag einer bestehenden Mauer ist Gegenstand eines anderen (auch hg. anhängigen) Verfahrens.

Zur Frage der Standsicherheit der projektierten Einfriedungsmauer führt die Beschwerdeführerin aus, entgegen der Meinung der Berufungsbehörde und der belangten Behörde, ergebe sich aus den vorliegenden Sachverständigengutachten nicht die Standsicherheit der projektierten Einfriedungsmauer.

Die von den Baubehörden ihren Entscheidungen zu Grunde gelegte Gutachten der bautechnischen Sachverständigen hat die belangte Behörde jedoch aus den im angefochtenen Bescheid angeführten Gründen zutreffend als schlüssig beurteilt. Demnach steht zweifelsfrei fest, dass die projektierte Einfriedungsmauer standsicher ist. Die Beschwerdeführerin versucht - wie in ihrer Vorstellung - auch in ihrer Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nachzuweisen, indem sie einzelne Sätze der Sachverständigengutachten aus dem Zusammenhang hervorhebt und entgegen dem Inhalt des Gutachtens zu interpretieren versucht. Mit ihrem Vorbringen ist es ihr jedoch nicht gelungen, die nicht als unschlüssig zu erkennenden Ausführungen des bautechnischen Sachverständigen zu erschüttern, denen die Beschwerdeführerin nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist.

Im Übrigen vermag die Beschwerdeführerin mit ihrem Vorbringen keine Behauptung einer Verletzung ihrer subjektiven-öffentlichen Rechte dazutun. Ihren Ausführungen fehlt die Behauptung, inwiefern sie überhaupt durch die von ihr behauptete fehlende Standsicherheit der projektierten Mauer gefährdet werden könnte. In Fragen der Standsicherheit kommt dem Nachbarn gemäß § 6 Abs. 2 Z. 1 BO nur insoweit ein subjektives öffentliches Recht zu, als durch das bewilligte Bauvorhaben die Standsicherheit seiner Bauwerke berührt sein kann. Die Beschwerdeführerin hat kein diesbezügliches Vorbringen erstattet. Das Verwaltungsverfahren hat im Übrigen keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, dass durch die Errichtung der bewilligten Einfriedungsmauer die Standsicherheit von Bauwerken der Beschwerdeführerin beeinträchtigt würde.

Im hg. Erkenntnis vom 22. November 2005, Zl. 2005/05/0137, hat der Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich ausgeführt, dass den Nachbarn gemäß § 6 Abs. 2 Z. 1 BO die Gewährleistung der Standsicherheit nur hinsichtlich ihrer bestehenden und baubehördlich bewilligten bzw. angezeigten Bauwerke zusteht. Insoweit sich daher das Beschwerdevorbringen betreffend die Beeinträchtigung der Standsicherheit nicht auf ihre Bauwerke, sondern nur auf ihre Grundstücke bezieht, macht die Beschwerdeführerin keine ihr gemäß § 6 Abs. 2 BO zukommenden subjektiv-öffentlichen Rechte geltend.

Die Beschwerdeführerin konnte eine relevante Gefährdung durch die projektierte Einfriedungsmauer auch nicht dadurch darlegen, dass sie nur die im Gutachten angeführten Gefahrenmomente wiedergab und daraus andere Folgen ableitete.

Insoweit die Beschwerdeführerin ohne weitere Anhaltspunkte behauptet, die Bauwerber hätten gar nicht vor, den beantragten Bau wie projektiert auszuführen, ist darauf zu verweisen, dass es sich bei einem Baubewilligungsverfahren stets um ein Projektgenehmigungsverfahren handelt, bei dem die Zulässigkeit des Bauverfahrens auf Grund der eingereichten Pläne zu beurteilen ist; Gegenstand des Verfahrens ist das in den Einreichplänen und sonstigen Unterlagen dargestellte Projekt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2005, Zl. 2002/05/1519, u.v.a.).

Der Beschwerdeführerin ist es nicht gelungen, die von ihr behauptete Rechtswidrigkeit aufzuzeigen. Die Beschwerde erweist sich sohin insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 12. Oktober 2010

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