VwGH 2008/22/0758

VwGH2008/22/07585.10.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des Z, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/2, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 20. Dezember 2006, Zl. 316.278/2-III/4/06, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §293 Abs1;
ASVG §293;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §47 Abs3 Z3;
ASVG §293 Abs1;
ASVG §293;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §47 Abs3 Z3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 20. Dezember 2006 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines serbischen Staatsangehörigen, vom 16. Februar 2006 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zwecks Familienzusammenführung mit seiner österreichischen Mutter gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Die belangte Behörde stellte dabei fest, dass der Beschwerdeführer von Juli 1992 bis 9. Dezember 2001 über Aufenthaltstitel für die Republik Österreich verfügt habe. Sodann sei er in seine Heimat zurückgekehrt. Am 24. Februar 2004 habe er einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt, welcher erstinstanzlich "rechtskräftig negativ" entschieden worden sei. Der gegenständliche Antrag (vom 16. Februar 2006) sei - nach einem ca. sechsjährigen Auslandsaufenthalt - als Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu werten, bei dem § 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 NAG zu beachten sei. Der Beschwerdeführer begehre eine Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Angehöriger". Als Zusammenführende im Sinn des § 47 Abs. 1 NAG komme seine österreichische Mutter in Betracht. Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 NAG seien jedoch nicht gegeben. Der dem Antrag beiliegenden Haftungserklärung der Mutter des Beschwerdeführers könne entnommen werden, dass diese den Beschwerdeführer mit ca. EUR 400,-- monatlich unterstütze; diese Behauptung sei jedoch nicht mit dementsprechenden Beweisen (z.B. Kontobewegungen) unterlegt worden.

"Konsequenterweise" sei der Antrag von Amts wegen dahin einer Prüfung unterzogen worden, ob die Voraussetzungen zur Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit" vorlägen. Gemäß § 42 Abs. 1 NAG müsste der Beschwerdeführer jedoch über feste und regelmäßige monatliche Einkünfte verfügen, die dem Zweifachen der Richtsätze des § 293 ASVG entsprächen. Der zweifache Richtsatz betrage EUR 1.380,--; die Mutter müsste somit über Unterhaltsmittel im Ausmaß des Doppelten dieses Betrages für sich und ihren Sohn verfügen. Gemäß der vorgelegten Pensionsbestätigung erhalte die Mutter jedoch lediglich EUR 1.043,56.

Weiters sei ein alle Risken abdeckender Krankenversicherungsschutz nicht nachgewiesen worden, weshalb auch ein "Versagungsgrund" nach § 11 Abs. 2 Z 3 NAG vorliege.

Zur Interessenabwägung nach § 11 Abs. 3 NAG führte die belangte Behörde aus: "Im Zuge der damit erforderlichen Interessensabwägung hat die Berufungsbehörde festgestellt, dass den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen absolute Priorität eingeräumt werden musste, da Sie der Behörde keinen Nachweis über die Sicherung Ihres Lebensunterhaltes erbracht haben."

Der Verfassungsgerichtshof hat die gegen diesen Bescheid an ihn erhobene Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 10. Juni 2008, B 220/07-7, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten, der über die ergänzte Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Der angefochtene Bescheid widerspricht in mehrfacher Hinsicht dem Gesetz.

Die erforderliche Höhe des Einkommens, über das der Beschwerdeführer (gemeinsam mit seiner Mutter) verfügen müsse, berechnete die belangte Behörde anhand des Maßstabes des § 42 Abs. 1 NAG. Sie deutete somit von Amts wegen den auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" nach § 47 Abs. 3 NAG gerichteten Antrag - wegen Nichterfüllung der dafür normierten Voraussetzungen - als solchen auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit" gerichtet (§ 42 Abs. 1 NAG; vgl. zur Rechtswidrigkeit einer solchen Vorgangsweise etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 2010, 2008/22/0281).

Dieser unzulässigen Umdeutung ging voran, dass die belangte Behörde - ohne dies im Spruch des Bescheides zum Ausdruck zu bringen - die Voraussetzung des § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG (nur diese Bestimmung kommt fallbezogen in Betracht) verneinte. Zu dem hiefür erforderlichen Tatbestand des Bezugs von (durch den Zusammenführenden gewährten) Unterhalt durch den Nachziehenden bereits in seinem Heimatstaat führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer seine Behauptung, wonach er von seiner Mutter mit ca. EUR 400,--monatlich unterstützt werde, nicht mit "dementsprechenden Beweisen (z.B. Kontobewegungen)" unterlegt habe. Im Fall eines Zweifels an der Richtigkeit der vorgelegten Erklärung darf sich die Behörde aber nicht auf das Fehlen von diesbezüglichen Kontoauszügen zurückziehen, sondern hätte dem Beschwerdeführer Gelegenheit geben müssen, die behaupteten Unterstützungszahlungen auf andere Art nachzuweisen (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis 2008/22/0281).

In einer Konstellation wie der vorliegenden (Nachzug des erwachsenen Sohnes zu seiner Mutter) muss beiden Personen zu Deckung des erforderlichen Unterhalts für einen Familiennachzug jeweils der einfache Richtsatz des § 293 ASVG zur Verfügung stehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 2010, 2008/22/0632). Weiters hätte die belangte Behörde - worauf die Beschwerde zutreffend verweist - auch die anteiligen Sonderzahlungen bei Berechnung des vorhandenen Einkommens zu berücksichtigen gehabt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. April 2010, 2008/22/0835).

Ein weiterer Rechtsirrtum - der auch auf die von der belangten Behörde lediglich in der Begründung verneinte Voraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 3 NAG durchschlagen würde - liegt darin, dass die belangte Behörde die Interessenabwägung nach § 11 Abs. 3 NAG mit der Begründung abgelehnt hat, dass den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen "absolute Priorität" eingeräumt werden müsse. Diese Rechtsmeinung steht mit dem Gesetz nicht in Einklang (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. September 2009, 2008/22/0659).

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid - in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das über den Pauschalbetrag und die Pauschalgebühr hinausgehende Mehrbegehren war abzuweisen. Wien, am 5. Oktober 2010

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