Normen
ASVG §293;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §47 Abs3;
ASVG §293;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §47 Abs3;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 10. Oktober 2007 wurde der vom im Jahr 1970 geborenen Beschwerdeführer am 10. Mai 2006 im Weg der Österreichischen Botschaft Belgrad an den Landeshauptmann von Wien (die Erstbehörde) gerichtete Erstantrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gemäß § 11 Abs. 2 Z. 4 und § 11 Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen.
Der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde in ihrer Begründung - habe gemeinsam mit seiner Frau und seinen beiden Kindern einen Antrag auf Familienzusammenführung mit seiner Mutter, einer österreichischen Staatsbürgerin, gestellt. Seine Mutter habe eine Haftungserklärung, datiert mit 8. Mai 2006, vorgelegt. Aus der Aktenlage sei ersichtlich, dass die Mutter eine Pension in der Höhe von EUR 1.022,30 (Berechnung auf 14 Auszahlungen pro Jahr) beziehe. Nach Abzug des pfändungsfreien Existenzminimums gemäß § 291a Exekutionsordnung (EO) verblieben ihr - ohne Berücksichtigung sonstiger Belastungen - lediglich EUR 208,10 im Monat, um Unterhaltsleistungen für den Beschwerdeführer, seine Ehefrau und die Kinder aufwenden zu können. Es habe somit nicht nachgewiesen werden können, dass die Unterhaltsmittel für den Beschwerdeführer gedeckt seien; daher sei es sehr wahrscheinlich, dass sein Aufenthalt in Österreich zur finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führe.
Da der Aufenthaltstitel "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" nur von einer Person abgeleitet werden könne, könne "konsequenterweise" das Einkommen des Vaters des Beschwerdeführers nicht zum Gehalt seiner Mutter hinzugerechnet werden.
Im Zuge des Berufungsverfahrens sei eine schlecht leserliche Kopie von Teilen eines Sparbuchs der Eltern des Beschwerdeführers vorgelegt worden. Da es sich dabei weder um feste noch um regelmäßige Einkünfte handle, könnten diese nicht herangezogen werden.
Im Rahmen der Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen sei festgestellt worden, dass durch den Aufenthalt der Eltern des Beschwerdeführers im Bundesgebiet familiäre Bindungen in Österreich bestünden. Da es sich jedoch um einen Erstantrag handle und mangels Aufenthaltsrecht in Österreich noch kein Privat- oder Familienleben geführt worden sei, könne im vorliegenden Fall auch nicht von einer Aufrechterhaltung des Privat- oder Familienlebens gesprochen werden. Den öffentlichen Interessen müsse daher gegenüber den privaten Interessen "absolute Priorität" eingeräumt werden, weil der Beschwerdeführer der Behörde keinen Nachweis über die Sicherung seines Lebensunterhaltes erbrachte habe.
Auch eine Prüfung eines unmittelbar vom Gemeinschaftsrecht der EU abgeleiteten allfälligen Aufenthaltsrechtes habe nicht zum gewünschten Erfolg führen können, weil der Beschwerdeführer die in der Richtlinie 2004/38/EG (Freizügigkeitsrichtlinie) festgesetzten Voraussetzungen nicht erfülle.
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der deren Behandlung mit Beschluss vom 14. Dezember 2007, B 2223/07-4, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof mit gesondertem Beschluss vom 6. Februar 2008, B 2223/07-7, zur Entscheidung abgetreten hat. Über die auftragsgemäß ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde hat den beantragten Aufenthaltstitel deshalb versagt, weil die Voraussetzung des § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG, wonach der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft im Sinn des § 11 Abs. 5 NAG (i.d.F. BGBl. I Nr. 157/2005) führen dürfe, nicht gegeben sei.
Der Beschwerdeführer rügt zutreffend, dass die belangte Behörde das Einkommen des Vaters des Beschwerdeführers bei der Berechnung des Haushaltsnettoeinkommens nicht berücksichtigt hat.
Dem "Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für Angehörige" ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer beabsichtigt, mit seinen Eltern im gemeinsamen Haushalt zu leben. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits dargelegt, dass bei einem gemeinsamen Haushalt unter Berücksichtigung der zu versorgenden Personen zu prüfen ist, ob das Haushaltsnettoeinkommen den "Haushaltsrichtsatz" nach § 293 Abs. 1 ASVG (i.d.F. BGBl. I Nr. 532/2006) erreicht. In einer solchen Konstellation ist auf das Existenzminimum des § 291a EO (i.d.F. BGBl. I Nr. 31/2003) nicht Bedacht zu nehmen. Die Existenz des Zusammenführenden ist auch dann gesichert, wenn einem im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepaar der "Haushaltsrichtsatz" zur Verfügung steht und das restliche Haushaltseinkommen zur Unterhaltsleistung des Nachziehenden verwendet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. April 2010, 2008/22/0399, mwN). Dafür, dass im vorliegenden Fall kein Konsens zwischen den Eltern des Beschwerdeführers bestehen könnte, mit dem den "Haushaltsrichtsatz" übersteigenden Einkommen diesen zu unterstützen, gibt es keine Anhaltspunkte.
Im vorliegenden Fall ergibt sich, dass die Mutter des Beschwerdeführers - unbestritten - eine monatliche Nettopension in der Höhe von EUR 1.022,30 bezieht und der Vater des Beschwerdeführers in den Monaten März bis Mai 2007 ein durchschnittliches Nettoeinkommen in der Höhe von EUR 1.843,-- bezogen hat. Dies wäre ausreichend, um sowohl den notwendigen Unterhalt der Eltern (von EUR 1.091,14 gemäß § 293 Abs. 1 lit. a sublit. aa ASVG) sicherzustellen, als auch dem Beschwerdeführer die erforderlichen EUR 726,-- zu verschaffen.
Weiters hat die belangte Behörde verkannt, dass der Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel im Sinn des § 11 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 5 NAG auch durch Spareinlagen in Betracht kommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 2010, 2008/21/0270, mwN). Sollte also das betraglich noch genau festzustellende durchschnittliche Nettoeinkommen des Vaters des Beschwerdeführers nicht ausreichen, um den Gesamtbedarf aus der Pension der Mutter und dem Erwerbseinkommen des Vaters zu decken, wäre zu berücksichtigen, dass der beantragte Aufenthaltstitel gemäß § 20 Abs. 1 NAG für die Dauer von zwölf Monaten auszustellen wäre und das Sparguthaben in der Höhe von über EUR 14.000,-- zur Deckung einer allfälligen Differenz herangezogen werden könnte.
Schließlich hat die Behörde zwar auch auf § 11 Abs. 3 NAG (in der Stammfassung) Bedacht genommen, demzufolge ein Aufenthaltstitel trotz des Fehlens (u.a.) der Voraussetzungen nach § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG erteilt werden kann, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten ist. In der Folge ging sie jedoch mit der (wie gezeigt unrichtigen) Begründung des nicht gesicherten Lebensunterhaltes davon aus, dass den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen "absolute Priorität" einzuräumen sei. Diese Rechtsmeinung steht mit dem Gesetz nicht im Einklang (vgl. dazu nochmals das hg. Erkenntnis vom 15. April 2010, mwN, auf dessen Begründung insoweit gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird).
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 9. September 2010
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