VwGH 2008/22/0425

VwGH2008/22/042515.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der L, vertreten durch die Kindel & Kindel Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Rosenbursenstraße 4, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. Juni 2007, Zl. 316.852/2- III/4/07, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs1 Z4;
NAG 2005 §30 Abs1;
MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs1 Z4;
NAG 2005 §30 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies der Bundesminister für Inneres den Erstantrag der Beschwerdeführerin, einer serbischen Staatsangehörigen, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 11 Abs. 1 Z. 4 iVm § 30 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG ab.

Die Beschwerdeführerin sei zuletzt im Jahr 2006 mit einem von der Österreichischen Botschaft Belgrad ausgestellten Besuchervisum, gültig bis 16. Februar 2007, in das Bundesgebiet eingereist. Am 27. Juni 2006 habe sie einen österreichischen Staatsbürger geheiratet und am 24. August 2006 einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gestellt. Die Beschwerdeführerin habe noch nie über einen Sichtvermerk, eine Aufenthaltsbewilligung oder eine Niederlassungsbewilligung für die Republik Österreich verfügt.

Recherchen der belangten Behörde hätten ergeben, dass die Beschwerdeführerin vom 11. November 2003 bis 30. Juni 2006 an einer näher genannten Adresse in Wien, Türnummer 23, aufrecht gemeldet gewesen sei und seit 21. August 2006 an derselben Adresse auf Türnummer 13-15 gemeldet sei. Ihr Ehemann sei vom 1. Juni 2006 bis 7. Juli 2006 auf Türnummer 23 gemeldet gewesen und sei seit 7. Juli 2006 ebenfalls auf Türnummer 13-15 gemeldet.

Erhebungen vom 8. Jänner 2007 auf Grund des Verdachts des Vorliegens einer Scheinehe hätten ergeben, dass die Wohnung mit Türnummer 13-15 derzeit saniert und daher nicht bewohnt werde. Am selben Tag sei festgestellt worden, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin bei seiner ehemaligen Frau auf Türnummer 16 geduscht habe, während die Beschwerdeführerin mit ihrer Tochter auf Türnummer 23, der Wohnung ihres geschiedenen Mannes, gewohnt habe. Der Ehemann der Beschwerdeführerin habe keine zielführenden Angaben machen können, warum er sich in der Wohnung seiner ehemaligen Ehefrau und nicht bei seiner jetzigen Ehefrau aufgehalten habe. Im Rahmen einer niederschriftlichen Vernehmung habe er das Vorliegen einer Scheinehe bestritten. Die Beschwerdeführerin habe angegeben, dass ihr geschiedener Mann auf Türnummer 23 zwar gemeldet, aber nicht mehr wohnhaft sei. In der Wohnung der Ehefrau hätten sich auch keine persönlichen Sachen oder Dokumente ihres Ehemannes befunden. Es sei ganz offensichtlich, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin auf Türnummer 16 wohne. Eine Befragung anderer Hausparteien habe ergeben, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin der Hausbesorger und seine ehemalige Frau die Hausbesorgerin sei. Der Ehemann der Beschwerdeführerin habe jedoch bei seiner niederschriftlichen Vernehmung bestritten, mit der Hausbesorgerin verheiratet gewesen zu sein.

Die belangte Behörde habe festgestellt, dass die Beschwerdeführerin die Ehe mit dem österreichischen Staatsbürger nur deshalb geschlossen habe, um sich dadurch einen Aufenthaltstitel und einen Befreiungsschein zu verschaffen, eine Anwartschaft auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erlangen und ohne Weiteres Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu haben. Sie habe sich in einem Verfahren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bzw. eines Befreiungsscheins auf diese Ehe berufen, obwohl eine eheliche Lebens-, Vermögens- und Geschlechtsgemeinschaft, sohin ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK, nie geführt worden sei.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 12. Mai 2007 sei gegen die Beschwerdeführerin auf Grund des geschilderten Sachverhaltes ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden, das noch nicht rechtskräftig sei.

Durch das rechtsmissbräuchliche Eingehen einer Ehe werde die öffentliche Ordnung durch den weiteren Aufenthalt des Fremden in Österreich gefährdet. Die in der Berufung vom 14. Februar 2007 getätigte Behauptung, dass es sich um keine Aufenthaltsehe handle und die Beschwerdeführerin nach wie vor mit ihrem Ehemann in aufrechter Ehe lebe, hätten die Feststellungen der belangten Behörde nicht entkräften können. Außerdem seien diese Angaben durch nichts belegt worden; die Aussagen bei der Niederschrift seien von höherer Beweiskraft als die Angaben der Beschwerdeführerin.

Zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin werde angemerkt, dass nur die dargestellten familiären Beziehungen zu Österreich bestünden. Auch in der Berufung hätten keine Gründe vorgebracht werden können, die eine Entscheidung zu Gunsten der Beschwerdeführerin herbeigeführt hätten. Bei Abwägung der öffentlichen Interessen und der privaten Interessen der Beschwerdeführerin im Rahmen des Art. 8 EMRK sei auf Grund des angeführten Sachverhaltes den öffentlichen Interessen Priorität einzuräumen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 11 Abs. 1 NAG id Stammfassung dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nicht erteilt werden, wenn (Z. 4) eine Aufenthaltsehe oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2 NAG) vorliegt. Gemäß § 30 Abs. 1 NAG id Stammfassung dürfen sich Ehegatten, die ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht führen, für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe berufen.

Die Beschwerde wendet sich gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde betreffend die Feststellungen über das Vorliegen einer Aufenthaltsehe und bringt dazu im Wesentlichen vor, die belangte Behörde habe sich nicht ausreichend mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt und insbesondere im Berufungsverfahren keine ergänzende Vernehmung der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes durchgeführt. Aus der Bescheidbegründung gehe nicht in eindeutiger, einer nachprüfenden Kontrolle zugänglicher und schlüssiger Weise hervor, von welchen konkreten Tatsachenfeststellungen die belangte Behörde bei der getroffenen Entscheidung ausgegangen sei.

Dieses Beschwerdevorbringen erweist sich als nicht zielführend, weil die Beschwerdeführerin - abgesehen davon, dass schon in der Berufung kein konkretes Beweisthema für die nochmalige Befragung der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes genannt wurde - auch in der Beschwerde nicht darlegt, auf welche konkreten Umstände die belangte Behörde hätte Bedacht nehmen müssen und welches für sie im gegebenen Zusammenhang günstige Ergebnis die nochmalige Befragung der genannten Personen erbracht hätte. Es ist somit nicht dargetan, welche Relevanz dem behaupteten Verfahrensmangel hätte zukommen können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 2008, 2007/18/0472).

Soweit die Beschwerde die sprachlichen Fähigkeiten der Beschwerdeführerin und die gerichtliche Beeidung und Zertifizierung des beigezogenen Dolmetschers in Zweifel zieht, ist sie auf das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG) zu verweisen.

Auch dem weiteren Beschwerdeeinwand, der bekämpfte Bescheid sei mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet, weil keine konkreten Feststellungen von Seiten der belangten Behörde getroffen worden seien, die die Annahme einer Aufenthaltsehe "logisch nachvollziehbar tragen" könnten, kann nicht gefolgt werden. Die belangte Behörde hat mit ausreichender - wie sich aus dem Beschwerdevorbringen ergibt: auch für die Beschwerdeführerin erkennbarer - Deutlichkeit im angefochtenen Bescheid dargetan, dass sie das Vorliegen einer Aufenthaltsehe im Wesentlichen auf die Ergebnisse der Hauserhebung am 8. Jänner 2007 und die Aussagen anderer Hausparteien stützt, die von der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann im Rahmen der niederschriftlichen Vernehmungen nicht entkräftet werden konnten. Entgegen der Beschwerdeansicht leitete die belangte Behörde das Vorliegen einer Aufenthaltsehe gerade nicht aus den "meldegesetzlichen Fakten" ab. Auch wenn die Wohnungen Türnummer 13-15 und 23 teilweise zusammengelegt wurden, erklärt das nicht, warum sich der Ehemann der Beschwerdeführerin bei seiner ehemaligen Frau auf Türnummer 16 aufgehalten hat und sich in der Wohnung der Beschwerdeführerin weder persönliche Sachen noch Dokumente ihres Ehemannes befunden haben.

Mit dem Beschwerdevorbringen gelingt es somit nicht, eine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung darzutun, sodass von den im angefochtenen Bescheid getroffenen Sachverhaltsfeststellungen zur Schließung einer Aufenthaltsehe auszugehen ist. Auf dieser Basis hat die belangte Behörde aber zu Recht angenommen, dass der Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG vorliegend gegeben ist, und sie hat damit zutreffend die von der Erstbehörde vorgenommene Antragsabweisung bestätigt.

Die Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 15. Juni 2010

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