VwGH 2008/22/0177

VwGH2008/22/017710.11.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Robl, Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des C, vertreten durch Dr. Alexander Lindner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Zelinkagasse 10, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. April 2007, Zl. 148.366/2-III/4/06, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §51;
MRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;
FrPolG 2005 §51;
MRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 6. April 2007 wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) einen am 18. Jänner 2006 beim Landeshauptmann von Wien eingebrachten Antrag des Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Familienangehöriger" gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG ab.

Die belangte Behörde legte dieser Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 2. September 2004 illegal in das Bundesgebiet eingereist sei und zwei Tage darauf einen Antrag auf Gewährung von Asyl gestellt habe; der diesbezügliche negative Bescheid der Behörde erster Instanz sei am 29. Juni 2006 in Rechtskraft erwachsen, nachdem der Beschwerdeführer seine Berufung zurückgezogen habe. Das vorläufige Aufenthaltsrecht "gem. Asylgesetz" habe mit dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens des Beschwerdeführers geendet, der sich somit seit 30. Juni 2006 illegal im Bundesgebiet aufhalte.

Am 21. November 2005 habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet; er sei bis 9. März 2007 bei der A. GmbH beschäftigt gewesen. Der Beschwerdeführer halte sich seit seiner Einreise durchgehend - somit auch bei Stellung des gegenständlichen Antrages und danach - im Bundesgebiet auf.

Die Behörde erster Instanz habe den gegenständlichen Antrag mit Bescheid vom 10. November 2006 (ebenfalls) gemäß § 21 Abs. 1 NAG abgewiesen.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe von § 21 Abs. 1 und 2 sowie §§ 74 und 72 Abs. 1 NAG - im Wesentlichen aus, dass schon § 21 Abs. 1 NAG einer Bewilligung des Antrages entgegenstehe. Hinsichtlich humanitärer Gründe im Sinne des § 72 NAG führte die belangte Behörde u.a. aus, dass die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin allein "noch kein Aufenthaltsrecht nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht" darstelle; die belangte Behörde habe unter Berücksichtigung der Tatsachen, dass die Einreise des Beschwerdeführers illegal erfolgt und er allein wegen seines Asylantrages vorübergehend aufenthaltsberechtigt gewesen sei, keine humanitären Gründe im Sinne des § 72 NAG erkennen können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass der Beschwerdeführer lediglich über ein vorläufiges Aufenthaltsrecht nach asylgesetzlichen Bestimmungen verfügt hat, welches mit rechtskräftiger Beendigung des Asylverfahrens am 29. Juni 2006 endete, und behauptet auch nicht etwa, der Beschwerdeführer hätte nach diesem Zeitpunkt über eine Aufenthaltsberechtigung für das Bundesgebiet verfügt.

Die Auffassung der belangten Behörde, dass es sich bei dem vorliegenden Antrag um einen Erstantrag handle, auf den § 21 Abs. 1 NAG Anwendung finde, ist daher unbedenklich. Dem in der genannten Bestimmung verankerten Grundsatz der Auslandsantragstellung folgend hätte der Beschwerdeführer somit jedenfalls die Entscheidung über den Antrag im Ausland abwarten müssen, zumal auch keiner der Ausnahmetatbestände des § 21 Abs. 2 NAG (in der hier maßgeblichen Stammfassung) vorliegt; dem hat der Beschwerdeführer nach den diesbezüglich unbestrittenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides nicht entsprochen.

Auf die in der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob der Beschwerdeführer rechtmäßig oder rechtswidrig nach Österreich eingereist sei, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

Das Recht, den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland zu stellen und die Entscheidung darüber hier abzuwarten, kommt daher im vorliegenden Fall nur gemäß § 74 NAG (in der hier maßgeblichen Stammfassung) in Betracht. Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG (ebenfalls in der Stammfassung) vor, so ist ungeachtet des Wortlautes des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen, wobei die Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinne dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch (etwa auf Familiennachzug) besteht (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom 9. September 2010, 2008/22/0754, mwN).

Hinsichtlich der nach Art. 8 EMRK vorzunehmenden Interessenabwägung ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der erkennbaren Ansicht der belangten Behörde, die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger stelle keinen besonders berücksichtigungswürdigen Grund im Sinn des § 72 NAG dar, nicht gefolgt werden kann. Vielmehr ist der familiären Bindung an einen österreichischen Ehepartner grundsätzlich großes Gewicht beizumessen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. September 2010, 2008/22/0313, mwN).

Allerdings reichen im vorliegenden Fall die in einer Gesamtbetrachtung zu beurteilenden Bindungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nicht aus, um dessen Recht auf eine Antragstellung im Inland gemäß §§ 72, 74 NAG zu bejahen: Dazu ist insbesondere auf die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Inland von nur etwa zweieinhalb Jahren und darauf hinzuweisen, dass dieser Aufenthalt seit Juni 2006 unrechtmäßig ist (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 9. September 2010, 2008/22/0313, mwN). Die Beschwerde wendet sich darüber hinaus auch nicht gegen die behördliche Feststellung, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr in einem Beschäftigungsverhältnis stand (vgl. demgegenüber den dem hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2010, 2008/22/0287, zugrunde liegenden Sachverhalt).

Die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers, wonach die belangte Behörde diesen über dessen Recht, einen Antrag gemäß § 51 FPG zu stellen, hätte aufklären müssen, ist schon deshalb nicht berechtigt, weil die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine aufenthaltsbeendende Maßnahme angeordnet hat.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 10. November 2010

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