VwGH 2008/22/0007

VwGH2008/22/000718.3.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des V, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. November 2007, Zl. 142.625/3-III/4/06, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §47 Abs2;
FrG 1997 §49 Abs1;
MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs2 Z1;
NAG 2005 §11 Abs4 Z1;
NAG 2005 §21 Abs1;
FrG 1997 §47 Abs2;
FrG 1997 §49 Abs1;
MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs2 Z1;
NAG 2005 §11 Abs4 Z1;
NAG 2005 §21 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, vom 21. Dezember 2005 auf Erteilung eine Niederlassungsbewilligung gemäß § 21 Abs. 1 und § 11 Abs. 2 Z 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) ab.

Die belangte Behörde stellte dazu fest, dass der Beschwerdeführer am 4. März 2003 eingereist sei und die Gewährung von Asyl beantragt habe. Der Asylantrag sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19. Mai 2003 "sowohl gemäß § 7 als auch § 8 AsylG" abgewiesen worden. Am 13. Mai 2004 habe der Beschwerdeführer vorerst die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den Aufenthaltszweck "Ausbildung" beantragt. Nachdem er am 16. Dezember 2005 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet habe, habe er den gegenständlichen Antrag gestellt, der nach dem NAG als auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gerichtet zu werten sei. Die Berufung gegen die Abweisung seines Asylantrages habe er zurückgezogen. Die am 18. Juli 2005 geborene Tochter sei am 23. September 2005 verstorben.

Der Beschwerdeführer sei am 13. April 2007 wegen Gebrauchs einer falschen oder verfälschten Urkunde und Fälschung besonders geschützter Urkunden zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden.

Da der Beschwerdeführer weder seinen Antrag im Ausland eingebracht noch die Entscheidung darüber im Ausland abgewartet habe, stehe das Erfordernis der Auslandsantragstellung nach § 21 Abs. 1 NAG einer Bewilligung des gegenständlichen Antrages entgegen.

Besonders berücksichtigungswürdige Gründe im Sinn des § 72 Abs. 1 NAG habe der Beschwerdeführer im Verfahren nicht releviert und es habe die Behörde solche Gründe nicht erkennen können. Somit sei die Inlandsantragstellung nicht gemäß § 74 NAG von Amts wegen zugelassen worden.

Ein längerer unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet rechtfertige die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und es sei der Beschwerdeführer über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz hinaus unrechtmäßig in Österreich geblieben und habe unerlaubt unselbständige Erwerbstätigkeiten ausgeübt bzw. Arbeitslosengeld bezogen. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers gefährde die öffentliche Ordnung und widerstreite deshalb öffentlichen Interessen im Sinn des § 11 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 4 Z 1 NAG.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass die belangte Behörde zu Recht das NAG auf den gegenständlichen Fall angewendet hat, auch wenn der Antrag vor Inkrafttreten des NAG (1. Jänner 2006) gestellt wurde (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2009, 2008/22/0863). Im Blick auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides war die Rechtslage des NAG idF BGBl. I Nr. 99/2006 maßgeblich.

Entgegen der Beschwerdeansicht vermochte seine Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin dem Beschwerdeführer auch nach dem damals geltenden Fremdengesetz 1997 nicht automatisch ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu verschaffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 2008, 2006/18/0490). Da er unbestritten Österreich nach Antragstellung nicht verlassen und somit die Entscheidung über seinen Antrag nicht im Ausland abgewartet hat und überdies ein Ausnahmetatbestand des § 21 Abs. 2 NAG nicht in Betracht kommt, folgerte die belangte Behörde zu Recht, dass das Erfordernis der Auslandsantragstellung des § 21 Abs. 1 NAG der Bewilligung des gegenständlichen Antrages entgegenstehe.

Das Recht, den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland zu stellen und die Entscheidung darüber hier abzuwarten, kommt daher im vorliegenden Fall nur gemäß § 74 NAG in Betracht. Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG vor, ist ungeachtet des Wortlautes des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen, wobei die Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch (etwa auf Familiennachzug) besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 2008, 2008/22/0265 bis 0267).

In der Beschwerde wird der belangten Behörde vorgeworfen, dass sie keine Interessenabwägung nach § 72 NAG vorgenommen habe. Es erweist sich zwar die diesbezügliche Bescheidbegründung als unrichtig, dass der Beschwerdeführer im Verfahren keine Gründe im Sinn des § 72 NAG releviert habe, hat er doch auf seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin verwiesen. Weiters hat der Beschwerdeführer vorgebracht, dass es seiner österreichischen Ehefrau nicht zumutbar sei, ihre gesicherte Existenz in Österreich aufzugeben.

Es kann allerdings nicht als rechtswidrig erkannt werden, dass sich die belangte Behörde nicht in der Lage gesehen hat, die Inlandsantragstellung gemäß § 74 NAG zuzulassen. Sie durfte die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK zu Lasten des Beschwerdeführers vornehmen. Dieser kann zwar auf seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin verweisen, hielt sich jedoch bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides weniger als fünf Jahre im Bundesgebiet auf, verblieb nach Zurückziehung der Berufung gegen den ablehnenden Asylbescheid unrechtmäßig im Inland und kann eine berufliche Integration nicht vorweisen. Darüber hinaus steht durch die rechtskräftige Verurteilung fest, dass er auch gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen hat. In Gesamtbetrachtung dieser Umstände erweist sich somit die Abweisung seines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels unter Heranziehung des § 21 Abs. 1 NAG nicht als rechtswidrig.

Da es somit nicht der Heranziehung des Fehlens der Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 4 Z 1 NAG bedurfte, kommt dem Verfahrensmangel keine maßgebliche Bedeutung zu, dass die belangte Behörde diesbezüglich keine Feststellungen über das konkrete strafbare Verhalten des Beschwerdeführers getroffen hat (vgl. zu diesem Erfordernis etwa das hg. Erkenntnis vom 9. Juli 2009, 2009/22/0107, mwN).

Die Beschwerde weist zwar zutreffend darauf hin, dass ein Aufenthaltstitel dann zu erteilen wäre, wenn aus Gründen des Art. 8 EMRK eine Ausweisung unzulässig ist. Daraus lässt sich jedoch für den vorliegenden Fall nichts gewinnen, ist doch erstmals im vorliegenden Verfahren bescheidmäßig eine Überprüfung nach Art. 8 EMRK vorzunehmen gewesen.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 18. März 2010

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