VwGH 2008/18/0341

VwGH2008/18/034125.2.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger, den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der B in Wien, geboren am 10. Februar 1976, vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei Galanda & Oberkofler in 1120 Wien, Arndtstraße 87/12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. Februar 2008, Zl. E1/189.740/2007, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs2;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs2;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 19. Februar 2008 wurde die Beschwerdeführerin, eine ägyptische Staatsangehörige, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin sei eigenen Angaben zufolge am 1. Februar 2006 mit einem gültigen Schengenvisum C in das Bundesgebiet eingereist und nach Ablauf des Visums unerlaubt im Bundesgebiet verblieben. Am 27. April 2006 habe sie einen von ihrem österreichischen Ehemann abgeleiteten Erstantrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zum Zweck "Familienangehöriger" gestellt, der im Instanzenzug rechtskräftig abgewiesen worden sei. Derzeit sei beim Verfassungsgerichtshof diesbezüglich eine Beschwerde anhängig, wobei dem Antrag auf aufschiebende Wirkung keine Folge geleistet worden sei.

Der Aufenthalt der Beschwerdeführerin sei seit dem Ablauf ihres bis 15. Mai 2006 gültigen Touristenvisums unrechtmäßig, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung der Ausweisung - vorbehaltlich der Bestimmung des § 66 Abs. 1 FPG - im Grunde des § 53 Abs. 1 leg. cit. gegeben gewesen seien.

Die Beschwerdeführerin sei nach der unbestrittenen Aktenlage verheiratet und habe keine Sorgepflichten. Weitere familiäre Bindungen zum österreichischen Bundesgebiet seien weder behauptet worden noch aktenkundig. Im Hinblick auf den etwas mehr als zweijährigen (jedoch fast zur Gänze unrechtmäßigen) Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet sei von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in ihr Privat- und Familienleben auszugehen. Dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten sei. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses Interesse verstoße der nicht bloß kurzfristige unrechtmäßige Aufenthalt im Anschluss an ein abgelaufenes Touristenvisum jedoch gravierend. Dazu komme, dass die Beschwerdeführerin unter den gegebenen Umständen rechtens nicht in der Lage sei, ihren Aufenthalt in Österreich vom Inland aus zu legalisieren. Die Erlassung der Ausweisung sei daher dringend geboten und sohin zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG.

Mangels besonderer, zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände habe die belangte Behörde keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

Im Übrigen sei die Diabeteserkrankung des Ehegatten der Beschwerdeführerin nicht geeignet, einen solchen besonderen Umstand zu bewirken.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bekämpft nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, wonach dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung im Zusammenhang mit der beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde gegen die Ablehnung ihres Erstantrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck "Familienangehöriger" nicht stattgegeben wurde und der Aufenthalt der Beschwerdeführerin nach Ablauf ihres Visums am 15. Mai 2006 unrechtmäßig ist. Da sich die Beschwerdeführerin somit nicht rechtmäßig im Sinn des § 31 FPG im Bundesgebiet aufhält, bestehen gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keine Bedenken.

2. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid unter dem Blickwinkel eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens und bringt vor, die belangte Behörde hätte feststellen müssen, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Ehemann, einem österreichischen Staatsbürger, im gemeinsamen Haushalt lebe und eine Einstellungszusage bei einem näher genannten Unternehmen als Küchengehilfin habe. Der Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin sei durch das monatliche Einkommen des Ehemannes in Höhe von EUR 306,34 gesichert. Der Ehemann sei zuckerkrank und könne daher nur einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen. Darüber hinaus erhalte er Wohnbeihilfe und Sozialhilfe. Die Beschwerdeführerin sei bei ihrem Ehemann mitversichert und lebe mit ihm in einer Hauptmietwohnung. Auf Grund der Erkrankung des Ehemannes sei dieser auf den Beistand und die Unterstützung der Beschwerdeführerin angewiesen. Da die höchstgerichtliche Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels noch nicht vorliege, sei die Legalisierung ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet möglich.

Die beschriebenen Umstände sind allenfalls für die Beurteilung eines gemäß § 21 Abs. 1 NAG im Ausland gestellten Antrages auf Erteilung einer (humanitären) Niederlassungsbewilligung von Bedeutung, sie führen aber nur bei Erfüllung weiterer unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK bedeutsamer Voraussetzungen dazu, dass die Beschwerdeführerin ihren Aufenthalt vom Inland aus legalisieren könnte. Einem im Inland gestellten Antrag auf Erteilung einer (humanitären) Niederlassungsbewilligung könnte nur bei Vorliegen solcher humanitärer Gründe stattgegeben werden, die eine rasche bzw. sofortige Familienzusammenführung zur Abwendung eines unzulässigen Eingriffs in ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Privat- und Familienleben erfordern. Liegen die Voraussetzungen für eine rasche bzw. sofortige Erteilung einer (humanitären) Niederlassungsbewilligung zur Hintanhaltung einer gegen Art. 8 EMRK verstoßenden Wartezeit vor, so würde das sowohl eine Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 FPG iVm § 66 Abs. 1 FPG unzulässig machen, als auch einen im Inland gestellten Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung zum Erfolg führen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. November 2009, Zl. 2009/18/0414, mwN).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 Abs. 1 FPG (i.d.F. vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) berücksichtigt, dass die Beschwerdeführerin verheiratet ist, jedoch keine Sorgepflichten und auch keine weiteren familiären Bindungen zum österreichischen Bundesgebiet hat. Dennoch hat sie - zutreffend - einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin angenommen. Die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes von (nur) etwas mehr als zwei Jahren resultierenden persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin sind jedoch an Gewicht zu relativieren, weil dieser Aufenthalt seit 16. Mai 2006 unrechtmäßig ist.

Diesen somit nicht besonders ausgeprägten persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass sie sich zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides schon etwa 20 Monate unrechtmäßig in Österreich aufhielt, was eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, darstellt. In Anbetracht dieser Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten und somit unter dem Gesichtspunkt des § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, keinem Einwand. Daran vermag auch die von der Beschwerdeführerin vorgelegte Einstellungszusage nichts zu ändern.

3. Soweit die Beschwerde auf die Erkrankung des Ehemannes hinweist und vorbringt, dieser sei "auf den Beistand und die Unterstützung der Beschwerdeführerin angewiesen", ist ihr entgegenzuhalten, dass während des Verwaltungsverfahrens nicht vorgebracht wurde, dass der Ehemann einer Pflege bedürfe und eine solche nur von der Beschwerdeführerin erbracht werden könnte. Im Übrigen ist ein Pflegebedarf auch dem im Verwaltungsakt befindlichen Schreiben der Krankenanstalt Rudolfstiftung vom 12. März 1999 nicht zu entnehmen. Vielmehr geht daraus hervor, dass der Patient im Stande sei, Blutzucker zu messen und Insulin zu spritzen. Damit wurde kein Umstand geltend gemacht, der die persönliche, für den Verbleib in Österreich sprechende Interessenlage der Beschwerdeführerin maßgeblich verstärken könnte.

Auf dem Boden des Gesagten erweist sich die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe den ihrer Entscheidung zu Grunde liegenden maßgebenden Sachverhalt - etwa durch Vernehmung der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes - nicht ausreichend festgestellt, als nicht zielführend. Da ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde nicht durchgeführt wurde, geht auch die Verfahrensrüge des unterlassenen Parteiengehörs ins Leere.

4. Wenn die Beschwerdeführerin der belangten Behörde einen an Willkür grenzenden Ermessensmissbrauch vorwirft, ist ihr zu entgegnen, dass weder aus der Beschwerde noch aus den Verwaltungsakten besondere Umstände ersichtlich sind, die für eine Ermessensübung zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprächen.

5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 25. Februar 2010

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