Normen
ÄrzteG 1998 §10 Abs3;
ÄrzteG 1998 §8 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ZDG 1986 §13 Abs1 Z2;
ÄrzteG 1998 §10 Abs3;
ÄrzteG 1998 §8 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ZDG 1986 §13 Abs1 Z2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der (im Jahr 1982 geborene) Beschwerdeführer wurde bei der Stellung vom 8. November 2000 erstmals für tauglich befunden und ist seit Juli 2001 zivildienstpflichtig (Bescheid vom 12. Juli 2001). Zunächst war ihm über seinen Antrag vom 11. Feber 2003 mit Bescheid der Zivildienstverwaltungs Ges.m.b.H. vom 27. Mai 2003 gemäß § 14 Abs. 2 ZDG der Antritt des ordentlichen Zivildienstes bis längstens 15. August 2007 aufgeschoben worden, um ihm die "Hochschulausbildung" (Studium der Humanmedizin) zu ermöglichen. Über seinen Antrag vom 8. August 2005 wurde er sodann mit Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom 13. Oktober 2005 befristet bis 31. Juli 2008 gemäß § 13 Abs. 1 Z. 2 ZDG von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes mit der wesentlichen Begründung befreit, er habe wirtschaftliche Interessen geltend gemacht, mit der Befreiung werde ihm die Möglichkeit eingeräumt, in der festgesetzten Frist seine wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse auf einen absehbaren Zeitraum hin zu planen. Der Beschwerdeführer habe dargelegt, dass die Beschäftigung als Turnusarzt im Evangelischen Krankenhaus für seine weitere berufliche Zukunft maßgeblich sei, somit seine Existenzgrundlage bilde. Die Behörde komme daher zum Schluss, dass diese wirtschaftlichen Interessen im Vordergrund stünden.
Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Mit Schreiben vom 4. März 2008 beantragte der Beschwerdeführer die "Verlängerung meines Antrages auf befristete Befreiung vom Zivildienst" und führte im Wesentlichen aus, er befinde sich zur Zeit in der Facharztausbildung für Neurologie, welche voraussichtlich 2012 abgeschlossen werde. Die seinerzeitige Befreiung sei ihm auf Grund seines Arbeitsvertrages im Evangelischen Krankenhaus Wien, Abteilung Innere Medizin, gewährt worden. Da jedoch die Ausbildung zum Neurologen einen Wechsel zwischen den verschiedenen Stationen und Spitälern vorsehe, könne der seinerzeitige Arbeitsvertrag zur Einschätzung der Ausbildungszeit nicht herangezogen werden. Der Beschwerdeführer sei auf die ihm zugesicherte Assistenzarztstelle angewiesen. Im Hinblick auf den Ärzteüberschuss in Wien und da in Wien keine freien Stellen zur Verfügung stünden, wären die Folgen der nunmehrigen Leistung des Zivildienstes für ihn existenzbedrohend, umso mehr als er auch von seinen Eltern keine finanzielle Unterstützung bekomme.
Die erstinstanzliche Behörde forderte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 7. Mai 2008 auf, die zum Beweis seines Vorbringens dienlichen (näher bezeichneten) Unterlagen vorzulegen.
Der Beschwerdeführer legte in der Folge eine Bestätigung der KFA der Bediensteten der Stadt Wien vom 12. Juni 2008, eine Bestätigung des Klinikums Bernburg gGmbH (Deutschland) vom 30. April 2006 samt Arbeitsbescheinigung, aus welcher hervorgeht, dass er von 1. September 2007 bis 30. April 2008 als Assistenzarzt an der neurologischen Klinik in diesem Klinikum gearbeitet habe, und einen Dienstvertrag, abgeschlossen zwischen der Stadt Wien (MA 2) und ihm, vom 2. Mai 2008 vor, aus welchem hervorgeht, dass er ein Dienstverhältnis beginnend mit 2. Mai 2008 auf "bestimmte Zeit, und zwar bis 01.05.2011" eingegangen ist.
Mit Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom 5. August 2008 wurde der Antrag des Beschwerdeführers mit der wesentlichen Begründung abgewiesen, dem Beschwerdeführer sei bis 31. Juli 2008 die Befreiung gewährt worden, damit er bis dahin seine wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse so gestalten könne, um den Zivildienst ableisten zu können. Der Beschwerdeführer sei jedoch seiner Harmonisierungsverpflichtung nicht nachgekommen, sondern habe in Kenntnis, dass er den Zivildienst leisten müsse, berufliche Dispositionen getroffen und sei neue Verpflichtungen eingegangen (habe einen neuen Dienstvertrag abgeschlossen). Die daraus entstandenen wirtschaftlichen Interessen seien nicht als rücksichtswürdig im Sinne des Zivildienstgesetzes anzusehen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde gemäß § 13 Abs. 1 Z. 2 ZDG seine Berufung ab. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, es habe jeder Zivildienstpflichtige in Kenntnis der noch vor ihm liegenden Dienstleistungsverpflichtung die Planung und Gestaltung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Belange im Interesse einer Harmonisierung mit der Verpflichtung zur Zivildienstleistung so einzurichten, dass für den Fall der Zuweisung vorhersehbare Schwierigkeiten vermieden werden.
Mit Zustellung des Bescheides über die Feststellung der Zivildienstpflicht sei dem Beschwerdeführer bekannt gewesen, dass er den Zivildienst werde leisten müssen. Es wäre ihm freigestanden, seine Lebensumstände entsprechend zu gestalten, um die nachteiligen Auswirkungen durch eine Ableistung des Zivildienstes so gering wie möglich zu halten. Zudem sei der Beschwerdeführer bereits von der Verpflichtung zur Leistung des Zivildienstes bis 31. Juli 2008 befreit worden, um für seine wirtschaftlichen Angelegenheiten vorzusorgen. Ungeachtet dessen sei er weitere Verpflichtungen eingegangen und habe den in Rede stehenden Dienstvertrag abgeschlossen. Dies zeige nach Ansicht der belangten Behörde eine Verletzung der bestehenden Harmonisierungspflicht. Da die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Umstände die Folge der Verletzung dieser Verpflichtung seien, seien sie nicht als rücksichtswürdig im Sinne des § 13 Abs. 1 ZDG anzusehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde geltend macht, eine Unterbrechung seiner Facharztausbildung würde eine außergewöhnliche Härte darstellen, und damit offensichtlich die Bestimmungen eines Aufschubes des Zivildienstes (§ 14 ZDG) im Auge hat. Sache des Berufungsverfahrens war jedoch entsprechend dem von ihm gestellten Antrag hinsichtlich einer "(Verlängerung der) befristeten Befreiung" und dem Spruch des erstinstanzlichen Bescheides lediglich die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes. Eine Grundlage dafür, den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag in einen Antrag auf Aufschub des Zivildienstes umzudeuten, bestand nicht.
Gemäß § 13 Abs. 1 Z. 2 ZDG hat der Bundesminister für Inneres den Zivildienstpflichtigen auf seinen Antrag von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes zu befreien, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. März 2008, Zl. 2008/11/0011, mit weiteren Nachweisen) sind die Zivildienstpflichtigen - wie die Wehrpflichtigen - gehalten, ihre wirtschaftlichen Dispositionen so zu treffen, dass für den Fall der Zuweisung - bzw. Einberufung - zur Ableistung des Dienstes voraussehbare Schwierigkeiten vermieden und nicht durch die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit solche Schwierigkeiten erst geschaffen werden. Unterlässt es der Betreffende, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der von ihm zu erwartenden Dienstleistungsverpflichtung zu harmonisieren, so können die daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig im Sinne der die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Dienstes regelnden Bestimmungen angesehen werden. Sind wirtschaftliche Schwierigkeiten die Folge der Verletzung dieser so genannten "Harmonisierungspflicht", können sie als Grundlage für die Befreiung nicht herangezogen werden (vgl. zudem etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Juli 2009, Zl. 2008/11/0145, mit weiterem Hinweis).
Der Beschwerdeführer hat in seinem Antrag vom 4. März 2008 vorgebracht, dass er sich in der Ausbildung zum Facharzt für Neurologie befinde, welche voraussichtlich 2012 abgeschlossen sein werde, dass in Wien keine freien Stellen zur Verfügung stünden, er im Fall des Verlustes der Ausbildungsstelle - durch Ableistung des Zivildienstes - keine Stelle mehr bekommen würde und dies nicht nur für seine Ausbildung nachteilige Folgen hätte, sondern die Folgen für ihn auch wirtschaftlich existenzbedrohend seien. In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid verwies er ferner darauf, dass für ihn die Absolvierung des Zivildienstes vor Beginn der Facharztausbildung nicht möglich gewesen sei, weil ihm die Ausbildungsstelle zugesagt worden sei und er bei Ablehnung dieser Stelle keinen Ausbildungsplatz mehr bekommen hätte. Die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses würde zur Folge haben, dass eine weitere Anstellung unmöglich sei, was mit sich bringen würde, dass er eine Facharztausbildung in Österreich nicht absolvieren könnte. Es treffe ihn keine Verletzung der Harmonisierungspflicht, weil er keine andere Wahl gehabt habe, als den aktuellen Dienstvertrag zu unterschreiben. Er hob - wie schon vor der erstinstanzlichen Behörde - die existenzbedrohenden ("fatalen") Folgen einer Unterbrechung seiner Ausbildung hervor.
In der Beschwerde wird geltend gemacht, dass ihm die Ableistung des Zivildienstes vor Beginn der Facharztausbildung nicht möglich gewesen und die Ausbildung des Beschwerdeführers zum Facharzt für die weitere berufliche Zukunft maßgeblich sei, somit die Existenzgrundlage des Beschwerdeführers darstelle, die im Hinblick auf die langen Wartezeiten für einen Ausbildungsplatz und die Unmöglichkeit, nach Ableistung des Zivildienstes einen Arbeitsplatz erlangen und seine Ausbildung abschließen zu können, gefährdet wäre.
Im Hinblick auf § 13 Abs. 1 ZDG ist entscheidend, ob im Beschwerdefall besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen vorliegen, die geeignet sind, eine (hier: befristete, einem Aufschub gleichkommende) Befreiung von der Verpflichtung zur Ableistung des Zivildienstes zu begründen. Der belangten Behörde kann nicht ohne weiteres in ihrer Auffassung gefolgt werden, dies sei schon deshalb zu verneinen, weil der Beschwerdeführer das ihm (seiner Behauptung zufolge zur praktischen Ausbildung zum Facharzt) angebotene Dienstverhältnis wegen der ihn treffenden "Harmonisierungspflicht" nicht hätte eingehen dürfen.
Nach § 8 Abs. 1 ÄrzteG ist Voraussetzung der Berufsausübung als Facharzt u.a. eine mindestens sechsjährige praktische Ausbildung an einer anerkannten Ausbildungsstätte. Diese Berufsausübung ist somit nur jenen zugänglich, die eine Ausbildungsstelle (vgl. § 10 Abs. 3 ÄrzteG) an einer anerkannten Ausbildungsstätte erlangen und dort die vorgeschriebene praktische Ausbildung zurücklegen können. Es ist notorisch, dass die Anzahl der Bewerber jene der Ausbildungsstellen bei weitem übersteigt und es (daher) nicht nur zu beträchtlichen Wartezeiten, sondern in vielen Fällen auch zur Abstandnahme von der ursprünglich angestrebten Facharztausbildung kommt. Davon ausgehend kann dem Beschwerdeführer, dem im Hinblick auf die zunächst begonnene Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes gewährt worden war, nicht entgegen gehalten werden, das geltend gemachte Interesse an Fortsetzung und Abschluss seiner Ausbildung zum Facharzt begründe schon deshalb kein besonders rücksichtswürdiges wirtschaftliches Interesse im Sinne des § 13 Abs. 1 ZDG, weil er mit dem Abschluss des Ausbildungsvertrages gegen seine "Harmonisierungspflicht" verstoßen hätte, zumal dann, wenn die Behauptung des Beschwerdeführers zutrifft, dass zu einem späteren Zeitpunkt mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Ausbildungsstelle zur Verfügung gestanden wäre. Hingegen könnte das Vorliegen besonders rücksichtswürdiger wirtschaftlicher Interessen verneint werden, wenn - etwa im Hinblick auf den Abschluss eines Ausbildungsvertrages für die gesamte Dauer der Ausbildung - sichergestellt wäre, dass der Beschwerdeführer seine praktische Ausbildung zum Facharzt nach Ableisten des Zivildienstes fortsetzen und abschließen kann. Angesichts der gegenteiligen, von ihr zu Unrecht als unbeachtlich gewerteten Behauptungen des Beschwerdeführers wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, den Beschwerdeführer anzuleiten, seine Behauptung glaubhaft zu machen, dass die Ableistung des Zivildienstes die Beendigung des Ausbildungsverhältnisses vor Abschluss der praktischen Ausbildung zur Folge hätte und deren Fortsetzung nach Ableistung des Zivildienstes nicht gesichert wäre, und entsprechende Feststellungen zu treffen.
Die belangte Behörde hat somit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs, 2 Z. 3 lit. b und lit. c VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die bereits im Pauschalsatz für Schriftsatzaufwand enthaltene Umsatzsteuer.
Wien, am 18. Mai 2010
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