Normen
AVG §8;
BauO Tir 2001 §25 Abs3;
BauRallg;
ROG Tir 2006 §41 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §8;
BauO Tir 2001 §25 Abs3;
BauRallg;
ROG Tir 2006 §41 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Innsbruck hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Stadtmagistrat der Landeshauptstadt Innsbruck erteilte - ohne Durchführung einer Verhandlung - den Beschwerdeführern mit Bescheid vom 4. September 2007 die baurechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Lagerraumes auf dem als Freiland-Wirtschaftswald gewidmeten Grundstück Nr. 3232/6, KG H. Dieser Bescheid wurde dem mitbeteiligten Nachbar nicht zugestellt.
Der Mitbeteiligte stellte mit der Eingabe vom 29. Juni 2008 an den Stadtmagistrat den Antrag, seine Parteistellung als Eigentümer des dem Baugrundstück unmittelbar benachbarten Grundstückes 3232/1, KG H., anzuerkennen.
Die erstinstanzliche Behörde stellte darauf dem Mitbeteiligten den erstinstanzlichen Bescheid zu.
Der Mitbeteiligte erhob dagegen Berufung, in der er wörtlich ausführte:
"Wie die Magistratsabteilung II als Forstbehörde zwischenzeitig festgestellt hat, erfolgte die Rodung durch ... (Beschwerdeführer) auf jener Fläche, wo nun die Errichtung eines landwirtschaftlichen Lagerraumes bewilligt wurde, zu Unrecht.
Damit handelt es sich bei dieser Fläche also nicht um 'Freiland', wie im angefochtenen Bescheid ausgeführt, sondern nach wie vor um 'Wald', und zwar sogar um 'Schutzwald' der vor allem auch dem Lawinenschutz dient, daneben besteht aber auch - wie im angeschlossenen Schreiben der Magistratsabteilung II der Stadt Innsbruck vom 18. Juni 2008 ausgeführt - ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Erhaltung dieses Waldes, der insbesondere auch Naherholungszwecken zu dienen hat.
Deshalb wurde auch von der Forstbehörde ein absolutes Rodungsverbot festgestellt, um sicherzustellen, dass der Wald dort erhalten bleibt beziehungsweise wieder aufgeforstet werden muss, woraus zwingend folgt, dass auch ein absolutes Bauverbot für diese Fläche besteht.
Durch die illegale Rodung von 'Schutzwald' und Wald, der in einem 'besonderen öffentlichen Interesse' steht, bin auch ich als unmittelbarer Grundnachbar in meinen Rechten nachhaltig beeinträchtigt.
Abgesehen davon ist auch in keiner Weise erkennbar, welche
Art Landwirtschaft das Ehepaar ... (Beschwerdeführer) dort zu
betreiben beabsichtigt, wobei auch der zwischenzeitig errichtete 'landwirtschaftliche Lagerraum' überhaupt nicht erkennen lässt, solchen Zwecken dienlich zu sein. Vielmehr beherbergt er schon jetzt offensichtlich Gerätschaften für eine künftige Bauführung auf dieser Fläche, wie die im letzten Winter aufgenommenen drei Photos, die dieser Berufung angeschlossen sind, erahnen lassen.
Es wird daher beantragt, den oben zitierten Bescheid gänzlich
aufzuheben und ... (den Beschwerdeführern) aufzutragen den
angeblichen 'landwirtschaftlichen Lagerraum' abzutragen, damit die vom Forstamt aufzutragende Wiederaufforstung vollständig durchgeführt werden kann."
Die belangte Behörde gab dieser Berufung mit dem angefochtenen Bescheid Folge und änderte die erstinstanzliche Entscheidung unter Bedachtnahme auf § 2 Abs. 10 und § 3 Abs. 1 Tiroler Bauordnung 2001 und § 41 Abs. 2 Tiroler Raumordnungsgesetz 2006 dahin ab, dass der Antrag auf Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Stadels in Holzbauweise abgewiesen wurde. Sie führte dazu im Wesentlichen aus, dass die Ortsüblichkeit eines Stadels in Holzbauweise - wie sich dies aus dem Gutachten des Stadtplanungsamtes vom 25. Juni 2007 eindeutig und nachvollziehbar ergebe - im vorliegenden Fall nicht gegeben sei. Weiters sei dabei grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen. Es liege auch - entgegen der Annahme der erstinstanzlichen Behörde - kein Nebengebäude vor. Der näher bezeichneten Mappendarstellung sei zu entnehmen, dass sich das Hauptgebäude auf dem Grundstück Nr. 3232/6, der beantragte landwirtschaftliche Lagerraum hingegen auf Grundstück Nr. 3233, beide KG H., befinde. Die Grundteilung, wonach der Bauplatz dem Grundstück Nr. 3232/1 zugeschrieben werde, habe mangels Vorliegen der notwendigen forstrechtlichen Voraussetzungen grundbücherlich nicht durchgeführt werden können. Das Nebengebäude könne damit nicht auf dem selben Grundstück wie das Hauptgebäude errichtet werden und liege damit ein eigenständig zu beurteilendes Gebäude vor. Zudem sei die Baubehörde an den Antrag der Beschwerdeführer gebunden, die nicht ein Nebengebäude, sondern die Errichtung eines ortsüblichen Stadels in Holzbauweise beantragt hätten.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie der Mitbeteiligte - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im vorliegenden Beschwerdefall war die Tiroler Bauordnung 2001, LGBl. Nr. 94 (TBO 2001), in der Fassung LGBl. Nr. 73/2007 anzuwenden.
Gemäß § 2 Abs. 10 erster Satz TBO 2001 sind Nebengebäude Gebäude, die auf Grund ihres Verwendungszweckes einem auf dem selben Grundstück befindlichen Gebäude funktionell untergeordnet und nicht für Wohnzwecke bestimmt sind, wie Garagen, Geräteschuppen, Gartenhäuschen udgl.
Gemäß § 20 Abs. 1 lit. a TBO 2001 bedarf, soweit sich aus den Abs. 2 und 3 nichts anderes ergibt, u.a. der Neubau von Gebäuden einer Baubewilligung.
Gemäß Abs. 2 lit. d dieser Bestimmung ist die Errichtung und Änderung von ortsüblichen Städeln in Holzbauweise, die landwirtschaftlichen Zwecken dienen, anzeigepflichtig.
Gemäß § 25 Abs. 1 TBO 2001 sind Parteien im Bauverfahren der Bauwerber und die Nachbarn.
Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung sind u.a. die Eigentümer der Grundstücke, die unmittelbar an den Bauplatz angrenzen, Nachbarn im Bauverfahren. Diese Nachbarn können gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:
"a) der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit
damit ein Immissionsschutz verbunden ist;
b) der Bestimmungen über den Brandschutz;
c) der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich
der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der
Bauhöhe;
d) der Abstandsbestimmungen des § 6;
e) im Fall, dass ein allgemeiner Bebauungsplan und ein
ergänzender Bebauungsplan oder ein Bebauungsplan mit den Festlegungen des allgemeinen und des ergänzenden Bebauungsplanes nicht bestehen, das Fehlen der Voraussetzungen nach § 55 Abs. 1 oder § 113 Abs. 1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001."
Gemäß § 26 Abs. 3 TBO ist das Bauansuchen u.a. ohne weiters abzuweisen, wenn das Bauvorhaben dem Flächenwidmungsplan widerspricht.
Gemäß § 41 Abs. 2 Tir. Raumordnungsgesetz 2006 (TROG 2006), LGBl. Nr. 27, dürfen im Freiland nur ortsübliche Städel in Holzbauweise, die landwirtschaftlichen Zwecken dienen, Bienenhäuser in Holzbauweise mit höchstens 20 m2 Nutzfläche sowie Nebengebäude und Nebenanlagen errichtet werden.
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall (gravierend mangelhafte Ermittlung des Sachverhaltes durch die erstinstanzliche Behörde), sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, VwSlg. Nr. 10.317/A, zu § 66 Abs. 4 AVG 1950 ausgesprochen, in Fällen eines eingeschränkten Mitspracherechtes einer Partei ergebe sich daraus nicht, dass auf Grund der von ihr eingebrachten Berufung über den Themenkreis hinausgegangen werden könne, in dem sie mitzuwirken berechtigt sei. Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG 1950 sei ausschließlich jener Bereich, in welchem dem Berufungswerber ein Mitspracherecht zustehe. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt diese Auffassung in Bezug auf den Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in ständiger Rechtsprechung (vgl. Hauer, Der Nachbar im Baurecht6, S 168f).
Der Mitbeteiligte war als dem Baugrundstück unmittelbar benachbarter Grundeigentümer Partei des vorliegenden Baubewilligungsverfahrens, in dem keine mündliche Verhandlung in erster Instanz durchgeführt worden war. Ihm stand daher im Rahmen der Berufung offen, Einwendungen gegen das Bauvorhaben zu erheben.
Im Beschwerdefall hat der Mitbeteiligte in seiner Berufung keine der im § 25 Abs. 3 TBO 2001 taxativ aufgezählten subjektivöffentlichen Rechte geltend gemacht.
In Bezug auf einen Verstoß gegen den Flächenwidmungsplan besteht nur im Hinblick auf die Festlegungen ein Nachbarrecht, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist. Das Kriterium des in der Widmung "Freiland" zulässigen ortsüblichen Städels gemäß § 41 Abs. 2 TROG 2006 stellt keine solche Festlegung des Flächenwidmungsplanes dar. Der belangten Behörde stand als Berufungsbehörde im vorliegenden Baubewilligungsverfahren aber - abgesehen von einer allfälligen Unzuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde oder der fehlenden Partei- und Handlungsfähigkeit des Bauwerbers - nur die Befugnis zu, im Umfang rechtzeitig erhobener Einwendungen im Sinne des § 25 Abs. 3 TBO das vorliegende Bauansuchen neuerlich zu prüfen. Da es sich bei dem Vorbringen des Mitbeteiligten betreffend die seiner Ansicht nach zu Unrecht erteilte Rodungsbewilligung bzw., dass das Gebäude nicht zu landwirtschaftlichen Zwecken im Sinne des § 41 Abs. 2 TROG 2006 verwendet werde, um keine Einwendungen im Sinne des § 25 Abs. 3 TBO 2001 handelte, kam der belangten Behörde keine Befugnis zu, das vorliegende Bauansuchen neuerlich inhaltlich zu überprüfen. Die Berufung wäre vielmehr mangels Geltendmachung von Nachbarrechten im Sinne des § 25 Abs. 3 TBO 2001 abzuweisen gewesen.
Der angefochtene Bescheid erweist sich als rechtswidrig, weil die belangte Behörde aus Anlass einer Berufung des Mitbeteiligten als Nachbarn, in der kein Nachbarrecht im Sinne des § 25 Abs. 3 TBO 2001 geltend gemacht wurde, das Bauansuchen neuerlich inhaltlich geprüft hat und - entgegen der erstinstanzlichen Behörde - zu einer Abweisung des Bauansuchens gekommen ist.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 25. Februar 2010
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