Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs2;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 581,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 5. Jänner 2005 wurde gegen den Beschwerdeführer, laut seinem Vorbringen ein nigerianischer Staatsangehöriger, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und § 39 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen und gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung einer Berufung ausgeschlossen. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer durch eigenhändige Übernahme am 10. Jänner 2005 während dessen Anhaltung in der Justizanstalt Simmering zugestellt.
Mit Schreiben vom 26. August 2005 stellte der Beschwerdeführer an die Bundespolizeidirektion Wien unter gleichzeitiger Nachholung der Berufung gegen den genannten Aufenthaltsverbotsbescheid den Antrag, ihm gegen die Versäumung der Berufungsfrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dazu brachte er im Wesentlichen vor, dass ihm dieser Bescheid in der Justizanstalt Simmering zugestellt worden sei und ihm dort niemand bei der Abfassung einer Berufung geholfen habe. Er selbst habe den Bescheid, dessen Inhalt und dessen Rechtsmittelbelehrung mangels ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache nicht lesen können, weshalb er die Berufungsfrist versäumt habe. Erst im April (2005) habe er den Bescheid zu einer Beratungsstelle für Flüchtlinge bringen können. Von dieser sei offensichtlich eine spätere Zustellung angenommen worden. Die Nicht-Mithilfe bei der Abfassung einer Berufung sei ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis. Erst durch den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 17. Juni (richtig: Mai) 2005, der ihm am 23. August 2005 zugestellt worden sei, habe er erstmals erfahren, dass seine am 21. April 2005 eingebrachte Berufung verspätet erhoben worden sei.
2. Mit dem vorliegend angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 7. November 2007 wurde der Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers gemäß § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen.
Dazu führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei bei der am 20. Oktober 2004 durchgeführten Vernehmung durch die Polizeiabteilung bei der Staatsanwaltschaft Wien darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass die Bundespolizeidirektion Wien beabsichtige, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen und ihn nach Beendigung der gerichtlichen Haft in Schubhaft zu nehmen. Bei dieser niederschriftlichen Befragung habe ihm ein anwesender Dolmetscher übersetzt.
Da die Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den genannten Aufenthaltsverbotsbescheid vom 5. Jänner 2005 am 24. Jänner 2005 geendet habe, sei die vom Beschwerdeführer mit 20. April 2005 datierte, am 21. April 2005 zur Post gegebene Berufung mit Bescheid der belangten Behörde vom 17. Mai 2005 als verspätet zurückgewiesen worden. Dieser Bescheid sei dem Beschwerdeführer am 24. August 2005 durch Hinterlegung wirksam zugestellt worden. In seinem am 26. August 2005 zur Post gegebenen Schreiben habe der Beschwerdeführer den gegenständlichen Wiedereinsetzungsantrag gestellt.
Nach der Aktenlage sei der Beschwerdeführer im Zeitraum vom 15. November 2004 bis zum 11. Jänner 2005 in der Justizanstalt Simmering und anschließend bis zum 25. März 2005 in der Justizanstalt Linz aufhältig gewesen.
Nach Darstellung des § 71 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 AVG führte die belangte Behörde aus, es bestehe für sie unter Bedachtnahme auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers niederschriftlich über die beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in Kenntnis gesetzt worden sei, und auf Grund seiner Wortwahl in den Schriftsätzen kein Zweifel daran, dass er vom amtlichen (behördlichen) Charakter der ihm am 10. Jänner 2005 übergebenen Ausfertigung des Aufenthaltsverbotsbescheides in Kenntnis gewesen sei. Es habe ihm daher auch bewusst sein müssen, dass damit rechtliche Konsequenzen verbunden seien, weshalb es ihm zumutbar gewesen sei, sich aus Eigenem um die Erlangung einer Hilfestellung für die Abfassung eines Rechtsmittels zu bemühen. So sei ein sich auf mangelnde Sprachkenntnisse berufender Fremder, der die ihm zugestellten behördlichen Erledigungen als Bescheide erkenne, verpflichtet, sich - allenfalls unter Beiziehung eines Übersetzers - mit dem Inhalt einschließlich der Rechtsmittelbelehrung (des Bescheides) vertraut zu machen. Unterlasse er dies, so sei ihm ein den minderen Grad des Versehens übersteigender Sorgfaltsverstoß anzulasten.
Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorbringe, dass ihm durch den sozialen Dienst in der Justizanstalt Simmering die Hilfestellung zur Einbringung einer Berufung verweigert worden wäre, so sei es notorisch, dass der soziale Dienst selbst weder verpflichtet noch angehalten sei, für einen Häftling ein Rechtsmittel zu verfassen. Vielmehr entspreche es der üblichen Vorgangsweise, dass die Häftlinge, die sich an diesen Dienst wendeten, von dort an Organisationen verwiesen würden, damit diese die erforderlichen Schriftsätze einbringen könnten.
Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer nach der Aktenlage bereits einen Tag nach Zustellung des Aufenthaltsverbotsbescheides in die Justizanstalt Linz verlegt worden sei, habe er nicht behauptet, dass er nach seiner Verlegung dort neuerlich mit dem sozialen Dienst Rücksprache gehalten oder angefragt hätte, wer ihm bei der Verfassung eines Rechtsmittels juristische Hilfe leisten könnte. Kennzeichnend sei in diesem Zusammenhang der Umstand, dass er bereits am 25. März 2005 aus der gerichtlichen Haft entlassen worden sei und sich in der Folge offenbar nicht sofort um eine Hilfestellung für die Abfassung einer Berufung bemüht habe, zumal der diesbezügliche Berufungsschriftsatz vom 20. April 2005 fast einen Monat nach seiner Entlassung aus der gerichtlichen Haft eingebracht worden sei. Im Übrigen habe er auch nicht behauptet, dass ihm der Kontakt zu einem rechtsfreundlichen Vertreter oder einer karitativen Organisation in einer der beiden Justizanstalten verwehrt worden wäre.
Selbst wenn man dem Beschwerdeführer in Bezug auf sein Vorbringen Glauben schenken wollte, dass er tatsächlich erst anlässlich der Zustellung des Bescheides der belangten Behörde vom 17. Mai 2005 von der Verspätung seiner eingebrachten Berufung erfahren hätte (und daher die Erfolgsvoraussetzungen des § 71 Abs. 2 AVG erfüllt wären), so sei der Wiedereinsetzungsantrag jedenfalls mangels Vorliegen der Erfolgsvoraussetzungen des § 71 Abs. 1 AVG abzuweisen. Der Beschwerdeführer habe weder glaubhaft machen können, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der Einhaltung der Berufungsfrist gehindert gewesen sei - im Übrigen sei auch nicht vorgebracht worden, dass er zur Gänze dispositionsunfähig gewesen wäre -, noch, dass ihn an der Versäumung der Berufungsfrist nur ein minderer Grad des Versehens träfe. Durch sein gesamtes Verhalten, nämlich vor allem das Fehlen des ihm zumutbaren und gebotenen Bemühens um die Erlangung einer Hilfestellung für die Abfassung eines Rechtsmittels, müsse von einem gravierenden Sorgfaltsverstoß ausgegangen werden, der über einen minderen Grad des Versehens bei weitem hinausgehe.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Gemäß § 71 Abs. 2 leg. cit. muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.
Vorweg ist - auf dem Boden der insoweit unstrittigen Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde - festzuhalten, dass die Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 5. Jänner 2005, mit dem gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden war, versäumt wurde, sodass eine wesentliche Voraussetzung für die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrages erfüllt ist. Ferner ist für die vorliegende Beurteilung die Annahme der belangten Behörde zugrunde zu legen, dass die in § 71 Abs. 2 AVG normierte Frist gewahrt wurde.
Nach der hg. Judikatur (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 25. März 2010, Zl. 2009/21/0176, mwN) bildet der Aufenthalt eines -
auch unvertretenen - Fremden in Haft keinen Grund, der es zuließe, die Unterlassung einer rechtzeitigen Berufungseinbringung als unverschuldet oder als ein über den minderen Grad des Versehens nicht hinausgehendes Verschulden zu werten. Auch das Zusammentreffen des Umstandes der Freiheitsentziehung mit einer mangelnden Sprachkenntnis des Betroffenen vermag ohne das Hinzutreten eines ihn konkret treffenden Hinderungsgrundes, der über die allgemeine Situation einer in Haft befindlichen, der deutschen Sprache nicht mächtigen Person hinausgeht, die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu rechtfertigen. Versuche, mit geeigneten Personen (so etwa einem Dolmetscher und/oder einem Rechtsbeistand) Kontakt aufzunehmen, sind grundsätzlich auch während der Haft vorzunehmen. Bleiben derartige Versuche jedoch ergebnislos, so kann dies einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darstellen. Es muss sichergestellt sein, dass eine Person - auch oder gerade wegen der Einengung ihrer Freiheit während der Haft - den von ihr gewünschten Rechts- oder sonstigen Beistand rechtzeitig erhält, ohne ihr ständige Urgenzen zuzumuten.
2. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass der Beschwerdeführer am 20. Oktober 2004 im Beisein eines Dolmetschers vernommen und ihm dabei die behördliche Absicht zur Kenntnis gebracht worden ist, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wobei ihm vom anwesenden Dolmetscher übersetzt worden ist. Unter Zugrundelegung dieser Feststellungen begegnet die Annahme der belangten Behörde, es bestehe kein Zweifel daran, dass der Beschwerdeführer vom amtlichen (behördlichen) Charakter der ihm am 10. Jänner 2005 übergebenen Ausfertigung des Aufenthaltsverbotsbescheides Kenntnis gehabt habe, und es habe ihm daher auch bewusst sein müssen, dass damit rechtliche Konsequenzen verbunden seien, keinen Bedenken.
In Anbetracht der genannten Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid kommt dem Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde habe nicht begründet, wieso der Beschwerdeführer hätte erkennen müssen, dass es sich bei dem gegenständlichen Schriftstück um einen Bescheid handelte, keine Berechtigung zu. Darüber hinaus bringt der Beschwerdeführer in der Beschwerde (u.a.) vor, dass es ihm trotz "intensivster Bemühungen" nicht möglich gewesen sei, in der Haft einen Dolmetscher oder einen Mithäftling aufzutreiben, welcher den Bescheid samt Rechtsmittelbelehrung ins Englische hätte übersetzen können, welche Behauptung die vorgenannte Annahme der belangten Behörde zusätzlich stützt.
3. Der Beschwerdeführer bestreitet auch nicht die weiteren Feststellungen im angefochtenen Bescheid, dass er bereits einen Tag nach der Zustellung des Aufenthaltsverbotsbescheides in der Justizanstalt Simmering in die Justizanstalt Linz verlegt wurde und dort anschließend (lediglich) bis zum 25. März 2005 aufhältig war. Wenn er daher in der Beschwerde vorbringt, dass er keine Möglichkeit gehabt habe, einen Übersetzer zu besorgen, und sich zum damaligen Zeitpunkt in der Justizanstalt Simmering befunden habe, wobei Personen, die den Bescheid hätten übersetzen können, sich nicht in seiner Umgebung befunden hätten, so legt er damit nicht plausibel dar, dass und zutreffendenfalls aus welchen Gründen es ihm verwehrt gewesen wäre, sich in der Justizanstalt Linz um einen Übersetzer bzw. Rechtsbeistand zu bemühen.
Wie bereits erwähnt, hat eine inhaftierte, der deutschen Sprache nicht mächtige Person in einem Fall, wie dem vorliegenden, zu versuchen, mit einem Dolmetscher und/oder Rechtsbeistand Kontakt aufzunehmen. Unter diesem Gesichtspunkt kommt es für die Beurteilung des Vorliegens eines Hinderungsgrundes im Sinn des § 71 Abs. 1 Z 1 AVG darauf an, dass der Wiedereinsetzungswerber konkret und in nachvollziehbarer Weise (z.B. durch Nennung des Tages; der Aufsichtsperson) behauptet und glaubhaft macht, er habe in der Haft den Wunsch geäußert, mit einem Rechtsvertreter (oder Dolmetscher) in Kontakt zu gelangen, und es sei dieser Wunsch abgelehnt oder ignoriert worden (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 31. August 2006, Zl. 2004/21/0139, und den hg. Beschluss vom 3. November 2010, Zlen. 2010/18/0355, 0415).
Ein solches konkretisiertes Vorbringen hat der Beschwerdeführer nicht erstattet.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen war die Fremdenpolizeibehörde auch nicht verpflichtet, den Aufenthaltsverbotsbescheid in den wesentlichen Punkten in Englisch oder in die Muttersprache des Beschwerdeführers zu übersetzen (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das zum Fremdengesetz 1997 ergangene, wegen der insoweit vergleichbaren Rechtslage auch hier maßgebliche hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2004, Zl. 2003/21/0167, und das hg. Erkenntnis vom 24. April 2007, Zl. 2007/18/0095).
4. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Da die belangte Behörde die Verwaltungsakten für die beiden hg. Beschwerdeverfahren Zlen. 2007/18/0953 und 2007/18/0954 nur einmal vorgelegt hat, war ihr im vorliegenden Beschwerdeverfahren lediglich die Hälfte dieses Aufwandes zuzuerkennen.
Wien, am 17. Dezember 2010
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