VwGH 2007/13/0144

VwGH2007/13/014424.2.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der K in M, vertreten durch die Thum Weinreich Schwarz Rechtsanwälte OG in 3100 St. Pölten, Josefstraße 13, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 21. September 2007, Zl. ABK - 143/07, betreffend Haftung gemäß §§ 7 und 54 WAO, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §201;
BAO §202;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
KommStG 1993 §11 Abs2;
LAO Wr 1962 §149;
LAO Wr 1962 §150;
LAO Wr 1962 §54 Abs1;
LAO Wr 1962 §7 Abs1;
BAO §201;
BAO §202;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
KommStG 1993 §11 Abs2;
LAO Wr 1962 §149;
LAO Wr 1962 §150;
LAO Wr 1962 §54 Abs1;
LAO Wr 1962 §7 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Haftungsbescheid vom 23. Februar 2007 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 7 und § 54 der Wiener Abgabenordnung - WAO für einen Rückstand an Kommunalsteuer in Höhe von 11.783,57 EUR und an Dienstgeberabgabe in Höhe von 27,28 EUR der I. GmbH für den Zeitraum Mai 2004 bis April 2006 haftbar gemacht. Die Beschwerdeführerin sei im Firmenbuch als Geschäftsführerin der genannten Gesellschaft eingetragen, habe jedoch die Bezahlung der in Haftung gezogenen Abgaben nicht veranlasst. Sie habe damit ihre Pflichten als Geschäftsführerin verletzt, sodass sie nach den §§ 7 Abs. 1 und 54 Abs. 1 WAO für den Rückstand haftbar sei, zumal dieser bei der Gesellschaft nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden könne.

Nach einer Aufgliederung des Rückstandes wurde in der Begründung des Haftungsbescheides ausgeführt, dass für Arbeitnehmer eines Unternehmens, welche bisher auf Basis eines "Freien Dienstvertrages" beschäftigt worden seien, die diesen gewährten Arbeitslöhne auch für die Vergangenheit der Kommunalsteuer zu unterziehen seien, wenn tatsächlich überwiegend die Merkmale eines (lohn)steuerlichen Dienstverhältnisses vorlägen. Ein Geschäftsführer könne sich nicht auf die Unkenntnis seiner steuerlichen Verpflichtungen berufen, weil er sich die entsprechenden Kenntnisse in geeigneter Weise verschaffen müsse. Die Nachforderungen beträfen den Zeitraum, in dem die Selbstbemessungsabgaben unter Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären und in dem die Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin für die Abgabenentrichtung zu sorgen gehabt hätte. Die im Zuge der Revision anhand der Geschäftsunterlagen festgestellten Abgabenbeträge seien vom Masseverwalter auch für richtig befunden worden, sodass kein Bemessungsbescheid zu erlassen gewesen sei.

In der Berufung gegen den Haftungsbescheid machte die Beschwerdeführerin geltend, dass es wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der I. GmbH zu einer Prüfung der Dienstverhältnisse verschiedener Mitarbeiter dieser Gesellschaft gekommen sei. Dabei sei festgestellt worden, dass es sich "bei sämtlichen freien Dienstnehmern um keine freien Dienstnehmer handelt". Es seien daher entsprechende Bescheide seitens der zuständigen Gebietskrankenkasse ergangen. Erst auf Grund des Umstandes, "dass im Konkurs festgestellt wurde, dass es sich um keine freien Dienstnehmer handelt entstand die Zahlungsverpflichtung betreffend der Kommunalsteuer". Der Geschäftsführerin sei vor Konkurseröffnung nicht bekannt und auch nicht bewusst gewesen, dass es sich um keine freien Dienstnehmer gehandelt habe. Selbst seitens der Dienstnehmer seien nie Einwendungen gegen die jeweiligen einzelnen freien Dienstnehmerverträge erhoben worden. Dieser Umstand sei erst durch die erwähnte Überprüfung durch die Gebietskrankenkasse festgestellt worden. Es liege deshalb kein Verschulden der Beschwerdeführerin "für die Nichtabgabe bzw. Nichtbezahlung der Kommunalsteuer vor", sodass auch keine persönliche Haftung für diese Verbindlichkeiten bestehe.

Die Abgabenbehörde erster Instanz gab der Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 11. Mai 2007 keine Folge. Sie wies auf das - unstrittige - Bestehen der Abgabenforderungen, die Stellung der Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin und die erschwerte Einbringlichkeit der Abgabenrückstände bei der I GmbH hin. Dem Berufungsvorbringen sei entgegenzuhalten, dass nach § 2 lit. a KommStG 1993 u.a. Personen, die in einem Dienstverhältnis im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 stünden, als Dienstnehmer im Sinne des Kommunalsteuergesetzes anzusehen seien. Im Zuge einer Abgabenprüfung durch das Finanzamt sei festgestellt worden, dass es sich bei den mit freiem Dienstvertrag beschäftigten Arbeitnehmern um lohnsteuerliche Dienstverhältnisse im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 gehandelt habe. Für die somit auch kommunalsteuerpflichtigen Bezüge sei die Abgabenentrichtung nicht erfolgt, wobei es für die Haftung maßgeblich sei, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären. Die Beschwerdeführerin könne sich nicht auf Unkenntnis ihrer steuerlichen Verpflichtungen berufen, weil es ihre Aufgabe gewesen wäre, sich die entsprechenden Kenntnisse zu verschaffen. Die Beschwerdeführerin habe in der Berufung nicht den Nachweis erbracht, dass ihr die Erfüllung ihrer Verpflichtungen unmöglich gewesen wäre.

Im Antrag auf Entscheidung über ihre Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz brachte die Beschwerdeführerin vor, dass die Dienstnehmer, für die nunmehr Kommunalsteuer geltend gemacht werde, über einen längeren Zeitraum hindurch als so genannte freie Dienstnehmer tätig gewesen seien. Weder seitens des zuständigen Finanzamtes noch seitens der zuständigen Gebietskrankenkasse sei dieser Umstand beanstandet worden. Erst anlässlich der Konkurseröffnung sei eine Prüfung der Dienstverhältnisse erfolgt und "wurde im Zuge dessen festgestellt, dass es sich nicht um freie Dienstnehmer handelt". Erst "aufgrund des Umstandes, dass seitens der zuständigen Behörde dies festgestellt wurde, hat die Geschäftsführerin davon Kenntnis erlangt, dass es sich um keine freien Dienstnehmer handelt". Hätte die Beschwerdeführerin "bereits zu einem früheren Zeitpunkt davon Kenntnis erlangt - z.B. durch Mitteilung seitens der Behörde - hätte sie früher entsprechende Abgaben tätigen können". Ein Verschulden der Beschwerdeführerin sei daher keinesfalls gegeben.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Es stehe fest, dass über das Vermögen der Primärschuldnerin der Konkurs eröffnet worden sei. Die Pflichtverletzung der Beschwerdeführerin ergebe sich aus der Missachtung der Vorschriften über den Zeitpunkt der Entrichtung der Selbstbemessungsabgaben (Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe), die für jeden Monat längstens bis zum 15. des darauf folgenden Monats an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wären. Die Rechtfertigung der Beschwerdeführerin sei nicht geeignet, der Berufung zum Erfolg zu verhelfen. Die Beschwerdeführerin könne ihre Unkenntnis durch das Vorbringen im Vorlageantrag nicht dahingehend rechtfertigen, dass sie nicht "seitens irgendeiner Behörde früher auf ihre Pflichten hingewiesen worden sei". Da die Gehälter der Dienstnehmer bis März 2006 ausbezahlt worden seien, hafte die Beschwerdeführerin für den ausstehenden Abgabenbetrag auch zur Gänze. Habe die Vertreterin der Abgabepflichtigen aber schuldhaft ihre Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so dürfe die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit gewesen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 der im Beschwerdefall noch anzuwendenden WAO haften die in den §§ 54ff WAO bezeichneten Vertreter und sonstigen Verpflichteten neben den Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern und sonstigen Verpflichteten auferlegten Pflichten, sei es abgabenrechtlicher oder sonstiger Pflichten, bei den Abgabepflichtigen nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung.

Nach § 54 Abs. 1 WAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Bei Selbstbemessungsabgaben ist für die Frage der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten eines Vertreters des Abgabepflichtigen maßgeblich, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung zu entrichten oder abzuführen gewesen wäre (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2008, 2005/13/0095, mwN).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung iS des § 7 Abs. 1 WAO annehmen darf. Eine schuldhafte Verletzung der Vertreterpflichten ist anzunehmen, wenn der Vertreter keine Gründe darlegen kann, auf Grund derer ihm die Erfüllung seiner Pflichten unmöglich gewesen ist; den Vertreter trifft dabei eine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungspflicht (vgl. für viele z.B. die hg. Erkenntnisse vom 28. April 2004, 99/14/0120, und vom 26. Juni 2007, 2006/13/0086).

Es kann zwar unter dem Aspekt des dem Vertreter vorzuwerfenden Verschuldens an der Verletzung der Vertreterpflichten beachtlich sein, wenn er auf Grund eines Rechtsirrtums die Entrichtung der Abgaben unterlassen hat und ihm ausnahmsweise ein solcher Rechtsirrtum nicht vorzuwerfen wäre (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2004, 99/14/0278). Dass ein derartiger, nicht vorwerfbarer Rechtsirrtum vorgelegen wäre, wird beispielsweise mit dem bloßen Hinweis auf eine andere Rechtsmeinung des Beschwerdeführers aber nicht dargetan (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1997, 96/15/0269, VwSlg. 7.244/F, und das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2008, 2005/13/0095). Das Risiko des Rechtsirrtums trägt auch der, der es verabsäumt, sich an geeigneter Stelle zu erkundigen (bgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 23. Juni 2009, 2007/13/0005, 0006, 0007, und vom 15. Dezember 2009, 2005/13/0054).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage wäre es, um das Verschulden an der nicht erfolgten Entrichtung der in Haftung gezogenen Abgaben mit Erfolg von sich weisen zu können, Aufgabe der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren gewesen, initiativ und bestimmt dazulegen, aus welchen Gründen sie - gegebenenfalls trotz entsprechender Erkundigungen - zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten der in Rede stehenden Selbstbemessungsabgaben der vertretbaren Rechtsansicht sein konnte, es lägen hinsichtlich der einzelnen Mitarbeiter keine diesen Abgaben unterliegende so genannte freie Dienstverträge vor. Mit dem Vorbringen, es sei der Wille der Dienstnehmer gewesen, als so genannte freie Dienstnehmer tätig zu sein, wurde jedenfalls noch nicht plausibel gemacht, weshalb in rechtlicher Hinsicht eine vertretbare Rechtsauffassung in Bezug auf die Qualifikation der Beschäftigungsverhältnisse vorgelegen sein konnte.

Das Beschwerdevorbringen, hätte die Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin früher von "dieser Abgabenverpflichtung Kenntnis erlangt, wäre es möglich gewesen die Abgaben zu bezahlen", hilft nicht darüber hinweg, dass es in erster Linie Aufgabe der Beschwerdeführerin gewesen wäre, für die zeitgerechte Entrichtung der Abgaben an den Fälligkeitstagen zu sorgen. In gleicher Weise konnte es nicht maßgeblich sein, dass die Abgabenvorschreibung erst im Konkursverfahren erfolgt sei (wodurch die Beschwerdeführerin erstmals Kenntnis von der Zahlungspflicht erlangt habe).

Bei der Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe nicht festgestellt, "wann es der Beschwerdeführerin möglich gewesen wäre ihre Zahlungspflicht zu erkennen", übersieht die Beschwerdeführerin die sie im Haftungsverfahren treffende - oben erwähnte - Behauptungs- und Konkretisierungspflicht. Unbestimmt in Bezug auf ihre Relevanz bleibt auch die Rüge, die belangte Behörde habe ferner nicht festgestellt, dass seitens der zuständigen Gebietskrankenkasse trotz laufender Überprüfungen nie "bezüglich der Dienstverhältnisse eine Beanstandung erfolgt sei".

Der Beschwerde gelingt es daher insgesamt nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 24. Februar 2010

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