VwGH 2007/13/0089

VwGH2007/13/008915.12.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des BS in W, vertreten durch Dr. Daniel Charim, Mag. Wolfgang Steiner und Mag. Anton Hofstetter, Rechtsanwälte in 1090 Wien, Wasagasse 4, gegen den gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 29. Juni 2007, Zl. RV/0174-W/07, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1997, zu Recht erkannt:

Normen

EStG §20 Abs1 Z4;
VwGG §42 Abs1;
EStG §20 Abs1 Z4;
VwGG §42 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der angefochtene Bescheid erging im fortgesetzten Verwaltungsverfahren nach dem hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2006, 2002/13/0130 (im Folgenden: Vorerkenntnis). Mit dem Vorerkenntnis hatte der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der (damals) belangten Behörde vom 29. April 2002, Zl. RV/39- 15/2001, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Den Beschwerdepunkt bildete die Frage, ob eine für das Streitjahr 1997 geltend gemachte Abschreibung uneinbringlich gewordener "Vorweggewinnentnahmen" des stillen Gesellschafters XY als Betriebsausgabe bei der Gewinnermittlung des vom Beschwerdeführer betriebenen Einzelhandelsgeschäftes zu berücksichtigen ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zum näheren Sachverhalt auf die Ausführungen im Vorerkenntnis verwiesen.

Im Vorerkenntnis sah der Verwaltungsgerichtshof die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, die uneinbringlich gewordene Forderung des Beschwerdeführers auf Rückzahlung der Vorweggewinnentnahmen sei seiner privaten Sphäre zuzurechnen und die Uneinbringlichkeit dieser Forderung sei deshalb kein betrieblich veranlasster Aufwand, "als unzureichend begründet" an. So habe insbesondere das Argument der belangten Behörde in Bezug auf die Notwendigkeit einer Änderung des Gesellschaftsvertrages in Schriftform keine ausreichende Tragkraft gehabt, weil eine gesetzliche Vorschrift für den Gesellschaftsvertrag einer stillen Gesellschaft nicht bestehe und von einer auf Vereinbarung der Parteien beruhenden Formvorschrift von den Parteien jederzeit formlos wieder abgegangen werden könne. Ferner hätten nicht zwingend nur die gesellschaftsrechtliche Beziehung des Beschwerdeführers zu XY und der Inhalt der ab dem 1. Juli 1996 wirksamen "werkvertraglichen Vereinbarung" als zivilrechtlich denkbare Rechtsgründe der vom Beschwerdeführer geleisteten Zahlungen in Betracht kommen müssen. Schließlich habe die belangte Behörde nicht bedacht, dass auch freiwillig (ohne rechtliche Verpflichtung) getätigte Aufwendungen trotzdem als betrieblich veranlasst angesehen werden könnten. Von einer freiwilligen Zuwendung im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 4 EStG 1988, die sich der Abziehbarkeit entziehe, könne etwa dann nicht gesprochen werden, wenn "sie auf rein wirtschaftlicher Basis erbracht wird und der Zuwendung entweder eine gleichwertige Leistung des Empfängers entspricht oder sonst eine ausschließliche oder eindeutige überwiegende betriebliche Veranlassung für sie vorliegt" (Hinweis u. a. auf das hg. Erkenntnis vom 7. September 1990, 90/14/0093, VwSlg. 6528/F). Da Mildtätigkeit als Beweggrund kaufmännischen Handelns nach allgemeiner Erfahrung im Regelfall auszuschließen sei und das Bestehen familiärer Bande zwischen XY und dem Beschwerdeführer nicht habe festgestellt werden können, bedürfte - so die abschließenden Ausführungen im Vorerkenntnis - die "Sachverhaltsgrundlage für eine rechtliche Einstufung der seinerzeitigen Leistungen des Beschwerdeführers an XY als freiwillige Zuwendungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 einer die konkreten Umstände des Einzelfalles würdigenden Begründung im Tatsachenbereich, die im angefochtenen Bescheid in der zu fordernden Weise nicht geleistet wurde, sodass sich die Übereinstimmung der Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde mit dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut nicht ausreichend verlässlich überprüfen lässt".

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung im Streitpunkt der Abziehbarkeit der uneinbringlich gewordenen Vorweggewinnentnahmen des stillen Gesellschafters als Betriebsausgaben im Streitjahr wiederum keine Folge.

Nach einer Wiedergabe des Ganges des Verwaltungsverfahrens (einschließlich des Inhaltes des Vorerkenntnisses) kam die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid beweiswürdigend zum Ergebnis, dass sie auf Grund "des sich aus den Verhältnissen des vorliegenden Falles ergebenden Gesamteindruckes" zur Überzeugung gelangt sei, dass die in Rede stehenden Entnahmen zumindest nicht überwiegend im Interesse des Betriebes des Beschwerdeführers getätigt worden seien und ihnen keineswegs gleichwertige Leistungen des stillen Gesellschafters gegenübergestanden seien. So habe der Beschwerdeführer selbst in einer Vorhaltsbeantwortung vom 11. September 2000 bzw. im Vorlageantrag vom 15. Jänner 2001 angegeben, dass die Vereinbarung über die Entnahmen aus Anlass der Mittellosigkeit des stillen Gesellschafters geschlossen worden sei, um diesem einen bescheidenen Lebensstandard zu ermöglichen. Auch der stille Gesellschafter habe sich in seiner Zeugeneinvernahme vom 17. August 2000 dahingehend geäußert, dass der Beschwerdeführer auf seine familiäre und finanzielle Situation Rücksicht genommen habe. Eine zwingende Notwendigkeit, etwa eine Abmachung über die Aufrechterhaltung des Betriebes des Beschwerdeführers durch XY gegen Leistung der fraglichen Zahlungen zu treffen, habe es auch nicht gegeben, weil der stille Gesellschafter von Juli 1996 bis September 1997 Leistungen auf werkvertraglicher Basis für das Unternehmen des Beschwerdeführers erbracht habe und "von April 1995 bis September 1997 ebenfalls solche als dessen Angestellter". Ob die mündliche Vereinbarung eine Änderung des Gesellschaftsvertrages dargestellt habe oder diese außerhalb des Gesellschaftsvertrages zustande gekommen sei, könne letztlich dahingestellt bleiben. Entscheidend sei, dass diese Vereinbarung aus Anlass der wirtschaftlichen Situation des stillen Gesellschafters getroffen worden sei und dessen finanzielle Unterstützung zum Zweck gehabt habe.

Seien den Entnahmen des stillen Gesellschafters aber - so die belangte Behörde im Rahmen ihrer rechtlichen Würdigung - weder erkennbare gleichwertige Leistungen gegenübergestanden noch aus dem gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers Tatsachen ableitbar, aus denen sich eine ausschließliche oder überwiegende betriebliche Veranlassung der in Rede stehenden Gewinnvorwegentnahmen ergeben würde, komme das Abzugsverbot für freiwillige Zuwendungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 zum Tragen. Da die uneinbringlich gewordene Forderung des Beschwerdeführers auf Rückzahlung der Vorweggewinnentnahmen im Ergebnis überwiegend dessen privater Sphäre zuzurechnen sei, liege insoweit kein betrieblich veranlasster Aufwand vor. Dem Berufungsbegehren des Beschwerdeführers sei daher, soweit "sich dieses auf die Anerkennung der Vorweggewinnentnahmen als Betriebsausgaben bezieht", im Sinne des § 4 Abs. 4 Satz 1 EStG 1988 der Erfolg zu versagen gewesen.

In der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid insoweit angefochten, als "die Abschreibung der uneinbringlich gewordenen Vorweggewinnentnahmen des stillen Gesellschafters nicht als betrieblich veranlasst und nicht als steuermindernd anerkannt wurden".

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beweiswürdigung der belangten Behörde unterliegt insoweit der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes, als zu beurteilen ist, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist oder ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, sie also den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut bzw. den Erfahrungen des täglichen Lebens entsprechen. Hingegen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung unter diesen Gesichtspunkten standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, d.h. ihr mit der Begründung entgegenzutreten, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. März 2007, 2005/14/0091).

Im Vorerkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof den Vorbescheid im Ergebnis deshalb wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behoben, weil er noch eine die konkreten Umstände des Einzelfalls würdigende Begründung im Tatsachenbereich vermisste, um die Übereinstimmung der Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde mit dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut ausreichend verlässlich überprüfen zu können. Dies vor dem Hintergrund, dass die (damals) belangte Behörde neben dem als unzulässig erkannten Abstellen auf die Notwendigkeit schriftlicher Vertragsänderungen offenbar auch nicht bedacht hatte, dass auch freiwillig (ohne rechtliche Verpflichtung) getätigte Aufwendungen unter bestimmten Voraussetzungen als betrieblich veranlasst angesehen werden können. Eine Rechtsanschauung dahingehend, dass der Verwaltungsgerichtshof die Beurteilung der belangten Behörde "ausdrücklich abgelehnt" oder eine Qualifikation in Richtung "freiwillige Zuwendungen" im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 bei der maßgeblichen Sachverhaltsgrundlage ausgeschlossen hätte, war mit dieser die Aufhebung des Vorerkenntnisses tragenden Begründung entgegen der in der Beschwerde unter dem Gesichtspunkt einer Bindungswirkung nach § 63 Abs. 1 VwGG zum Ausdruck gebrachten Meinung nicht verbunden. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Vorerkenntnis auch keine ungenügenden Sachverhaltserhebungen durch die belangte Behörde gerügt, sodass das Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde hätte nur bei einer Ergänzung des Ermittlungsverfahrens (vor allem einer Einvernahme des Beschwerdeführers als Partei) zu ihrer nunmehrigen Beurteilung gelangen dürfen, ebenfalls unberechtigt ist. Das erstmals in der Beschwerde erstattete Vorbringen, das der Beschwerdeführer "im Rahmen seiner Parteienvernehmung" hätte vorbringen können, unterliegt daher auch dem Neuerungsverbot nach § 41 Abs. 1 VwGG.

Die belange Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid nicht mehr darauf gestützt, dass nur schriftliche Änderungen im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsvertrag steuerlich beachtlich gewesen wären. Sie hat vielmehr unter Auseinandersetzung mit den auch im Vorerkenntnis aufgezeigten Kriterien zur Abziehbarkeit ohne rechtliche Verpflichtung getätigter (freiwilliger) Aufwendungen den strittigen Betriebsausgabenabzug verneint. Diese Beurteilung kann nicht als unschlüssig erkannt werden.

Dass die strittigen "Gewinnvorwegentnahmen" nicht auf rein wirtschaftlicher Basis erbracht worden seien oder ihnen auch sonst keine ausschließlich oder eindeutig überwiegende betriebliche Veranlassung zu Grunde gelegen sei, schloss die belangte Behörde insbesondere daraus, dass sowohl der Beschwerdeführer als auch der stille Gesellschafter dessen familiäre und finanzielle Situation als Beweggrund für die (monatlichen) Entnahmen genannt hatten. Dass der - in den Jahren 1995 bis 1997 zudem als Angestellter des Beschwerdeführers tätige - stille Gesellschafter laut Beschwerde im Betrieb des Beschwerdeführers "auch aktiv" tätig gewesen oder eine "allumfassende" Tätigkeit ausgeübt habe, die "bei weitem über seine Verpflichtungen aus der Vereinbarung vom 1. 7. 1996 und dem Gesellschaftsvertrag hinausging", macht für sich allein noch nicht evident, dass sich die strittigen Vorwegentnahmen nicht in erster Linie am Bedarf für den Lebensunterhalt des stillen Gesellschafters orientiert hätten, sondern an rein wirtschaftlichen Kriterien einer Entgeltgestaltung (vgl. das bereits im Vorerkenntnis erwähnte hg. Erkenntnis vom 7. September 1990, 90/14/0093, VwSlg. 6528/F). Überdies erläutert die Beschwerde auch nicht, weshalb bei einem nach dem Beschwerdevorbringen bestehenden "Anspruch" des stillen Gesellschafters "auf Abgeltung seiner Bemühungen" der Rückforderungsanspruch betreffend die "Gewinnvorwegentnahmen" hätte entstehen können, dessen Uneinbringlichkeit erst zu der im Beschwerdepunkt angesprochenen Gewinnminderung führte.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 15. Dezember 2010

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