Normen
BauO Wr §60 Abs1 lita;
BauO Wr §69 Abs1 litn;
BauO Wr §69 Abs2;
BauO Wr §69;
BauO Wr §60 Abs1 lita;
BauO Wr §69 Abs1 litn;
BauO Wr §69 Abs2;
BauO Wr §69;
Spruch:
1. den Beschluss gefasst:
Die Beschwerden der Erstbeschwerdeführerin, der Zweitbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführerin werden zurückgewiesen; im Übrigen
2. zu Recht erkannt:
Die Beschwerde des Drittbeschwerdeführers wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführenden Parteien haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit einer bei der Baubehörde erster Instanz (Magistratsabteilung 37/1 des Magistrats der Stadt Wien) am 28. November 2006 eingelangten Eingabe beantragte der Drittbeschwerdeführer die baubehördliche Bewilligung zur Erstellung eines Zubaus auf der hofseitigen Dachterrasse des Gebäudes auf der Liegenschaft in Wien, R-gasse 13, sowie zur Anordnung einer begehbaren Stahlkonstruktion samt Stiege über dem Dach des Hoftraktes.
Dem Antrag beigeschlossen war eine mit 20. August 2006 datierte Vollmacht für den Drittbeschwerdeführer "zur Vertretung" der Erstbeschwerdeführerin (seiner Schwester), der Zweitbeschwerdeführerin (seiner Ehefrau) und der Viertbeschwerdeführerin (einer weiteren Schwester) "in Angelegenheiten des Umbaues Top 30, zweite Stiege, 6. Stock - bei der Augenscheinverhandlung am 23. August 2006, bei der Unterschriftsleistung der Einreichpläne, bei den Bauverhandlungen".
Die u.a. befasste Magistratsabteilung 19 (Architektur und Stadtgestaltung) nahm im erstinstanzlichen Verfahren mit Schreiben vom 5. Jänner 2007 dahingehend Stellung, dass der bestehende Zubau auf Grund seiner hofseitigen Lage aus dem öffentlichen Raum nicht einsehbar sei und (daher) eine Abweichung von den Bebauungsbestimmungen, die etwaige öffentliche Interessen des Stadtbildes fordern würden, nicht schlüssig argumentiert werden könne, weshalb eine Weiterbehandlung iSd § 69 Abs. 1 lit. n BO nicht befürwortet werde.
Mit Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom 21. Februar 2007 wurde der eingereichten Bauführung die Bewilligung untersagt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Bauvorhaben beinhalte eine Abweichung von der zulässigen Gebäudehöhe, die auf Grund ihres Ausmaßes einer Genehmigung gemäß § 69 der Bauordnung für Wien (BO) nicht zugänglich sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die dagegen eingebrachte Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.
Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Bei dem vorliegenden Zubau handle es sich um keine Gaube, weil er nicht bloß aus einem Dachfenster bestehe, welches in die Dachhaut integriert sei; vielmehr solle ein Gebäudeteil geschaffen werden, der nicht als Bestandteil bzw. Erweiterung des bestehenden Daches angesehen werden könne. Die Höhe der Oberkante des Zubaus sei somit als beabsichtigte Gebäudehöhe iSd § 81 BO zu werten.
Der Beschwerdeführer habe in seinem Schreiben vom 3. Juni 2007 selbst bestätigt, dass der geplante Zubau eine Gebäudehöhe von 29,59 m aufweise, während die zulässige Gebäudehöhe auf Grund der anzuwendenden Bebauungsbestimmungen lediglich 24,30 m betrage. Dies ergebe eine Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe um 5,29 m, dieses Ausmaß an Überschreitung im Bereich des Innenhofes durch den beabsichtigten Bau sei auch eindeutig dem Einreichplan zu entnehmen. Eine solche Überschreitung im Ausmaß von rund 22 % der zulässigen Gebäudehöhe sei nicht mehr als unwesentliche Abweichung iSd § 69 BO anzusehen. Der Sachverständige der Magistratsabteilung 21 A habe in seiner Stellungnahme vom 6. Februar 2007 auch festgehalten, dass die geplante Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe den Intentionen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplan widerspreche. Er habe dies damit begründet, dass sich durch eine geplante Aufstockung die Belichtungsverhältnisse im Hofbereich der gegenüberliegenden Liegenschaft verschlechterten, was den städtebaulichen Zielsetzungen widerspreche. Auch wenn der Beschwerdeführer ausführe, dass die Verschlechterung der Belichtungsverhältnisse der Nachbarliegenschaft lediglich Stiegenhausfenster betreffe, sei aus der Sicht der Stadtplanung auch zu berücksichtigen, dass es auf der Nachbarliegenschaft zukünftig zu einem Umbau oder einem Neubau kommen und dann keineswegs davon ausgegangen werden könne, dass bloß Stiegenhausfenster von der Verschlechterung der Belichtung betroffen seien. Ebenso unzutreffend sei die Auffassung des Beschwerdeführers, die Beurteilung, ob eine wesentliche oder unwesentliche Abweichung von der zulässigen Gebäudehöhe vorliege, hätte sich auf die konsentierte Überschreitung des Gebäudebestandes zu beziehen, weil es solcherart möglich wäre, durch eine jeweils geringfügige Erhöhung von Gebäuden die Gebäudehöhenbestimmungen zu umgehen. Ein die zulässige Gebäudehöhe überragender Altbestand habe bei der Beurteilung des Ausmaßes der Abweichung unberücksichtigt zu bleiben.
Da die gegenständliche Liegenschaft in einer Schutzzone liege, komme im Hinblick auf die beabsichtigte Gebäudehöhenüberschreitung (auch) der Tatbestand der Ausnahmebewilligung des § 69 Abs. 1 lit. n BO in Betracht, bei Vorliegen der in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen für das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der Abweichung könnte ein höherer "Abweichungsfaktor" zur Anwendung gelangen. Der Stellungnahme des Sachverständigen der Magistratsabteilung 19 vom 5. Jänner 2007 sei jedoch zu entnehmen, dass ein solches öffentliches Interesse an der beabsichtigten Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe nicht vorliege, zumal der geplante Zubau aus dem öffentlichen Raum nicht einsehbar sei. Diese Ausführung sei schlüssig und nachvollziehbar, weshalb das Bauvorhaben nicht gemäß § 70 iVm § 69 BO bewilligungsfähig sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zur Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin, der Zweitbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführerin:
Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass die mit dem angefochtenen Bescheid erledigte Berufung vom Drittbeschwerdeführer nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Erstbeschwerdeführerin, die Zweitbeschwerdeführerin und die Viertbeschwerdeführerin eingebracht wurde, zumal der Briefkopf dieser Berufung lediglich den Namen des Drittbeschwerdeführers aufweist, auf die anderen Beschwerdeführer in der Berufung in keiner Weise Bezug genommen wird und auch der letzte Satz der Berufung: "In der Hoffnung auf eine positive Stellungnahme meines Einspruches verbleibe ich mit freundlichen Grüßen ..." lediglich auf den Drittbeschwerdeführer abstellt. Die dem Drittbeschwerdeführer von den anderen beschwerdeführenden Parteien im Verwaltungsverfahren erteilte, eingangs angesprochene Vollmacht zählt konkrete Prozesshandlungen auf, nennt der kein Rechtsmittel. Der angefochtene Bescheid spricht auch nur - wie sich aus der alleinigen Nennung des Drittbeschwerdeführers als Berufungswerber in der Zustellverfügung ergibt - über die Berufung des Drittbeschwerdeführers ab. Die Beschwerden der anderen beschwerdeführenden Parteien mangels Erschöpfung des Instanzenzuges gemäß § 34 Abs. 1 iVm § 12 Abs. 3 VwGG zurückzuweisen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. November 2002, Zlen. 2002/03/0198, 0199, mwH).
2. Zur Beschwerde des Drittbeschwerdeführers:
Gemäß § 69 Abs. 1 lit. n BO idF vor der Novelle LGBl. Nr. 25/2009 hat die Behörde nach Maßgabe des Abs. 2 über die Zulässigkeit der von einem Bauvorhaben in Schutzzonen vorgesehenen Abweichungen von den Bestimmungen des Bebauungsplanes, insbesondere auch von der festgesetzten Baulinie, zu entscheiden, wobei Voraussetzung ist, dass das öffentliche Interesse an einer besonderen Situierung und Ausbildung des Baukörpers zur Gestaltung des örtlichen Stadtbildes überwiegt und die zulässige Ausnutzbarkeit des Bauplatzes nicht überschritten wird. Gemäß § 69 Abs. 2 leg. cit. darf - von den dort genannten weiteren Voraussetzungen abgesehen - von den Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes nur unwesentlich abgewichen werden.
Der Begriff der "unwesentlichen" Abweichung iSd § 69 Abs. 2 zweiter Satz BO wird im Gesetz selbst nicht näher bestimmt. Nach der hg. Rechtsprechung kann eine wesentliche Abweichung dann mit Recht behauptet werden, wenn der Abweichung eine dem geltenden Widmungs- und Bebauungsplan unterlaufende Tendenz innewohnt (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa die Erkenntnisse vom 20. Mai 2003, Zl. 2001/05/1123, vom 21. Juli 2005, Zl. 2004/05/0017, und vom 27. Mai 2009, Zl. 2007/05/0199, mwH).
Im Beschwerdefall soll die Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe (unstrittig) rund 22 % betragen. In seinem Erkenntnis Zl. 2001/05/1123 hat der Verwaltungsgerichtshof für den Bereich von Schutzzonen auf Grund der dort gegebenen besonderen Verhältnisse zwar einen höheren "Abweichungsfaktor" (dort: 25 %) von der im Bebauungsplan maximal vorgeschriebenen Gebäudehöhe (worauf die Beschwerde hinweist) noch als unwesentlich bewertet. In diesem Fall haben jedoch Interessen des Stadtbildes diese Abweichungen geradezu gefordert.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde, gestützt auf die nachvollziehbare und schlüssige Stellungnahme der Magistratsabteilung 19, dagegen ein öffentliches Interesse des Stadtbildes an der in Rede stehenden Überschreitung der Gebäudehöhe verneint. Diese Beurteilung vermag die Beschwerde mit dem Einwand, auf Grund eines (allfälligen) zukünftigen Umbaus oder Neubaus auf der Nachbarliegenschaft könnte der vorliegende Zubau auch aus dem öffentlichen Raum einsehbar werden, nicht wirksam zu entkräften. Abgesehen davon, dass allfällige, noch in keiner Weise absehbare bauliche Änderungen keine taugliche Grundlage für eine nähere Beurteilung abzugeben vermögen, wäre mit einer zukünftig geschaffenen Einsehmöglichkeit noch nichts darüber ausgesagt, ob eine durch den dann allenfalls einsehbaren Zubau bewirkte Abweichung von den Interessen des Stadtbildes geradezu gefordert werde.
Liegen damit keine derartigen Interessen des Stadtbildes vor, ist bei einer Abweichung von der maximal zulässigen Gebäudehöhe im hier vorliegenden Ausmaß jedenfalls von einer wesentlichen Abweichung iSd § 69 Abs. 2 BO auszugehen.
Im Beschwerdefall bedurfte es somit keiner weiteren Prüfung des geplanten Zubaus nach § 69 Abs. 1 lit. n BO, weshalb das diesbezügliche Vorbringen (etwa im Zusammenhang mit den Belichtungsverhältnissen im Hofbereich) fehl geht.
Vor diesem Hintergrund erweisen sich ferner die Verfahrensrügen, die belangte Behörde habe bezüglich ihrer Beurteilung den maßgeblichen Sachverhalt nicht hinreichend festgestellt, als nicht zielführend. Dies gilt auch für die Verfahrensrüge, die belangte Behörde sei mangels hinreichender Feststellungen nicht zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich im vorliegenden Fall - im Gegensatz zum Antrag und zum Einreichplan ("hofseitiger Zubau") - um einen gaubenartigen Überbau handle, welcher gemäß § 60 Abs. 1 lit. a BO ausdrücklich nicht als Zubau iS der BO gelte, sodass das gegenständliche Vorhaben somit als Galerie zu bewilligen gewesen wäre. Der Beschwerdeführer unterlässt nämlich Ausführungen dahingehend, weshalb seines Erachtens ein solcher Überbau anzunehmen wäre, und zeigt damit die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht auf (vgl. § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung abgesehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht. Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtigte.
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Art. 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 2010, Zl. 2007/05/0095, mwH). Die Entscheidung konnte daher im Sinne des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Wien, am 11. Mai 2010
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