Normen
StbG 1965 §32;
StbG 1965 §32;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 19. Juni 2007 stellte die belangte Behörde in Erledigung eines Antrages des Beschwerdeführers, eines am 16. Juli 1952 in Tel Aviv geborenen israelischen Staatsangehörigen, "gemäß § 39 und § 42 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311/1985, in der geltenden Fassung" fest, dass dieser die österreichische Staatsbürgerschaft durch den freiwilligen Eintritt in den Militärdienst des israelischen Staates am 1. Juli 1981 verloren habe. Er sei nicht österreichischer Staatsbürger.
Begründend verwies die belangte Behörde vorweg auf die österreichische Staatsbürgerschaft des Vaters des Beschwerdeführers, D Z (geboren am 17. Dezember 1925 in Berlin als L Z), deren Bestehen mit Bescheid der belangten Behörde vom 4. Jänner 2005 festgestellt worden sei. Dieser sei am 13. März 1938 österreichischer Bundesbürger (und seit 27. April 1945 österreichischer Staatsbürger) gewesen und habe die österreichische Staatsbürgerschaft in der Folge nicht verloren (insbesondere auch nicht gemäß § 9 Abs. 1 Z .1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1949 durch den Erwerb der israelischen Staatsangehörigkeit am 14. Juli 1952). Gleichzeitig sei der Bescheid der belangten Behörde vom 9. Februar 1994, wonach der Vater des Beschwerdeführers die österreichische Staatsbürgerschaft am 13. Dezember 1993 durch Anzeige gemäß § 58c StbG idF der Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1993 wiedererworben habe, gemäß § 68 Abs. 2 AVG von Amts wegen aufgehoben worden. Der Beschwerdeführer habe die österreichische Staatsbürgerschaft daher gemäß § 3 Abs. 1 erster Satz Staatsbürgerschaftsgesetz 1949 mit Geburt kraft Abstammung nach seinem Vater erworben.
Der Beschwerdeführer habe vom 2. November 1970 bis 14. April 1974 den gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtdienst in der israelischen Armee geleistet und in den Zeiträumen 1. Juli 1981 bis 30. Juni 1982 sowie 13. Dezember 1984 bis 13. Dezember 1990 der israelischen Berufsarmee angehört. Durch den freiwilligen Eintritt in den israelischen Militärdienst habe er gemäß § 32 StbG die österreichische Staatsbürgerschaft verloren. Soweit der Beschwerdeführer vorgebracht habe, dass die Bestreitung des Lebensunterhaltes für seine Familie schwierig gewesen sei, könne darin keine dermaßen gravierende Notlage erkannt werden, wonach der Eintritt in den Dienst der israelischen Berufsarmee unausweichlich gewesen sei. Seinem Vorbringen zufolge sei der Beschwerdeführer zuvor offenbar mehrere Jahre lang durchaus in der Lage gewesen, für seinen und den Lebensunterhalt seiner Familie aufzukommen. Die belangte Behörde komme daher zu dem Schluss, dass der Beschwerdeführer zur Verbesserung seiner wirtschaftlichen Lage und somit freiwillig in den Militärdienst des Staates Israel getreten sei.
Ob sich der Beschwerdeführer, der vom Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft damals nichts gewusst habe, der staatsbürgerschaftsrechtlichen Folgen dieses Schrittes bewusst gewesen sei oder auch nur bewusst habe sein können, sei für die Beurteilung, ob der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft eingetreten sei, ohne Belang.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Sie bringt im Wesentlichen vor, der Beschwerdeführer habe die österreichische Staatsbürgerschaft zum Zeitpunkt seines Armeeeintritts gar nicht verlieren können, da er diese nach der damaligen österreichischen Rechtsprechung "niemals erworben" habe. Hätte er nämlich vor Eintritt in die israelische Berufsarmee den Antrag gestellt festzustellen, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft mit Geburt kraft Abstammung erworben habe, wäre dieser Antrag nach der damals bestehenden Entscheidungspraxis negativ erledigt worden. Nach damaliger Rechtsansicht der Staatsbürgerschaftsbehörden wäre vielmehr angenommen worden, dass sein Vater durch Nichtausschlagung des Erwerbes der israelischen Staatsangehörigkeit den Verlusttatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1949 verwirklicht und somit die österreichische Staatsbürgerschaft verloren habe. Es könne nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer durch Setzung eines Verlusttatbestandes vor Änderung der Rechtspraxis - in Folge des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Jänner 2001, Zl. 2000/01/0202 - die Staatsbürgerschaft verloren habe, sei doch das Bestehen der Staatsbürgerschaft erst danach ex tunc festgestellt worden.
Zum Vorliegen einer unverschuldeten Notlage zum Zeitpunkt seines Eintritts in die israelische Berufsarmee habe der Beschwerdeführer schon im Verfahren vor der belangten Behörde vorgebracht, dass die wirtschaftliche Situation in Israel damals sehr schlecht und es ihm in Ermangelung einer entsprechenden Ausbildung nicht möglich gewesen sei, außerhalb des Militärs - als in den 1980er Jahren größtem Arbeitgeber - einen anderen Arbeitsplatz zu finden, mit dem er den Lebensunterhalt seiner Familie hätte bestreiten können. Wenn die belangte Behörde darauf abstelle, dass der Beschwerdeführer zuvor mehrere Jahre lang durchaus in der Lage gewesen sei, für seinen und den Lebensunterhalt seiner Familie aufzukommen, berücksichtige sie nicht, dass er erst nach der Geburt seines zweiten Kindes und der damit verbundenen Änderung seiner Lebensumstände in die Armee eingetreten sei. Schließlich sei die Notlage auch nicht durch eine gegen die Interessen der Republik Österreich gerichtete Handlung ausgelöst worden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die zum Zeitpunkt des Eintritts des Beschwerdeführers in die israelische Berufsarmee am 1. Juli 1981 in Geltung gestandene Bestimmung des § 32 Staatsbürgerschaftsgesetz 1965, BGBl. Nr. 250/1965 (zur Beurteilung staatsbürgerschaftsrechtlicher Sachverhalte nach der zum betreffenden Zeitpunkt geltenden Rechtslage vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. März 2010, Zl. 2007/01/0482, mwN), hatte folgenden Wortlaut:
"Eintritt in den Militärdienst eines fremden Staates
§ 32. Die Staatsbürgerschaft verliert, wer freiwillig in den Militärdienst eines fremden Staates tritt. § 27 Abs. 2 findet sinngemäß Anwendung."
Dass die belangte Behörde als Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides § 32 StbG (1985) anführt, schadet insofern nicht, als beide Bestimmungen (bei nahezu identem Wortlaut) denselben Regelungsinhalt aufweisen und durch die Wiederverlautbarung lediglich die Formulierung aktualisiert wurde (vgl. dazu nochmals das hg. Erkenntnis vom 15. März 2010). Davon scheint auch die belangte Behörde auszugehen, wenn sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf "§ 32 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 (StbG 1965), BGBl. Nr. 250/1965, wiederverlautbart als Staatsbürgerschaftsgesetz 1985" Bezug nimmt.
2. Der vorliegende Beschwerdefall gleicht insoweit, als es für den Tatbestand des Verlustes der Staatsbürgerschaft durch den Eintritt in den Militärdienst eines fremden Staates auf die Voraussetzung der Freiwilligkeit ankommt, es in diesem Zusammenhang aber nicht relevant ist, ob der Beschwerdeführer vom Vorliegen der österreichischen Staatsbürgerschaft wusste, jenem, der mit dem hg. Erkenntnis vom 15. März 2010, Zl. 2007/01/0482, entschieden wurde. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG kann daher auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen werden.
3. Ausgehend von der dort dargestellten hg. Rechtsprechung kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie fallbezogen nicht erkennen konnte, dass sich der Beschwerdeführer auf Grund seiner damaligen Situation nicht bloß in einer wirtschaftlichen Notlage befunden habe, sondern der Eintritt in die israelische Berufsarmee vielmehr seine einzige Möglichkeit zur Überwindung dieser Notlage gewesen sei. Dass die Notlage (darüber hinaus) nicht durch eine gegen die Interessen der Republik Österreich gerichtete Handlung des Betreffenden ausgelöst worden sein darf, ergibt sich zwar ebenfalls aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 28. Juni 1961, Zl. 2474/60 = VwSlgNF 5599/A), es findet sich im angefochtenen Bescheid jedoch kein Hinweis, wonach die belangte Behörde dies im Falle des Beschwerdeführers in Betracht gezogen hätte.
4. Dem Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer hätte die österreichische Staatsbürgerschaft "nach damaliger Rechtsansicht" mit seiner Geburt gar nicht erworben und somit durch den Eintritt in den israelischen Militärdienst auch nicht verlieren können, ist zu entgegnen, dass Gegenstand des von der belangten Behörde durchgeführten Feststellungsverfahrens nicht das (hypothetische) frühere Vorliegen der österreichischen Staatsbürgerschaft unter Anwendung einer bestimmten (überholten) Rechtsansicht war, sondern die Beurteilung, ob der Beschwerdeführer die Staatsbürgerschaft zum Entscheidungszeitpunkt innehatte. Nur dazu war nach den in den fraglichen Zeitpunkten jeweils maßgeblichen staatsbürgerschaftsrechtlichen Vorschriften zu beurteilen, ob der Beschwerdeführer die Staatsbürgerschaft erworben bzw. allenfalls wieder verloren hat.
5. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
6. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
7. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 16. Dezember 2010
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