Normen
AVG §68 Abs1;
BauO Tir 1978 §7 Abs5;
BauO Tir 1989 §7 Abs8;
BauO Tir 1989 §7;
BauO Tir 2001 §6 Abs6;
BauRallg;
StGG Art5;
VwGG §34 Abs1 impl;
AVG §68 Abs1;
BauO Tir 1978 §7 Abs5;
BauO Tir 1989 §7 Abs8;
BauO Tir 1989 §7;
BauO Tir 2001 §6 Abs6;
BauRallg;
StGG Art5;
VwGG §34 Abs1 impl;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und den zweit- und drittmitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bauansuchen vom 21. Oktober 1996 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung der Baubewilligung für ein Glashaus für gärtnerische Zwecke auf dem Grundstück R.-Straße 11. Zur Vorgeschichte (Zurückweisung dieses Bauansuchens gemäß § 13 Abs. 3 AVG) ist auf das hg. Erkenntnis vom 4. April 2002, Zl. 2000/06/0143, zu verweisen. In der Folge dieses Vorerkenntnisses und nach aufhebenden Bescheiden der belangten Behörde vom 9. Juli 2002 und des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 1. September 2003 fand am 6. Oktober 2005 über dieses Bauansuchen eine mündliche Verhandlung statt. Dabei wurde seitens des Vertreters der Nachbarn B.H. und O.H. zu Protokoll gegeben, dass keinerlei Bereitschaft zu einer Zustimmung zu einer Zusammenbauvereinbarung oder zu einer Verbauung von mehr als 50 % der gemeinsamen Grundstücksgrenze bestehe. Das Bauvorhaben widerspreche den Bestimmungen der Bauordnung hinsichtlich der Abstandsbestimmungen und der gemeinsamen Verbauung der Grundgrenze.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 3. April 2006 wurde das Bauansuchen vom 21. Oktober 1996 gemäß § 31 Abs. 4 lit. c der Tiroler Bauordnung 1989 (BO) abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid erhob unter anderem der Beschwerdeführer Berufung, die mit Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 13. September 2006 abgewiesen wurde. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Länge der gemeinsamen Grundgrenze betrage 25,70 m. Die Hälfte betrage daher 12,85 m. Die gemeinsame Grundgrenze wäre bei Ausführung des gegenständlichen Bauvorhabens auf einer Länge von ca. 19,50 m im Mindestabstandsbereich bebaut. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers müsse die frei bleibende Restgrenze aber mindestens die Hälfte betragen, sodass nicht die gemeinsame Grundgrenze bis zu insgesamt 100 % verbaut werden könne. Eine Zustimmung der betroffenen Nachbarn liege nicht vor.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass mit dem nunmehrigen Bauvorhaben insgesamt mehr als die Hälfte der gemeinsamen Grundgrenze zwischen den Grundstücken des Beschwerdeführers und von B.H. und O.H. im Mindestabstandsbereich bebaut würde. Eine Zustimmungserklärung der betroffenen Nachbarn für eine über die Hälfte hinausgehende Verbauung liege nicht vor. Die Motive, weshalb die Nachbarn eine solche Zustimmungserklärung nicht erteilt hätten, seien unbeachtlich.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die zweit- und drittmitbeteiligten Parteien, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Auf Grund des § 59 Abs. 1 der Tiroler Bauordnung 2001 ist auf das hier gegenständliche Verfahren, da es im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Tiroler Bauordnung 2001 am 1. März 1998 bereits anhängig gewesen ist, die Tiroler Bauordnung 1989 anzuwenden.
§ 7 der Tiroler Bauordnung 1989, LGBl. Nr. 33, hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
"(6) In den Abstandsflächen, die sich aus den Mindestabständen von drei oder vier Metern nach Abs. 1 ergeben, dürfen folgende bauliche Anlagen errichtet werden:
a) oberirdische bauliche Anlagen, wenn die Höhe der der Grundstücksgrenze zugekehrten Wand 2,80 Meter, bei baulichen Anlagen im Gewerbe- und Industriegebiet sowie bei Glashäusern für gärtnerische Zwecke 3,50 Meter nicht übersteigt.
...
(8) Die Abstandsflächen, die sich aus den Mindestabständen von drei oder vier Metern nach Abs. 1 ergeben, dürfen insgesamt nur im Ausmaß von höchstens 10 v.H. der Fläche des Bauplatzes mit oberirdischen baulichen Anlagen verbaut werden. Dies gilt nicht für Glashäuser für gärtnerische Zwecke, für Einfriedungen und Stützmauern sowie für die nach Abs. 7 zulässigen Anbauten. Die nach Abs. 6 lit. a zulässigen baulichen Anlagen dürfen nur in einem solchen Ausmaß errichtet werden, daß gegenüber den Nachbarn zu jeder Seite hin mindestens die Hälfte der gemeinsamen Grundstücksgrenze von baulichen Anlagen frei bleibt, die weniger als drei Meter von der Grundstücksgrenze entfernt sind, außer der betroffene Nachbar stimmt einer weitergehenden Verbauung ausdrücklich zu.
..."
Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, seine Rechtsansicht, dass er beliebig 50 % der Nachbargrenze bebauen könne, würde durch das hg. Erkenntnis vom 18. November 1982, Zl. 81/06/0078, gestützt. Die Rechtsansicht der belangten Behörde, wonach der Beschwerdeführer mehr als die Hälfte der Grundstücksgrenze nur mit Zustimmung der Nachbarn verbauen dürfte, führte zu einem unhaltbaren, vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnis, weil es damit der Willkür der Nachbarn überlassen bliebe, ob der Beschwerdeführer einen bestimmten Bau ausführen dürfe. Den Nachbarn stünde etwa die Möglichkeit offen, ihr Grundstück in sechs Grundstücke zu unterteilen, sodass der Beschwerdeführer zu jedem dieser Grundstücke eine gemeinsame Grenze von 4,27 m hätte. Davon dürfte er nach Ansicht der belangten Behörde jeweils nur die Hälfte, also jeweils nur 2,13 m verbauen. Die Rechtsansicht der belangten Behörde führte zu einer Verfassungswidrigkeit des Gesetzes, da der Beschwerdeführer damit der Willkür der Nachbarn ausgesetzt und in seinem Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt wäre. Sechs Eigentümer könnten ohne Zustimmung des Beschwerdeführers an der gemeinsamen Grundstücksgrenze 50 % auf ihrer Seite verbauen mit der Rechtsfolge, dass der Beschwerdeführer dann sein Grundstück an der Grenze vollkommen von baulichen Anlagen freizuhalten hätte. Es wäre der Willkür und dem Belieben der Anrainer überlassen, ob sie einer Verbauung auf seiner Seite zustimmten. Es werde nirgends geregelt, unter welchen Umständen sie verpflichtet seien, der Bauführung auf der Seite des Beschwerdeführers zuzustimmen, weil sie vorher schon 50 % verbaut hätten, wofür sie die Zustimmung des Beschwerdeführers nicht benötigt hätten. Außerdem sei die Rechtsausübung der Nachbarn sittenwidrig und schikanös, was die belangte Behörde hätte aufgreifen müssen. Die belangte Behörde habe sich auch in ihrer Bescheidbegründung mit den Argumenten des Beschwerdeführers nicht ausreichend auseinandergesetzt.
Soweit sich der Beschwerdeführer auf das hg. Erkenntnis vom 18. November 1982, Zl. 81/06/0078, beruft, ist daraus für ihn nichts zu gewinnen, weil der Verwaltungsgerichtshof damals an die aufhebende Begründung eines Vorstellungsbescheides gebunden gewesen ist.
Im Übrigen hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits zur Bestimmung des § 7 der Tiroler Bauordnung 1978, LGBl. Nr. 43, im hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1989, Zl. 86/06/0263, betreffend die Wendung, dass mindestens die Hälfte der gemeinsamen Grundstücksgrenze "zu jeder Seite hin" von baulichen Anlagen frei bleiben muss, auseinandergesetzt und ausgeführt, dass diese Worte nach ihrem eindeutigen Sprachsinn bedeuten, dass der Abstand an beiden Seiten der gemeinsamen Grundstücksgrenze, eben nach jeder Seite hin, gewahrt werden müsse. Eben diese Rechtsauffassung hat der Verwaltungsgerichtshof auch zur Tiroler Bauordnung 2001 vertreten (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2006/06/0214). Auch für die hier gegenständliche Regelung des § 7 Abs. 8 der Tiroler Bauordnung 1989 kann nichts anderes gelten. Die Rechtsauffassung des Beschwerdeführers, dass er nach seinem Belieben die Hälfte der Grundstücksgrenze verbauen kann, erweist sich somit als unzutreffend.
Soweit sich der Beschwerdeführer auf das Schikaneverbot beruft und geltend macht, dass die belangte Behörde sein diesbezügliches Vorbringen hätte in der Sache aufgreifen müssen, ist gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2006/06/0214, zu verweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag im Übrigen nicht zu erkennen, dass eine Regelung wie die vorliegende, die eine Bebauung an der gemeinsamen Grundstücksgrenze von der Zustimmung des Nachbarn abhängig macht, verfassungsrechtlich bedenklich ist. Der Gesetzgeber kann - wie hier geschehen - sachlich gerechtfertigt Mindestabstände festlegen. Abgesehen davon erlaubt er hier ohnedies eine Bebauung bis zur Hälfte der gemeinsamen Grundstücksgrenze, und zwar ohne Zustimmung des Nachbarn. Die hier maßgebende Regelung bewirkt nun lediglich, dass der später bauende Nachbar dann, wenn bereits im Ausmaß der Hälfte der Grundstücksgrenze an seine Liegenschaft herangebaut worden ist, zukünftige Baulichkeiten grundsätzlich nur mehr in diesem Bereich situieren kann. Nur dann, wenn er eine andere Situierung plant oder ein längeres Maß an der Grenze verbauen will, bedarf er der Zustimmung des Nachbarn. Es ist nicht unsachlich, in diesem Fall eine Zustimmung des Nachbarn zu verlangen, kann doch davon ausgegangen werden, dass dieser baurechtlich typische Interessen an der Freihaltung von Seitenabständen hat. Im Übrigen ist auch anzunehmen, dass bei der Aufschließung von Bauplätzen eine Situation, wie sie der Beschwerdeführer schildert, nämlich dahingehend, dass seine Liegenschaft an sechs verschiedene Liegenschaften angrenzen könnte, im Regelfall nicht vorkommt. Dem Gesetzgeber kann es nicht als Unsachlichkeit vorgeworfen werden, wenn er zugrundegelegt hat, dass solche zersplitterten Grundbesitzverhältnisse im Zusammenhang mit Bauplätzen nicht vorliegen werden. Anders als der Beschwerdeführer vermeint, stellt die gegenständliche Regelung somit keine exzessive oder unsachliche und damit verfassungsrechtlich bedenkliche Einschränkung seines Eigentumsrechtes dar, sondern im Hinblick darauf, dass grundsätzlich Abstandsbestimmungen einzuhalten sind, sogar eine Begünstigung, dass nämlich unter bestimmten Voraussetzungen in diese Seitenabstände (weitergehend) hineingebaut werden darf. Es ist auch nicht zutreffend, dass der Beschwerdeführer damit der Willkür des Nachbarn gleichsam "ausgeliefert" wäre, weil es ihm jederzeit frei steht, ein Bauvorhaben entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen ohne die Inanspruchnahme der vom Gesetz gewährten Ausnahmen, die an die Zustimmung des Nachbarn gebunden sind, zu errichten. Ein Abstellen des Gesetzgebers bei einer weitergehenden Bebauung des Mindestabstandes auf die allfällige Zustimmung des Nachbarn ist verfassungsrechtlich unbedenklich und sachlich. Eine solche Regelung berücksichtigt die Privatautonomie des Nachbarn, eine Einbeziehung der dahinterstehenden inneren Motive des Nachbarn würde - abgesehen davon, dass innere Motive kaum nachweisbar sind -
die Stellung des Nachbarn in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise einschränken.
Bemerkt wird abschließend, dass das hier gegenständliche Bauansuchen vom 21. Oktober 1996 mit jenem vom 10. Februar 2004 (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2006/06/0214) offensichtlich übereinstimmt. Über das Bauansuchen vom 10. Februar 2004 lag mit der zweitinstanzlichen Entscheidung des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 31. März 2006 eine rechtskräftige Entscheidung vor. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Entscheidung einer neuerlichen Sachentscheidung des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde im hier gegenständlichen Verfahren (Bescheid vom 13. September 2006) entgegen gestanden ist. Einerseits ist das hier gegenständliche Bauansuchen nach anderen Rechtsvorschriften zu beurteilen gewesen als jenes vom 10. Februar 2004. Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass die tragenden gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich der Abstandsbestimmungen nicht so geändert worden sind, dass eine andere Beurteilung zu erfolgen gehabt hätte (vgl. dazu Hengstschläger/Leeb, AVG IV, S. 1170, Rz 32), könnte der Beschwerdeführer dadurch, dass nochmals eine Sachentscheidung und keine Zurückweisung des Ansuchens (hier jenes vom 21. Oktober 1996) erfolgt ist, in keinem Recht verletzt sein (vgl. Hengstschläger/Leeb, aaO, S. 1164, Rz 20).
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 24. März 2010
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)