VwGH 2009/21/0301

VwGH2009/21/030122.10.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des H, vertreten durch Dr. Michal Großschedl, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakoministraße 8/II, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 27. August 2009, Zl. FA7C-2-9.N/1625-2009, betreffend Versagung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 44 Abs. 4 NAG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §125 Abs3;
NAG 2005 §11 Abs1 Z1 idF 2005/I/157;
NAG 2005 §11 Abs1 Z1 idF 2009/I/029;
NAG 2005 §11 Abs1 Z3;
NAG 2005 §11 Abs1 Z5;
NAG 2005 §11 Abs1 Z6;
NAG 2005 §11 Abs2 Z2;
NAG 2005 §11 Abs2 Z3;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §44 Abs4 idF 2009/I/029;
VwRallg;
FrPolG 2005 §125 Abs3;
NAG 2005 §11 Abs1 Z1 idF 2005/I/157;
NAG 2005 §11 Abs1 Z1 idF 2009/I/029;
NAG 2005 §11 Abs1 Z3;
NAG 2005 §11 Abs1 Z5;
NAG 2005 §11 Abs1 Z6;
NAG 2005 §11 Abs2 Z2;
NAG 2005 §11 Abs2 Z3;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §44 Abs4 idF 2009/I/029;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Bescheidausfertigung ergibt sich Folgendes:

Der am 16. März 2002 nach Österreich gekommene Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte einen Asylantrag, der am 21. Dezember 2006 in zweiter Instanz rechtskräftig abgewiesen wurde. Bereits davor war gegen den Beschwerdeführer ein am 25. September 2003 in Rechtskraft erwachsenes und bis 31. Jänner 2014 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies der Landeshauptmann von Steiermark (die belangte Behörde) den vom Beschwerdeführer am 14. Juli 2009 gestellten Antrag, ihm gemäß § 44 Abs. 4 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) idF BGBl. I Nr. 29/2009 eine "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" zu erteilen, ab.

Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Zitierung der maßgeblichen Rechtsvorschriften im Wesentlichen aus, einem Fremden dürfe gemäß § 11 Abs. 1 Z 1 NAG ein Aufenthaltstitel nicht erteilt werden, wenn gegen ihn ein Aufenthaltsverbot vorliege. Dabei handle es sich um einen zwingenden Versagungsgrund, bei dessen Vorliegen die Erteilung auch eines Aufenthaltstitels nach § 44 Abs. 4 NAG jedenfalls ausgeschlossen sei und eine Interessenabwägung nach § 11 Abs. 3 NAG nicht zu erfolgen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Vorauszuschicken ist, dass die gegenständliche Beschwerde unter dem Gesichtspunkt der Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges zulässig ist, weil nach § 3 Abs. 2 zweiter Satz NAG gegen Entscheidungen über Anträge auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 44 Abs. 4 NAG eine Berufung nicht zulässig ist.

2.1. Die im vorliegenden Fall relevanten Bestimmungen des NAG in der geltenden Fassung nach der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 lauten:

"Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel

§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

1. gegen ihn ein aufrechtes Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot gemäß §§ 60 oder 62 FPG besteht;

2. gegen ihn ein Aufenthaltsverbot eines anderen EWR-Staates besteht;

3. gegen ihn in den letzten zwölf Monaten eine Ausweisung gemäß § 54 FPG oder § 10 AsylG 2005 rechtskräftig erlassen wurde, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;

4. eine Aufenthaltsehe oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;

5. eine Überschreitung der Dauer des erlaubten sichtvermerksfreien Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder

6. er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

5. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden, und

6. der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) die Integrationsvereinbarung nach § 14 oder ein einzelnes Modul bereits erfüllt hat, soweit er bereits ein Jahr niedergelassen war und ihm kein Aufschub gemäß § 14 Abs. 8 gewährt wurde.

(3) Ein Aufenthaltstitel kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

  1. 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
  2. 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
  3. 4. der Grad der Integration;
  4. 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;
  5. 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
  6. 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

    8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.

    Niederlassungsbewilligung - beschränkt

    § 44 ...

(4) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine quotenfreie 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' erteilt werden, wenn

1. der Drittstaatsangehörige nachweislich seit dem 1. Mai 2004 durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist und

2. mindestens die Hälfte des Zeitraumes des festgestellten durchgängigen Aufenthalts im Bundesgebiet rechtmäßig gewesen ist.

Die Behörde hat dabei den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der Deutschen Sprache, zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 kann auch durch Vorlage einer Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 18) erbracht werden. ..."

2.2. Zur zuletzt zitierten Bestimmung führen die Gesetzesmaterialien (ErlRV 88 BlgNR 24. GP 11) auszugsweise aus:

"Abs. 4 ermöglicht die Erteilung einer quotenfreien 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' für besonders berücksichtigungswürdige 'Altfälle'. Als Voraussetzungen sieht Abs. 4 vor, dass gegen den Betreffenden kein Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot (§ 11 Abs. 1 Z 1 und 2) erlassen wurde, keine Aufenthaltsehe oder Aufenthaltsadoption (§ 11 Abs. 1 Z 4) vorliegt, er seit dem 1. Mai 2004 durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist und der im Verfahren festgestellte durchgängige Aufenthaltszeitraum mindestens zur Hälfte rechtmäßig gewesen ist. (...) Liegen Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 (Unterkunft, Krankenversicherungsschutz, Unterhalt) nicht vor, so kann dies durch die Vorlage einer Patenschaftserklärung ersetzt werden. Es handelt sich um die Substituierung allgemeiner - und nicht besonderer - Erteilungsvoraussetzungen, weshalb die Patenschaftserklärung, wenn nötig, auch im Verfahren zur Verlängerung des Aufenthaltstitels (erstmals) beigebracht werden kann."

3.1. In der Beschwerde wird zunächst gerügt, die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid unrichtig festgestellt, der Beschwerdeführer sei am 16. März 2009 nach Österreich eingereist. Sie habe daher "für die Beurteilung des Sachverhaltes einen gravierenden Fehler im Rahmen der Aufenthaltsdauer in Österreich gesetzt, welcher bereits zur Unrichtigkeit des Bescheides führt."

3.2. Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass es sich dabei offenbar nur um einen bloßen Schreibfehler handelt. Das scheint der Beschwerdeführer aber ohnehin erkannt zu haben, wenn er darauf verweist, dass bei einer unterstellten Einreise im Jahr 2009 die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Jahr 2003 und die Beendigung des Asylverfahrens im Jahr 2006 jeweils zeitlich davor gelegen wären. Dass die belangte Behörde aber erkennbar ohnehin von einer Einreise nach Österreich vor dem 1. Mai 2004 und einem (zumindest) seitdem durchgängigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ausgegangen ist, wird aber schon dadurch deutlich, dass die Abweisung des gegenständlichen Niederlassungsbewilligungsantrages nicht auf die Nichterfüllung der Voraussetzung nach § 44 Abs. 4 Z 1 NAG gestützt wurde. Eine diesbezügliche Rechtsverletzung des Beschwerdeführers ist daher nicht erkennbar.

4.1. Die Antragsabweisung wurde von der belangten Behörde vielmehr nur auf das Vorliegen des Versagungsgrundes nach § 11 Abs. 1 Z 1 NAG gestützt. Der Beschwerdeführer bestreitet auch nicht, dass gegen ihn im Jahr 2003 ein rechtskräftiges, noch nicht abgelaufenes Aufenthaltsverbot erlassen wurde. Die belangte Behörde hat zwar die Bestimmung des § 125 Abs. 3 FPG übersehen, derzufolge ein gegen einen Fremden, der am 1. Jänner 2006 Asylwerber war, noch gültig bestehendes Aufenthaltsverbot als Rückkehrverbot gilt. Das schadet aber nicht. Der Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z 1 NAG in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle 2009 liegt nämlich - anders als nach der von der belangten Behörde zitierten und offenbar irrtümlich noch herangezogenen Fassung vor der genannten Novelle - nicht nur bei Bestehen eines "aufrechten" Aufenthaltsverbotes, sondern auch bei Bestehen eines "aufrechten" Rückkehrverbotes vor.

4.2. Dass der genannte Versagungsgrund auch für die Erteilung einer beschränkten Niederlassungsbewilligung für "Altfälle" gemäß § 44 Abs. 4 NAG gilt, ist schon nach dessen Wortlaut evident, wonach nur die Erteilungshindernisse gemäß § 11 Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 NAG der Gewährung eines solchen humanitären Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen im Hinblick auf den hohen Integrationsgrad nicht entgegenstehen sollen und lediglich der Nachweis der Erfüllung der Bedingungen des § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 NAG durch Vorlage einer Patenschaftserklärung erbracht werden kann (siehe dazu auch die oben zitierten ErläutRV).

4.3. Soweit der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde sei zu Unrecht nicht auf § 11 Abs. 3 NAG eingegangen, übersieht sie ebenfalls, dass auch diese Bestimmung ihrem Wortlaut nach nicht bei Vorliegen eines Erteilungshindernisses nach § 11 Abs. 1 Z 1 NAG anzuwenden ist. In einem solchen Fall darf ein Aufenthaltstitel - zwingend - nicht erteilt werden. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde war daher nicht zu prüfen, ob bei Anwendung dieses Versagungsgrundes ein Eingriff in ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Recht des Beschwerdeführers gerechtfertigt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. September 2006, Zl. 2006/18/0264, und daran anschließend etwa das Erkenntnis vom 14. Juni 2007, Zl. 2007/18/0240).

4.4. Nach dem Gesagten gehen somit die in der Beschwerde - sowohl unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens eines besonders berücksichtigungswürdigen Falles (§ 44 Abs. 4 NAG) als auch unter dem Gesichtspunkt der gebotenen Aufrechterhaltung eines Familien- und Privatlebens (§ 11 Abs. 3 NAG) - enthaltenen Ausführungen betreffend das Vorliegen bestimmter integrationsbegründender Umstände und die diesbezügliche Verfahrensrüge ins Leere.

5. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 22. Oktober 2009

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte