VwGH 2009/04/0224

VwGH2009/04/022411.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der E GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Günther Loibner, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 19. Jänner 2009, Zl. UVS-MIX/42/223/2009-2, betreffend Auskunftserteilung nach dem Auskunftspflichtgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AuskunftspflichtG Wr 1988 §3 Abs3;
AuskunftspflichtG Wr 1988 §4;
AuskunftspflichtG Wr 1988;
B-VG Art20 Abs4 zweiter Satz;
B-VG Art20 Abs4;
AuskunftspflichtG Wr 1988 §3 Abs3;
AuskunftspflichtG Wr 1988 §4;
AuskunftspflichtG Wr 1988;
B-VG Art20 Abs4 zweiter Satz;
B-VG Art20 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Das Land Wien hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 22. September 2008 - gerichtet an den Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den

22. Bezirk - gab die beschwerdeführende Partei bekannt, sie sei Organisator des Europäischen Röntgenkongresses in den Räumlichkeiten des Austria Center Vienna. In diesem Zusammenhang ersuche sie um Auskunft, wieviele Personen sich zulässigerweise, z. B. aufgrund einer nach der Gewerbeordnung erteilten Betriebsanlagenbewilligung, gleichzeitig im Austria Center Vienna aufhalten dürfen. Als Grundlage für das Auskunftsbegehren nannte die beschwerdeführende Partei sowohl das Auskunftspflichtgesetz des Bundes als auch das Wiener Auskunftspflichtgesetz sowie "sämtliche sonstige Rechtsvorschriften, auf deren Grundlage Auskunft über die erbetene Anfrage zu erteilen ist".

Nachdem der Magistrat der Stadt Wien mit Schreiben vom 20. Oktober 2008 mitgeteilt hatte, dass dem Antrag nicht entsprochen werden könne, beantragte die beschwerdeführende Partei mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2008 die bescheidmäßige Erledigung ihres Auskunftsersuchens.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 19. Dezember 2008, Zl. MBA 22-7222/08, wurde das genannte Auskunftsbegehren abgewiesen und als Rechtsgrundlage § 4 iVm § 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Auskunftspflicht der Verwaltung des Bundes (Auskunftspflichtgesetz), BGBl. Nr. 287/1987 idgF., angeführt.

Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG als unzulässig zurück und begründete dies zusammengefasst damit, dass ein Instanzenzug gegen den genannten erstinstanzlichen Bescheid nicht vorgesehen sei.

Dazu führte sie aus, dass das gegenständliche Auskunftsbegehren an ein Gemeindevollzugsorgan im organisatorischen Sinne, nämlich an den Magistrat der Stadt Wien in seiner Eigenschaft als Bezirksverwaltungsbehörde nach dem Gewerberecht gerichtet gewesen sei, somit nicht an ein Bundesorgan im organisatorischen Sinne. Die Behörde erster Instanz hätte daher über das gegenständliche Auskunftsbegehren nicht auf der Grundlage des Auskunftspflichtgesetzes des Bundes entscheiden dürfen, sondern sie hätte - so die belangte Behörde weiter - "mangels sachlicher Entscheidungskompetenz diesen Antrag zurückweisen müssen". Ungeachtet dessen sei die belangte Behörde zur Entscheidung über die Berufung gegen den Bescheid vom 19. Dezember 2008 nicht zuständig, weil es für eine solche Zuständigkeit keine gesetzliche Grundlage gebe.

Nach Rechtsansicht der belangten Behörde könne aus der Rechtsordnung aber auch keine andere zuständige Berufungsbehörde erschlossen werden. Da sich nämlich der in Rede stehende erstinstanzliche Bescheid ausdrücklich auf das Auskunftspflichtgesetz des Bundes als Rechtsgrundlage stütze, sei nach Auffassung der belangten Behörde "aufgrund des föderalistischen Prinzips davon auszugehen, dass zur Ermittlung

des Instanzenzuges ... keine landesgesetzlichen Vorschriften

herangezogen werden" könnten. Daher komme mangels Berufungsbehörde eine Weiterleitung der Berufung nicht in Betracht, die Berufung sei vielmehr wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese mit Beschluss vom 22. Juni 2009, B 301/09-3, abgelehnt und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat. Die beschwerdeführende Partei hat die Beschwerde ergänzt, die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet. In dieser hält sie die Rechtsansicht aufrecht, dass der erstinstanzliche Bescheid vom 19. Dezember 2008 nicht mit Berufung sondern nur mit einer Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts bekämpft hätte werden können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gegenstand des vorliegenden Verwaltungsverfahrens ist das - an den Magistrat der Stadt Wien gerichtete - Auskunftsersuchen vom 22. September 2008.

Gemäß Art. 20 Abs. 4 erster Satz B-VG haben alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegen steht.

Gemäß Art. 20 Abs. 4 zweiter Satz B-VG sind die näheren Regelungen hinsichtlich der Organe des Bundes sowie der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache, hinsichtlich der Organe der Länder und Gemeinden sowie der durch die Landesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung in der Grundsatzgesetzgebung Bundessache, in der Ausführungsgesetzgebung und in der Vollziehung Landessache.

Der zweite Satz des Art. 20 Abs. 4 B-VG knüpft an einen organisatorischen Organbegriff ("Organe des Bundes"; "Organe der Länder") an. Die Auskunftspflicht der Landes- und Gemeindeverwaltungsorgane (im organisatorischen Sinn) ist daher in der Ausführungsgesetzgebung und in der Vollziehung Landessache. Daher ist auch die Auskunftserteilung durch Landesorgane im organisatorischen Sinn - etwa eine Bezirkshauptmannschaft - in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung durch die Auskunftspflichtgesetze der Länder zu regeln (vgl. zum Ganzen Wieser in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, B-VG, Art. 20 Abs. 4 Rz 21 ff). Was den Rechtschutz in Auskunftssachen betrifft, so ist auch hinsichtlich der Zuständigkeit der Berufungsbehörde von einer organisatorischen Anknüpfung auszugehen. Im Anwendungsbereich der Landesauskunftspflichtgesetze geht somit, sofern das betreffende Gesetz keine Sonderregelungen enthält, der Instanzenzug losgelöst vom Instanzenzug in der Sache, in welcher Auskunft begehrt wurde, von der untergeordneten Landesbehörde (im organisatorischen Sinn) an die organisatorisch übergeordnete Landesbehörde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2005, Zl. 2002/08/0253, mit Hinweis auf die Vorjudikatur und auf Wieser, aaO, Rz 69).

Im vorliegenden Beschwerdefall war das Auskunftsbegehren der beschwerdeführenden Partei an eine Landesbehörde im organisatorischen Sinn, den Magistrat der Stadt Wien, gerichtet, dessen Auskunftspflicht sich nach dem Gesagten nach dem Wiener Auskunftspflichtgesetz, LGBl. Nr. 20/1988 idgF, richtet.

Daher kommt es im gegenständlichen Fall ausschließlich darauf an, dass der Magistrat der Stadt Wien als Landesbehörde im organisatorischen Sinn das an ihn gerichtete Auskunftsbegehren bescheidmäßig zu erledigen hatte (§ 3 Abs. 3 Wiener Auskunftspflichtgesetz) und dass daher (ungeachtet des Spruches dieses Bescheides) der Instanzenzug - unter Berücksichtigung allfälliger Sonderregelungen im Wiener Auskunftspflichtgesetz - von der untergeordneten Landesbehörde an die organisatorisch übergeordnete Landesbehörde geht:

Gemäß § 4 des Wiener Auskunftspflichtgesetzes besorgen die Gemeindeorgane die in diesem Gesetz geregelten Aufgaben im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde. Gemäß § 99 der Wiener Stadtverfassung entscheidet in den zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde gehörenden Angelegenheiten, sofern nicht durch ein Gesetz eine andere Rechtsmittelinstanz gegeben ist, der Berufungssenat über Rechtsmittel gegen Verfügungen oder Entscheidungen des Magistrates.

Die belangte Behörde hätte daher die Berufung gemäß § 6 Abs. 1 AVG an die zuständige Berufungsbehörde weiterleiten müssen und war somit zur Erlassung des angefochtenen Bescheides unzuständig (vgl. zum Ganzen auch das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2009/04/0223, dem allerdings eine Entscheidung nach dem Wiener Auskunftspflichtgesetz zu Grunde lag).

Der angefochtene Bescheid war daher infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 11. November 2009

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