VwGH 2009/04/0223

VwGH2009/04/022311.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der E GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Günther Loibner, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 3, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 29. April 2009, Zl. MA 26 - 16/09, betreffend Auskunftserteilung nach dem Wiener Auskunftspflichtgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AuskunftspflichtG Wr 1988 §1 Abs1;
B-VG Art20 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AuskunftspflichtG Wr 1988 §1 Abs1;
B-VG Art20 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Wien hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 22. September 2008 - gerichtet an den Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den

22. Bezirk - gab die beschwerdeführende Partei bekannt, sie sei Organisator des Europäischen Röntgenkongresses in den Räumlichkeiten des Austria Center Vienna. In diesem Zusammenhang ersuche sie um Auskunft, wieviele Personen sich zulässigerweise, z. B. auf Grund einer nach der Gewerbeordnung erteilten Betriebsanlagenbewilligung, gleichzeitig im Austria Center Vienna aufhalten dürfen. Als Grundlage für das Auskunftsbegehren nannte die beschwerdeführende Partei sowohl das Auskunftspflichtgesetz des Bundes als auch das Wiener Auskunftspflichtgesetz sowie "sämtliche sonstige Rechtsvorschriften, auf deren Grundlage Auskunft über die erbetene Anfrage zu erteilen ist".

Nachdem der Magistrat der Stadt Wien mit Schreiben vom 20. Oktober 2008 mitgeteilt hatte, dass dem Antrag nicht entsprochen werden könne, beantragte die beschwerdeführende Partei mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2008 die bescheidmäßige Erledigung ihres Auskunftsersuchens.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 19. Dezember 2008, Zl. MBA 22-9657/08, wurde das erwähnte Auskunftsbegehren abgewiesen und als Rechtsgrundlage § 3 Abs. 3 iVm § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Auskunftspflicht (Wiener Auskunftspflichtgesetz), LGBl. Nr. 20/1988 idgF., genannt.

In der Begründung wurde ausgeführt, gemäß § 1 Abs. 1 leg. cit. hätten die Organe des Landes und der Gemeinde Wien sowie der durch Landesgesetz geregelten Selbstverwaltung Auskunft über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches zu erteilen, soweit dem nicht eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht entgegenstehe. Im vorliegenden Fall stehe der begehrten Auskunft nach Ansicht der belangten Behörde die Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit entgegen, weil gemäß Art. 20 Abs. 3 B-VG alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt sei, zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet seien, deren Geheimhaltung (u.a.) im überwiegenden Interesse der Parteien geboten sei. Die Bekanntgabe der begehrten Auskunft über die zulässige Höchstzahl von Kongressteilnehmern würde, so die belangte Behörde, Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Situation bzw. auf die Wettbewerbsfähigkeit des Betreibers des Austria Center Vienna zulassen. Bei der höchstzulässigen Teilnehmerzahl einer Veranstaltung im Rahmen einer bestimmten Veranstaltungsstätte handle es sich daher zweifellos "um Angaben, die für die Wettbewerbsfähigkeit eines Veranstalters bedeutsam" seien. Daher sei, so die belangte Behörde weiter, von einem Überwiegen der Geheimhaltungsinteressen des Anlageninhabers auszugehen, sodass die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit der gewünschten Auskunftserteilung gegenüberstehe. Im Übrigen bestehe für die beschwerdeführende Partei die Möglichkeit, die gewünschte Information bei ihrem Vertragspartner, dem Betreiber des Austria Center Vienna, einzuholen. Dass die beschwerdeführende Partei dies versucht hätte, sei nicht behauptet worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage des Verwaltungsaktes und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Zunächst wird hinsichtlich der Zuständigkeit der belangten Behörde auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2009/04/0224, verwiesen.

Die Beschwerde wendet sich gegen die Rechtsansicht der belangten Behörde, dass der gegenständlich beantragten Auskunftserteilung die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit entgegen stehe. Ein zu schützendes Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis des Betreibers des Austria Center Vienna liege schon deshalb nicht vor, weil der Betreiber des Austria Center Vienna auf seiner Website im Internet die Kapazität der Veranstaltungsstätte mit 15.000 Personen angegeben habe (Ausdruck der Website der Beschwerde als Beilage angeschlossen). Schon diese Veröffentlichung zeige, dass es sich hiebei nicht um ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis handle. Dass die beschwerdeführende Partei ungeachtet dieser Veröffentlichung ein Interesse an der Auskunft habe, ergebe sich daraus, dass der Betreiber des Austria Center Vienna in einem (mit der Beschwerde vorgelegten) Schreiben vom 21. Mai 2008 - abweichend von der im Internet veröffentlichten Zahl - das Gesamtfassungsvermögen der Veranstaltungsstätte mit

20.208 Personen bekannt gegeben habe. Hätte die belangte Behörde daher das Parteiengehör eingeräumt, so hätte sie erkennen müssen, dass sich die beschwerdeführende Partei sehr wohl bemüht habe, die Auskunft vom Betreiber der Veranstaltungsstätte zu erlangen. Selbst wenn man aber mit der belangten Behörde von einem Geheimhaltungsinteresse des Betreibers des Austria Center Vienna ausginge, so wäre dieses im Rahmen der Interessenabwägung des Art. 20 Abs. 3 B-VG weniger gewichtig als das in Rede stehende Auskunftsinteresse. Die beschwerdeführende Partei müsse nämlich als Organisatorin von Veranstaltungen Kenntnis über die maximal zulässige Zahl der Besucher haben, weil sie bei der Veranstaltung eines Kongresses auf Fluchtwege und allenfalls erforderliche Evakuierungspläne Bedacht zu nehmen habe.

Die Beschwerde ist berechtigt:

Gemäß § 1 Abs. 1 Wiener Auskunftspflichtgesetz, LGBl. Nr. 20/1988 in der Fassung LGBl. Nr. 29/1999, haben die Organe des Landes und der Gemeinde Wien sowie der durch Landesgesetz geregelten Selbstverwaltung über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskunft zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht.

Im vorliegenden Beschwerdefall hat die belangte Behörde das Auskunftsbegehren der beschwerdeführenden Partei ausschließlich mit der Begründung abgewiesen, dass eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht im Sinne des Art. 20 Abs. 3 B-VG vorliege und dazu auf ein überwiegendes Interesse des Betreibers des Austria Center Vienna an der Geheimhaltung der Auskunft verwiesen.

Im angefochtenen Bescheid wird einerseits nicht nachvollziehbar begründet, weshalb durch die Erteilung einer Auskunft an einen potentiellen Geschäftspartner betreffend die maximale Kapazität der Veranstaltungsstätte überhaupt ein berechtigtes Interesse des Inhabers der Veranstaltungsstätte verletzt wird, zeigt doch gerade die Veröffentlichung entsprechender Informationen im Internet, dass die Bekanntgabe solcher Daten offenbar werbewirksam sein kann.

Andererseits wäre der angefochtene Bescheid, selbst wenn man mit der belangten Behörde von einem Geheimhaltungsinteresse des Anlageninhabers ausginge, mit einem Begründungsmangel behaftet, weil es die belangte Behörde unterlassen hat, dieses Geheimhaltungsinteresse gegen das Informationsinteresse der beschwerdeführenden Partei abzuwägen und das "überwiegende Interesse" im Sinne des Art. 20 Abs. 3 B-VG darzulegen.

Der mit einem Begründungsmangel behaftete angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 11. November 2009

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