VwGH 2009/04/0002

VwGH2009/04/000222.4.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde 1. des

A und der L P, 2. des F und der O P und 3. der M S, alle in E, alle vertreten durch Achammer Mennel Welte Achammer Kaufmann Rechtsanwälte GmbH in 6800 Feldkirch, Schloßgraben 10, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 7. November 2008, Zlen. UVS-414-015/E10-2007, UVS-414-016/E10- 2007, betreffend § 79 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei:

S GmbH & Co, vertreten durch Dr. Paul Sutterlüty, Dr. Wilhelm Klagian, Dr. Claus Brändle und MMag. Josef Lercher, Rechtsanwälte in 6850 Dornbirn, Marktstraße 4),

Normen

AVG §39 Abs2;
AVG §8;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
GewO 1994 §356 Abs3;
GewO 1994 §79 Abs1;
GewO 1994 §79 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AVG §39 Abs2;
AVG §8;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
GewO 1994 §356 Abs3;
GewO 1994 §79 Abs1;
GewO 1994 §79 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

I. den Beschluss gefasst:

Soweit mit dem angefochtenen Bescheid der an die mitbeteiligte Partei ergangene Auftrag gemäß § 79 Abs. 3 GewO 1994 behoben wird, wird die dagegen erhobene Beschwerde zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Im Übrigen (Aufhebung des Spruchpunktes II. des erstinstanzlichen Bescheides) wird die Beschwerde abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Spruchpunkt I. des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 22. Juni 2007 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 79 Abs. 3 GewO 1994 aufgetragen, binnen näher genannter Frist ein Sanierungskonzept vorzulegen, um die von der Betriebsanlage (konkret vom Sägegatter des Sägewerks) bei den Beschwerdeführern verursachten Geräuschimmissionen auf ein näher genanntes Maß zu reduzieren.

Unter Spruchpunkt II. wies die Erstbehörde die "sonstigen Anträge" der Beschwerdeführer betreffend weitere behauptete Lärmbelästigungen durch Manipulationen auf dem Rundholzlagerplatz gemäß § 79 Abs. 1 iVm § 79a Abs. 1 und 3 GewO 1994 ab.

In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, dass Beschwerden der Nachbarn über die Lärmemissionen der Betriebsanlage die Gewerbebehörde u.a. zur Durchführung eines Augenscheins am 2. September 2004 und in der Folge zur Einholung mehrerer Gutachten veranlasst hätten. Im Zuge des umfangreichen Ermittlungsverfahrens sei die Gewerbebehörde erster Instanz zu dem Ergebnis gelangt, dass die Schallübertragung infolge der gegenständlich komplexen "Körperschallproblematik" nicht durch bloße Auflagen begrenzbar sei, sondern vom Anlageninhaber, wie unter Spruchpunkt I. vorgeschrieben, ein Sanierungskonzept erstellt werden müsse, für das auch eine intensive Ursachenforschung notwendig sei. Was allerdings die Beschwerden der Nachbarn betreffend die Schallemissionen durch den Abtransport der Stämme vom Rundholzlagerplatz betreffe, so hätten Messungen gezeigt, dass durch diese Tätigkeiten der Betriebsgeräuschpegel nicht auffällig angehoben werde. Daher seien die "nachbarschaftlichen Anträge" betreffend eine Lärmreduktion der Manipulationen beim Rundholzlagerplatz unter Spruchpunkt II. abzuweisen gewesen.

Gegen den Spruchpunkt I. des genannten Bescheides erhob die mitbeteiligte Partei Berufung, der Spruchpunkt II. wurde von den Beschwerdeführern mit Berufung bekämpft.

Mit dem beim Verwaltungsgerichtshof nunmehr angefochtenen Bescheid vom 7. November 2008 wurde diesen Berufungen Folge gegeben und die beiden Spruchpunkte des Bescheides vom 22. Juni 2007 gemäß § 66 Abs. 4 AVG aufgehoben. Nach ausgedehnter Wiedergabe des Verfahrensgeschehens, darunter die ergänzend eingeholten Gutachten, begründete die belangte Behörde die Aufhebung des Spruchpunktes I. damit, dass die Voraussetzungen des § 79 Abs. 3 GewO 1994 für den an die mitbeteiligte Partei gerichteten Auftrag, ein Sanierungskonzept vorzulegen, nicht erfüllt seien. So habe das Ermittlungsverfahren ergeben, dass durch die von der Betriebsanlage ausgehenden Lärmemissionen weder Gesundheitsschäden noch eine unzumutbare Belästigung der Beschwerdeführer zu befürchten seien.

Die Aufhebung des Spruchpunktes II. des erstinstanzlichen Bescheides begründete die belangte Behörde mit der Unzuständigkeit der Erstbehörde: Da die Beschwerdeführer keinen "Antrag auf Einleitung" eines Verfahrens zur Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen im Sinne des § 79 Abs. 1 iVm § 79a Abs. 1 und 3 GewO 1994 gestellt hätten, hätte die Erstbehörde nicht über Anträge der Beschwerdeführer absprechen dürfen und habe daher ihre Zuständigkeit überschritten. Die Beschwerdeführer hätten nämlich lediglich "Stellungnahmen in einem nach § 79 Abs. 1 bzw. Abs. 3 GewO 1994 amtswegig eingeleiteten Verfahren" eingebracht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, eine Gegenschrift erstattet hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur Aufhebung des Auftrages im Sinne des § 79 Abs. 3 GewO 1994:

Soweit die belangte Behörde den Spruchpunkt I. des Bescheides vom 22. Juni 2007 (Auftrag an die mitbeteiligte Partei gemäß § 79 Abs. 3 GewO 1994, ein Sanierungskonzept für die Betriebsanlage vorzulegen) aufgehoben hat, ist die vorliegende Beschwerde der beschwerdeführenden Nachbarn unzulässig:

Die Parteistellung der Nachbarn einer gewerblichen Betriebsanlage in sogenannten Folgeverfahren ist im § 356 Abs. 3 GewO 1994 in der hier maßgebenden Fassung des BGBl. I Nr. 131/2004 abschließend geregelt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2007, Zl. 2006/04/0091, mwN). Daher kommt den Nachbarn gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1994 (unter den in dieser Bestimmung näher genannten Voraussetzungen) Parteistellung im Verfahren betreffend die Sanierung einer Betriebsanlage gemäß § 79 Abs. 3 GewO 1994 nur insoweit Parteistellung zu, als es um die "Genehmigung der Sanierung", also um den zweiten Verfahrensabschnitt im Verfahren nach der letztgenannten Bestimmung geht (vgl. zum zweistufigen Verfahren gemäß § 79 Abs. 3 GewO 1994 auch die hg. Erkenntnisse vom 8. Oktober 1996, Zl. 95/04/0194, und vom 17. März 1998, Zl. 97/04/0078). Aus § 356 Abs. 3 GewO 1994 ergibt sich somit, dass den Nachbarn im ersten Abschnitt des Verfahrens gemäß § 79 Abs. 3 GewO 1994, in dem es - wie gegenständlich - ausschließlich um die Erlassung des Auftrages an den Betriebsinhaber zur Vorlage eines Sanierungskonzeptes geht, keine Parteistellung zukommt.

Da den Beschwerdeführern schon hinsichtlich der Erlassung des Auftrages zur Vorlage eines Sanierungskonzeptes die Parteistellung fehlte, können sie durch die Aufhebung des diesbezüglichen Spruchteiles nicht in subjektiven öffentlichen Rechten im Sinne des Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG verletzt sein.

Die Beschwerde war daher insoweit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Zur Aufhebung des Spruchteiles über die Abweisung von "Anträgen" im Sinne des § 79 Abs. 1 GewO 1994:

Wie sich aus den Feststellungen sowohl des erstinstanzlichen als auch des angefochtenen Bescheides ergibt, hat die Erstbehörde im Hinblick auf Beschwerden von Nachbarn - von Amts wegen - zunächst ein Verfahren gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 zur Vorschreibung zusätzlicher Auflagen eingeleitet, ist dann aber im Zuge dieses Verfahrens zur Ansicht gelangt, dass mit zusätzlichen Auflagen nicht das Auslangen zu finden sei und hat der mitbeteiligten Partei schließlich gemäß § 79 Abs. 3 GewO 1994 die Vorlage eines Sanierungskonzeptes aufgetragen.

Die Beschwerde bringt zwar vor, die Beschwerdeführer hätten in zahlreichen Beschwerden und weiteren Schriftsätzen "klar zum Ausdruck gebracht, dass einerseits die vorgeschriebenen Auflagen nicht eingehalten werden und sie andererseits nicht hinreichend geschützt sind". In der Beschwerde wird aber weder behauptet, dass die Beschwerdeführer bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides den Antrag (§ 79a Abs. 1 GewO 1994) gestellt hätten, die Gewerbebehörde möge ein Verfahren gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 durchführen, noch nennt sie einen konkreten Schriftsatz, der einen solchen Antrag enthalten hätte. Soweit die Beschwerde allerdings auf den in Kopie vorgelegten Schriftsatz vom 30. Dezember 2008 verweist, ist dies schon deshalb nicht zielführend, weil dieser Schriftsatz erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides verfasst wurde.

Daher ist mit der belangten Behörde davon auszugehen, dass bei Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides kein Antrag der Beschwerdeführer gemäß § 79a Abs. 1 GewO 1994 vorlag, über den die Behörde erster Instanz hätte absprechen können. (Die Beschwerdeführer behaupten auch nicht, dass sie im Verfahren gemäß § 79 Abs. 1 leg. cit. andere Anträge gestellt hätten, die Gegenstand des zweiten Spruchteiles der erstinstanzlichen Bescheides hätten sein können.)

Davon zu unterscheiden ist die in der Beschwerde angesprochene Frage, ob den Beschwerdeführern als Nachbarn der Betriebsanlage auch in einem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 die Parteistellung zukommt (vgl. dazu § 356 Abs. 3 leg. cit. und die obzitierte hg. Rechtsprechung). Zwar ist das - zusätzliche - Argument der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, die Beschwerdeführer hätten als Voraussetzung ihrer Parteistellung in diesem Verfahren (von sich aus) "nachweisen" müssen, dass sie schon im Zeitpunkt der Genehmigung der Betriebsanlage Nachbarn gewesen seien, nicht zutreffend (die letztgenannte Bestimmung sieht eine solche Nachweispflicht nicht vor, vielmehr besteht diesbezüglich eine amtswegige Ermittlungspflicht). Die belangte Behörde hat aber die hier in Rede stehende Aufhebung des Spruchpunktes II. des erstinstanzlichen Bescheides, wie dargestellt, nicht auf das Fehlen der Parteistellung, sondern primär auf das nach dem Gesagten zutreffende Argument gestützt, dass die Erstbehörde mangels Antrages der Beschwerdeführer gemäß § 79a Abs. 1 iVm. § 79 Abs. 1 GewO 1994 solche Anträge nicht hätte abweisen dürfen.

Insoweit war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 22. April 2009

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