VwGH 2008/22/0899

VwGH2008/22/089918.6.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des A, vertreten durch Mag. Josef Phillip Bischof, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 26/1/3, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 7. Oktober 2008, Zl. 152.481/2-III/4/2008, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

NAG 2005 §11 Abs2 Z1;
NAG 2005 §11 Abs4 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
NAG 2005 §11 Abs2 Z1;
NAG 2005 §11 Abs4 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines ägyptischen Staatsangehörigen, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde - soweit hier wesentlich - aus, der Beschwerdeführer sei mit der österreichischen Staatsbürgerin K verheiratet. Im Verwaltungsverfahren seien zum Nachweis eines gesicherten Einkommens diverse Einkommensbestätigungen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau vorgelegt worden. Darunter hätten sich auch solche jenes Zeitschriftenhandels, deren Inhaber W gewesen sei, befunden. W sei im April 2006 verstorben. Mit seinem Tod sei der Zeitschriftenhandel geschlossen worden. Somit sei davon auszugehen, dass die nach dem Tod des W ausgestellten Einkommensbestätigungen als falsche Beweismittel zu werten seien. Dies werde durch die von der Bundespolizeidirektion Wien erfolgte Vernehmung des denselben Namen tragenden Sohnes des W bestätigt. Dieser sei geständig gewesen, nach Schließung des Zeitschriftenhandels unrichtige Einkommensbestätigungen für Fremde ausgestellt zu haben. Es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer unter Verwendung einer "falschen Einkommensbestätigung als Beweismittel im aufenthaltsrechtlichen Verfahren" versucht habe, einen Aufenthaltstitel erteilt zu bekommen.

Dabei handle es sich - so die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung - um einen schwerwiegenden Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Normen, die eine geordnete Einwanderung zum Ziel haben. Die Täuschung darüber, dass der Beschwerdeführer über ein gesichertes Einkommen verfüge und sein Aufenthalt in Österreich zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, zeige, dass er nicht gewillt sei, sich an die in Österreich geltende Rechtsordnung zu halten. Sohin liege eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Sinne des § 11 Abs. 4 Z 1 NAG vor, weshalb sein Aufenthalt dem öffentlichen Interesse widerstreite und die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 1 NAG für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht erfüllt seien. Eine Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK ergebe, dass der Beschwerdeführer infolge seiner in Österreich lebenden Ehefrau private Interessen an einem Aufenthalt im Bundesgebiet aufweise. Jedoch sei den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen des Beschwerdeführers der Vorrang einzuräumen, weil auf Grund der Vorlage falscher Beweismittel keine Bereitschaft des Beschwerdeführers zu erkennen sei, die Rechtsordnung jenes Staates, in den er einwandern wolle, zu respektieren und das öffentliche Interesse an der Einhaltung der Zuwanderungsbestimmungen überwiege. Eine Prüfung nach den §§ 72 ff NAG erübrige sich, weil sich der Beschwerdeführer im Ausland aufhalte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde habe die Voraussetzungen für den Tatbestand nach § 11 Abs. 2 Z 1 NAG nicht vollständig ermittelt. Er habe den Vorwurf der Vorlage gefälschter Beweismittel schon im Verfahren vor der Bundespolizeidirektion Wien zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots bestritten, was auch zur Einstellung dieses Verfahrens geführt habe. Auch im hier relevanten Verfahren lägen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme vor, der Beschwerdeführer gefährde die öffentliche Ordnung. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

Gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Der Aufenthalt eines Fremden widerstreitet dem öffentlichen Interesse u.a. dann, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde (§ 11 Abs. 4 Z 1 NAG).

Es trifft die Ansicht der belangten Behörde zu, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt. Es ist der belangten Behörde auch darin beizupflichten, dass die Vorlage gefälschter Urkunden durch einen Antragsteller mit dem Ziel der Erlangung eines Aufenthaltstitels eine schwere Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen, insbesondere an einer geregelten Zuwanderung, darstellt. Bei der Auslegung der unbestimmten Gesetzesbegriffe "sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde" in § 11 Abs. 4 Z 1 NAG ist aber eine das Gesamtverhalten eines Fremden berücksichtigende Prognosebeurteilung geboten. Bei der nach § 11 Abs. 4 Z 1 NAG zu treffenden Prognoseentscheidung ist die Behörde berechtigt, alle einen antragstellenden Fremden betreffenden relevanten Umstände zu berücksichtigen, aber auch verpflichtet, diese einer auf ihn bezogenen Bewertung zu unterziehen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 3. April 2009, 2008/22/0908, und vom 14. Mai 2009, 2009/22/0008, 0009).

Aus den Verwaltungsakten ist nicht ersichtlich, von wem die angeblich von W ausgestellten Einkommensbestätigungen vorgelegt wurden; sie sind jedenfalls - anders als der bei der Österreichischen Botschaft Kairo überreichte Antrag des Beschwerdeführers, der sich nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid im Ausland aufhält, auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels - unmittelbar bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangt.

Demgegenüber stellte die erstinstanzliche Behörde in ihrem Bescheid fest, der Beschwerdeführer habe die hier fraglichen Einkommensbestätigungen seinem Antrag beigelegt. Auch die belangte Behörde geht davon aus, dass die fraglichen Einkommensbestätigungen vom Beschwerdeführer selbst vorgelegt worden seien, wenngleich nicht im Zuge der Antragstellung. Diese Feststellungen finden aber in den vorgelegten Verwaltungsakten keine Deckung. Der angefochtene Bescheid enthält auch keine Aussage darüber, in welcher Beziehung allfällige Taten des Sohnes des W zum Beschwerdeführer gestanden wären. Solches lässt sich auch dem von der belangten Behörde erwähnten Schreiben der Bundespolizeidirektion Wien vom 27. Februar 2008 nicht entnehmen.

Der Beschwerdeführer brachte nun bereits im Verwaltungsverfahren vor, er habe keine gefälschten Einkommensbestätigungen vorgelegt und verwies auf die in den Verwaltungsakten erliegende Mitteilung der Bundespolizeidirektion Wien vom 8. Juli 2008, wonach das von dieser Behörde eingeleitete Aufenthaltsverbotsverfahren eingestellt worden sei und seitens dieser Behörde keine Bedenken gegen die Erteilung eines Aufenthaltstitels bestünden.

Die belangte Behörde hat es aber nun ausgehend von der rechtsirrigen Annahme, dass bereits die bloße Tatsache im Verfahren aufgetauchter gefälschter Einkommensbestätigungen zur Antragsabweisung ausreichend seien, verabsäumt, zum Vorbringen des Beschwerdeführers auf der Grundlage ergänzender Erhebungen eingehende Feststellungen zu treffen. Bei Zutreffen des Vorbringens des Beschwerdeführers kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass dieser ein Verhalten gesetzt hätte, welches die Annahme nach § 11 Abs. 4 Z 1 NAG rechtfertigen würde (vgl. neuerlich die bereits erwähnten, ähnliche Fälle betreffenden hg. Erkenntnisse vom 3. April 2009 und vom 14. Mai 2009).

Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage davon ausging, dass bereits die Vorlage gefälschter Urkunden - selbst wenn dies ohne Wissen und ohne Zutun des Beschwerdeführers erfolgt sein sollte - für die Prognose nach § 11 Abs. 4 Z 1 NAG und zur Verneinung des Vorliegens der Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 1 NAG ausreichend sei und demzufolge keine weiteren Erhebungen zum Sachverhalt tätigte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Da der angefochtene Bescheid nach dem Gesagten jedenfalls keinen Bestand haben konnte, konnten die im hg. Beschluss vom 2. Oktober 2008, 2008/18/0507, geäußerten gleichheitsrechtlichen Bedenken hier vorerst dahingestellt bleiben.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und Z 6 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 18. Juni 2009

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