VwGH 2008/22/0143

VwGH2008/22/014314.5.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des S, vertreten durch DDr. Wolfgang Schulter, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Marxergasse 21, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 29. Jänner 2008, Zl. 150.397/2- III/4/07, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §11 Abs6;
NAG 2005 §2 Abs1 Z15;
NAG 2005 §64 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §11 Abs6;
NAG 2005 §2 Abs1 Z15;
NAG 2005 §64 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den am 22. Februar 2007 bei der Österreichischen Botschaft New Delhi eingebrachten Antrag des Beschwerdeführers, eines indischen Staatsangehörigen, auf erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Studierender" gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, für die Beurteilung, ob ausreichende Unterhaltsmittel vorliegen, sei im Falle der Ausstellung einer Aufenthaltsbewilligung für Studierende die Abgabe einer Haftungserklärung (iSd § 2 Abs. 1 Z 15 NAG) zulässig. Sowohl die Schwester des Beschwerdeführers als auch deren Ehemann (sohin der Schwager des Beschwerdeführers), die beide österreichische Staatsbürger seien, hätten eine Haftungserklärung abgegeben und sich damit verpflichtet, für den Unterhalt des Beschwerdeführers, seine Unterkunft, seine Krankenversicherung und sonstige Kosten, die einer Gebietskörperschaft durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet entstehen könnten, aufzukommen. Da der Beschwerdeführer in seinem Antrag vom 22. Februar 2007 als Familienangehörige seine Schwester angegeben habe, könne allerdings nur deren Haftungserklärung angenommen werden.

Zur Berechnung der vom Beschwerdeführer aufzubringenden Unterhaltsmittel führte die belangte Behörde (bezogen auf die sich im Entscheidungszeitpunkt aus den genannten Bestimmungen ergebenden Beträge) wörtlich Folgendes aus:

"Zur Errechnung der Unterhaltsmittel ist laut Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz der Richtsatz gemäß § 293 ASVG heranzuziehen. Für Sie als Einzelperson müsste ein Betrag von EUR 747,- und für Ihre beiden minderjährigen Kinder EUR 156.56 (2x 78,29) monatlich zur Verfügung stehen.

Das pfändungsfreie Existenzminimum Ihrer Schwester für die Berechnung der Leistungsfähigkeit beträgt gemäß § 291a der Exekutionsordnung mit Unterhaltsverpflichtung gegenüber Ihren Kindern EUR 1.122,50.

Da sich Ihre Schwester nur für Beträge, die über dem eigenen Existenzminimum liegen, für einen Dritten verpflichten kann, und Sie noch unterhaltspflichtig für Ihre zwei minderjährigen Kinder ist, verbleibt ein Betrag in der Höhe von EUR 89,21."

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Zunächst ist anzumerken, dass im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zur Beurteilung des gegenständlichen Falles auf die Vorschriften des NAG in der Fassung vor der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 29/2009 erfolgten Novellierung abzustellen ist.

Gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Nach § 11 Abs. 5 NAG führt der Aufenthalt eines Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft im Sinn des § 11 Abs. 2 Z 4 NAG, wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3 NAG) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO) nicht zu berücksichtigen. § 11 Abs. 6 NAG sieht vor, dass die Zulässigkeit, den Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2 bis Z 4 NAG mit einer Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15 NAG) erbringen zu können, ausdrücklich beim jeweiligen Aufenthaltszweck angeführt sein muss. Gemäß § 64 Abs. 1 (letzter Satz) NAG ist im Falle einer Aufenthaltsbewilligung für Studierende die Beibringung einer Haftungserklärung zulässig.

Bei einer Haftungserklärung handelt es sich nach § 2 Abs. 1 Z 15 NAG um die von einem österreichischen Notar oder einem inländischen Gericht beglaubigte Erklärung Dritter mit mindestens fünfjähriger Gültigkeitsdauer, dass sie für die Erfordernisse einer alle Risken abdeckenden Krankenversicherung, einer Unterkunft und entsprechender Unterhaltsmittel aufkommen und für den Ersatz jener Kosten haften, die einer Gebietskörperschaft bei der Durchsetzung eines Aufenthaltsverbotes, einer Ausweisung, einer Zurückschiebung oder der Vollziehung der Schubhaft, einschließlich der Aufwendungen für den Ersatz gelinderer Mittel, sowie aus dem Titel der Sozialhilfe oder eines Bundes- oder Landesgesetzes, das die Grundversorgungsvereinbarung nach Art. 15a B-VG (BGBl. I Nr. 80/2004) umsetzt, entstehen, und die Leistungsfähigkeit des Dritten zum Tragen der Kosten nachgewiesen wird.

Im gegenständlichen Fall begehrt der Beschwerdeführer, um im Bundesgebiet an der Universität Wien dem Bachelorstudium der Volkswirtschaftslehre nachgehen zu können, die Ausstellung einer Aufenthaltsbewilligung für Studierende. Gemäß § 11 Abs. 6 iVm § 64 Abs. 1 letzter Satz NAG ist es in einem solchen Fall zulässig, den Nachweis der Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 4 NAG, nämlich dass der Aufenthalt des Antragstellers zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, durch Beibringung einer Haftungserklärung, sohin eines Nachweises, dass sich Dritte verpflichtet haben, für die erforderlichen Unterhaltsmittel aufzukommen, zu erbringen.

Der Beschwerdeführer rügt nun zutreffend, dass das Gesetz nicht vorsieht, dass als sich im Wege der Abgabe einer Haftungserklärung zur Unterhaltsgewährung verpflichtende Dritte nur Familienangehörige in Betracht kommen könnten. Dem NAG ist aber zudem auch keine Vorschrift zu entnehmen, wonach ein Antragsteller lediglich Zuwendungen einer einzelnen Person für die Bestreitung seines Unterhalts geltend machen dürfte.

Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgebracht, dass die für ihn notwendigen Unterhaltsmittel durch die Einkommen seiner Schwester und seines Schwagers gesichert wären und beide für seinen Unterhalt aufkommen würden. Dem vom Beschwerdeführer gestellten Antrag lagen Haftungserklärungen dieser beiden Personen bei.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde kann demgegenüber den Angaben des Beschwerdeführers im Antragsformular nicht entnommen werden, er wolle seinen Unterhalt ausschließlich anhand des Einkommens seiner Schwester bestreiten. Der im (von der belangten Behörde aufgelegten) Antragsformular unter der Rubrik "Familienangehörige" erfolgten Bekanntgabe seiner in Österreich lebenden Schwester ist nämlich kein darüber hinausgehender Erklärungswert zu entnehmen.

Indem die belangte Behörde die oben dargestellte Rechtslage verkannte, traf sie in weiterer Folge auch keine Feststellungen zum Einkommen des Schwagers des Beschwerdeführers sowie der jeweiligen Unterhaltsleistungen (vgl. § 2 Abs. 4 Z 3 NAG) und unterließ die nach § 11 Abs. 5 NAG geforderte Berechnung anhand der gesetzmäßig festzustellenden Beträge.

Der Vollständigkeit halber sei bereits hier für das fortgesetzte Verfahren darauf hingewiesen, dass es nach der Aktenlage keinen Hinweis dafür gibt, den nach § 293 ASVG vorgesehenen Richtsatz für eine Einzelperson um die dort festgesetzten Beträge für zwei minderjährige Kinder zu erhöhen, zumal es sich dabei um jenen Betrag handelt, den der Beschwerdeführer an Unterhaltsmittel aufweisen muss; maW fallbezogen jenen Betrag, der dem Beschwerdeführer an Unterhaltsmittel zur Verfügung gestellt werden muss. Ein Grund für die Annahme, dem Beschwerdeführer (der zudem nach der Aktenlage selbst über keine Sorgepflichten verfügt) seien zusätzlich zum Einzelpersonenrichtsatz Unterhaltsmittel für zwei minderjährige Kinder zu verschaffen, ist nicht ersichtlich. Zudem ist hier eine Konstellation, wie sie dem hg. Erkenntnis vom 3. April 2009, 2008/22/0711, zugrunde lag, nicht gegeben.

Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen - der vorrangig wahrzunehmenden - Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das den in dieser Verordnung

festgesetzten Pauschalsatz übersteigende Mehrbegehren war abzuweisen, weil in diesem Umsatzsteuer bereits enthalten ist.

Wien, am 14. Mai 2009

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