VwGH 2008/21/0175

VwGH2008/21/017529.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des O, vertreten durch Mag. Wilfried Embacher, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 17. Jänner 2006, Zl. Senat-FR-05-1026, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §2 Abs1 Z14;
AVG §38;
FrPolG 2005 §1 Abs2;
FrPolG 2005 §76 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AsylG 2005 §2 Abs1 Z14;
AVG §38;
FrPolG 2005 §1 Abs2;
FrPolG 2005 §76 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, gemäß seinen Angaben ein am 1. Dezember 1987 geborener Staatsangehöriger von Nigeria, stellte nach seiner Einreise nach Österreich am 23. Juli 2004 einen Asylantrag. Er erhielt eine Aufenthaltsberechtigungskarte, in der Folge wurde sein Antrag mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. November 2004 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 - AsylG abgewiesen. Zugleich stellte das Bundesasylamt fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig sei, außerdem wies es den Beschwerdeführer nach Nigeria aus. Dieser Bescheid - das Bundesasylamt ging davon aus, dass der Beschwerdeführer bereits am 1. Dezember 1985 geboren worden sei - wurde dem Beschwerdeführer persönlich am 8. November 2004 ausgefolgt. Mit Mitteilung gemäß § 22 AsylG vom 20. Jänner 2005 informierte das Bundesasylamt die Bezirkshauptmannschaft Baden, dass der Asylbescheid am 23. November 2004 in Rechtskraft erwachsen sei. Die Bezirkshauptmannschaft Baden ordnete hierauf mit Bescheid vom 3. Februar 2005 gemäß § 61 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG iVm § 57 Abs. 1 AVG gegen den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung seiner Abschiebung (§ 56 FrG) an. In der Folge befand sich der Beschwerdeführer vom 3. Februar 2005 bis 30. Juni 2005 in Schubhaft.

Der Beschwerdeführer hatte gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. November 2004 nach Schubhaftnahme Berufung erhoben. Mit Bescheid vom 23. Juni 2005 wies der unabhängige Bundesasylsenat diese Berufung gemäß § 63 Abs. 3 AVG als unzulässig zurück, weil der Beschwerdeführer - ausgehend von seinen als glaubwürdig zu erachtenden Angaben zu seinem Geburtsdatum - noch minderjährig sei und die persönliche Ausfolgung des Bescheides des Bundesasylamtes an ihn daher keine Rechtswirksamkeit entfaltet habe; der erstinstanzliche Asylbescheid sei deshalb noch nicht existent geworden.

U.a. gestützt auf die eben genannte Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenates erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 20. Juli 2005 Schubhaftbeschwerde und beantragte, der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (die belangte Behörde) möge die verhängte Schubhaft für rechtswidrig erklären.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 17. Jänner 2006 gab die belangte Behörde dieser Schubhaftbeschwerde gemäß "§ 67c Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG i. V.m. § 73 des Fremdengesetzes 1997 - FrG" keine Folge. Das begründete sie im Wesentlichen damit, dass die Bezirkshauptmannschaft Baden die gegenständliche Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung auf Grund einer Mitteilung des Bundesasylamtes gemäß § 22 AsylG angeordnet habe. In dieser Mitteilung sei festgehalten worden, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig abgeschlossen und dass die Ausweisung rechtskräftig verfügt worden sei. Der Bezirkshauptmannschaft Baden sei nicht die Kompetenz und die Möglichkeit zugekommen, "die inhaltliche Richtigkeit des Bescheides einer anderen Behörde zu überprüfen und konnte daher mit ihrem Wissenstand zum Zeitpunkt der Mitteilung von der Richtigkeit der Angaben des Bundesasylamtes ausgehen".

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 25. Februar 2008, B 411/06, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die ergänzte Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Der Asylantrag des Beschwerdeführers stammt aus dem Juli 2004. Auf diesen Antrag fanden daher die Vorschriften des AsylG in der Fassung der AsylG-Novelle 2003 Anwendung. § 21 Abs. 1 AsylG in der genannten Fassung ordnete an, dass auf Fremde, die faktischen Abschiebeschutz im Sinne des § 19 Abs. 1 AsylG genießen, oder denen als Asylwerber eine Aufenthaltsberechtigungskarte ausgestellt wurde, u.a. die §§ 61 bis 63 FrG keine Anwendung finden. In diesen Fällen konnte die Schubhaft nur unter den Voraussetzungen des § 34b AsylG verhängt werden.

Auf die letztgenannte Bestimmung wurde der gegenständliche Schubhaftbescheid nicht gegründet. Vor diesem Hintergrund kommt es im vorliegenden Fall darauf an, ob das Asylverfahren des Beschwerdeführers bei Schubhaftverhängung bereits rechtskräftig abgeschlossen war oder ob ihm noch die Stellung als Asylwerber zukam, mit der Konsequenz der Nichtanwendbarkeit der §§ 61 ff. FrG.

Nach der insoweit maßgeblichen Beurteilung durch den unabhängigen Bundesasylsenat (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 2007, Zl. 2007/21/0174) war das Asylverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 3. Februar 2005 und die darauf gegründete Schubhaft erweisen sich mithin als rechtswidrig. Dass der Bezirkshauptmannschaft Baden im Wege des § 22 AsylG mitgeteilt worden war, das Asylverfahren sei bereits am 23. November 2004 rechtskräftig abgeschlossen worden, ist schon deshalb ohne Belang, weil es im gegebenen Zusammenhang nicht auf die Frage des Verschuldens der Schubhaft anordnenden Behörde ankommt (vgl. nur das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2009/21/0046).

Nach dem Gesagten beruht die die Schubhaftbeschwerde abweisende Entscheidung der belangten Behörde auf einer Verkennung der Rechtslage, weshalb der bekämpfte Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 29. September 2009

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