Normen
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §10 Abs5;
AVG §13 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §10 Abs5;
AVG §13 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stammt aus dem Kosovo und gehört der albanischen Volksgruppe an. Er gelangte im Juni 1998 im Alter von neun Jahren nach Österreich und hält sich seither im Bundesgebiet auf.
Mit Urteil vom 24. Jänner 2007 verhängte das Landesgericht für Strafsachen Wien über den Beschwerdeführer eine zweijährige Freiheitsstrafe, die er zuletzt in der Justizanstalt Gerasdorf verbüßte. Am 21. Dezember 2007 wurde er aus der Strafhaft entlassen und der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vorgeführt, wo ihm der Schubhaftbescheid vom 14. Dezember 2007 - gegen den Beschwerdeführer war mittlerweile erstinstanzlich von der Bundespolizeidirektion Wien ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden - ausgefolgt wurde. Im Anschluss daran erfolgte die Überstellung des Beschwerdeführers in das PAZ Wien.
Bereits am 20. Dezember 2007 hatte RA Dr. V. namens des Beschwerdeführers der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen bekannt gegeben, dass nunmehr er mit der weiteren Vertretung beauftragt und ihm Vollmacht erteilt worden sei. In dieser Vollmachtsbekanntgabe war im Rubrum "wegen: Aufenthalt" angeführt, im Übrigen bezog sie sich ausdrücklich auf die Zl. NKS 3-F-07 der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen, zu der dem Beschwerdeführer bereits im Juli 2007 die Verhängung der Schubhaft angekündigt worden war.
Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2007, bei der belangten Behörde eingelangt am 27. Dezember 2007, erhob RA Dr. V., der nunmehr auch vor dem Verwaltungsgerichtshof einschreitende Vertreter des Beschwerdeführers, namens des Beschwerdeführers Schubhaftbeschwerde. Dabei berief er sich im Rubrum des Schriftsatzes auf eine erteilte Vollmacht ("Vollmacht erteilt"). Die belangte Behörde erteilte hierauf noch am 27. Dezember 2007 folgenden Mängelbehebungsauftrag:
"Zu Ihrer Beschwerde vom 21.12.2007 werden Sie gemäß § 13 Abs. 3 i.V.m. § 10 Abs. 2 AVG aufgefordert, die Vollmacht des einschreitenden Vertreters bis 31.12.2007 vorzulegen.
Zweifel hinsichtlich des Bestehens der Vollmacht liegen deshalb vor, da die Beschwerde am 21.12.2007 eingebracht wurde und Sie am 21.12.2007 von der Justizanstalt Gerasdorf in das PAZ Hernalser Gürtel überführt wurden, sodass nicht davon auszugehen ist, dass ein persönlicher Kontakt mit ihrem Vertreter stattfand.
Bei Versäumung der Frist wird die Beschwerde gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen."
Mit Bekanntgabe vom 28. Dezember 2007 reagierte RA Dr. V., sich neuerlich auf erteilte Vollmacht berufend, namens des Beschwerdeführers hierauf wie folgt:
"Am 20. Dezember 2007 hat der Vater des Beschwerdeführers RA Dr. V. bekannt gegeben, dass sein Sohn die Vertretung von Dr. V. im Aufenthaltsverfahren wünscht.
Eine telefonische Nachfrage am 21. Dezember 2007 im PAZ Hernalser Gürtel hat ergeben, dass der Beschwerdeführer soeben von der Justizanstalt Gerasdorf überstellt wurde.
Rechtsanwaltsanwärterin Mag. S. hat ersucht, einen telefonischen Kontakt zum Beschwerdeführer herzustellen, was ein Beamter des PAZ Hernalser Gürtel zugesagt hat. Gegen Mittag am 21. Dezember 2007 hat der diensthabende Beamte des PAZ Hernalser Gürtel zurückgerufen und mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer nun telefonisch zu sprechen sei. In diesem Telefonat hat der Beschwerdeführer dem Vertreter RA Dr. V. die erteilte Vollmacht nochmals bestätigt und ihn beauftragt, eine Schubhaftbeschwerde einzubringen."
Mit dem nunmehr bekämpften, an RA Dr. V. ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Schubhaftbeschwerde gemäß § 67c Abs. 3 iVm § 13 Abs. 3 und § 10 Abs. 2 AVG zurück. Das begründete die belangte Behörde im Wesentlichen wie folgt:
"Zweifel am Vorliegen des Vollmachtsverhältnisses zum Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde bestanden bei der erkennenden Behörde, weil sich (Beschwerdeführer) bis 21.12.2007 in Strafhaft in der Justizanstalt Gerasdorf befand, daher nicht davon auszugehen war, dass ein persönlicher Kontakt zwischen dem Rechtsanwalt, der seine Kanzlei in Wien hat, und dem Häftling in Gerasdorf stattfand. Nach Entlassung aus der Strafhaft wurde (Beschwerdeführer) sofort in Schubhaft genommen, sodass auch zu diesem Zeitpunkt ein Kontakt nicht anzunehmen war.
Der am 30.12.2007 vorgelegte Schriftsatz über die Vertretung durch RA Dr. V. bezog sich ausdrücklich auf das Aufenthaltsverfahren. Deshalb war auch bei Einschreiten eines berufsmäßigen Parteienvertreters die erkennende Behörde befugt, diese Zweifel durch Vorlage der Vollmacht in Anwendung des § 13 Abs. 3 AVG beseitigen zu lassen.
...
Eine schriftliche Vollmacht wurde von Dr. V. nicht vorgelegt. Aus der Bekanntgabe vom 28.12.2007 ist vielmehr zu entnehmen, dass lediglich ein Kontakt mit dem Vater von (Beschwerdeführer) stattfand, wobei anzumerken ist, dass (Beschwerdeführer) volljährig ist und daher die gesetzliche Vertretung des Erziehungsberechtigten nicht mehr zum Tragen kommt. Offensichtlich wurde vom Vater eine Vollmacht von (Beschwerdeführer) gegenüber RA Dr. V. nicht vorgelegt, derartiges wurde nicht einmal behauptet, sondern möglicherweise erteilte der Vater die Vollmacht im Aufenthaltsverfahren.
Eine schriftliche Vollmachtsurkunde liegt nicht vor. Grundsätzlich kann eine Vollmacht zwar auch mündlich erteilt werden, allerdings ist zu Beweiszwecken der Umfang dieser Vollmacht zu dokumentieren.
Im vorliegenden Fall ist der Umfang der Vertretungsbefugnis für die erkennende Behörde nicht ausreichend klargelegt, da aus dem Schreiben vom 28.12.2007 zu entnehmen ist, dass die am 30.12.2007 erfolgte Bekanntgabe eines Vertretungsverhältnisses im Aufenthaltsverfahren auch unrichtig war, da nicht von (Beschwerdeführer) diese Vertretungsbefugnis erteilt wurde, weil am 20.12.2007 zwischen (Beschwerdeführer) und dem bekannt gegebenen Vertreter ein Kontakt nicht stattfand. Auch wurde eine Vertretungsbefugnis des Vaters von (Beschwerdeführer) für diesen nicht glaubhaft gemacht. Dass am 21.12.2007 möglicherweise ein Telefonat zwischen Rechtsanwaltsanwärterin Mag. S. und (Beschwerdeführer) stattfand, ist durchaus möglich. Ob und in welchem Umfang von (Beschwerdeführer) dabei eine Vollmacht erteilt wurde, ist nicht glaubhaft gemacht worden, zumal zu berücksichtigen ist, dass bereits mit der Vollmachtsbekanntgabe vom 20.12.2007 vom Rechtsanwalt unrichtige Angaben gemacht wurden, in dieser Vollmachtsbekanntgabe für das Aufenthaltsverfahren aber eine Vollmacht zur Einbringung einer Maßnahmenbeschwerde nicht inkludiert ist.
Wenn der Vater von (Beschwerdeführer) Dr. V. mit der Vertretung für seinen Sohn beauftragte, so ersetzt dies nicht eine rechtsgeschäftliche Erklärung von (Beschwerdeführer).
Die erkennende Behörde sieht daher den Mangel als nicht behoben an und geht davon aus, dass zum Zeitpunkt der Einbringung der Schubhaftbeschwerde kein Vollmachtsverhältnis dafür vorlag, sodass spruchgemäß zu entscheiden war."
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:
1. Zunächst sei festgehalten, dass der Beschwerdeführer ungeachtet des Umstandes, dass der bekämpfte Bescheid an RA Dr. V. erging, zur Erhebung der vorliegenden Beschwerde legitimiert ist (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Dezember 1984, Zl. 81/11/0119, Slg. 11.625/A, und aus jüngerer Zeit etwa das hg. Erkenntnis vom 22. April 2009, Zl. 2008/15/0252).
2. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde hatte nach Einlangen der gegenständlichen Schubhaftbeschwerde kein begründeter Anlass bestanden, die Vertretungsbefugnis des einschreitenden RA Dr. V. für den Beschwerdeführer in Zweifel zu ziehen. Dass der Beschwerdeführer direkt, via Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen, von der Justizanstalt Gerasdorf in das PAZ Wien überstellt worden war, rechtfertigte nicht die Annahme, es sei (möglicherweise) zu keiner Vollmachtserteilung gekommen, weil eine solche Vollmachtserteilung keinen direkten Kontakt zwischen den beteiligten Personen voraussetzt. Der von der belangten Behörde weiter ins Treffen geführte Umstand, die Vollmachtsbekanntgabe vom 30. Dezember 2007 (richtig wohl: 20. Dezember 2007) habe sich ausdrücklich auf das "Aufenthaltsverfahren" bezogen, spricht gleichfalls nicht gegen das Bestehen eines Vollmachtsverhältnisses; vielmehr indizierte diese Vollmachtsbekanntgabe geradezu, dass Vertretungsbefugnis gegeben sei. Dass sie nicht ausdrücklich auch auf Schubhaftangelegenheiten Bezug nahm, lässt angesichts der Anführung der Aktenzahl der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen, zu der dem Beschwerdeführer im Juli 2007 die beabsichtigte Schubhaftverhängung bekannt gegeben worden war, von vornherein keine Vermutung in die Richtung zu, RA Dr. V. habe nur eingeschränkt Vollmacht für das Aufenthaltsverfahren (ohne Erfassung von Schubhaftangelegenheiten) erteilt erhalten.
Lag nach dem Gesagten kein Verbesserungsfall vor, so durfte die belangte Behörde die vorliegende Schubhaftbeschwerde nicht schon wegen des Unterbleibens der aufgetragenen Vollmachtsvorlage zurückweisen (Hengstschläger/Leeb, AVG § 13 Rz 30). Es ist aber auch verfehlt, dass die belangte Behörde nach der Bekanntgabe vom 28. Dezember 2007 ohne weitere Ermittlungen vom Nichtvorliegen eines Vollmachtsverhältnisses ausgegangen ist: Dass gemäß den Angaben in diesem Schriftsatz nicht der Beschwerdeführer selbst, sondern dessen Vater an RA Dr. V. herangetreten war, ist schon deshalb nicht ausreichend, eine Vollmachtserteilung durch den Beschwerdeführer in Abrede zu stellen, weil der Vater des Beschwerdeführers nach dem Text der Bekanntgabe als dessen Bote oder auch als dessen Vertreter eingeschritten sein kann. Insofern durfte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, die am 20. Dezember 2007 erfolgte Bekanntgabe eines Vertretungsverhältnisses sei unrichtig gewesen. Die daraus abgeleiteten Zweifel an einer Bestätigung der Vollmacht im Rahmen des Telefonats vom 21. Dezember 2007 zwischen der Rechtsanwaltsanwärterin des Dr. V. und dem Beschwerdeführer entbehren schon im Hinblick darauf jeder Grundlage. Der bekämpfte Bescheid war daher wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am 8. September 2009
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