VwGH 2008/21/0048

VwGH2008/21/004818.2.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des D, vertreten durch Mag. Klaus Zorn, Rechtsanwalt in 4053 Haid/Ansfelden, Salzburger Straße 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 16. November 2007, Zl. St 211/07, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z13;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z14;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z5;
FrPolG 2005 §63 Abs1;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z13;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z14;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z5;
FrPolG 2005 §63 Abs1;
FrPolG 2005 §86 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheirateten Staatsangehörigen von Bosnien und Herzegowina, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 sowie §§ 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 63 und 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend stützte sie sich auf folgende rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen und das diesen zu Grunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers:

1. Durch das Landesgericht Wels vom 13. November 2000 wegen §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4 und 15, § 88 Abs. 1 und 4 sowie § 136 Abs. 1 und 3 StGB zu einer bedingt nachgesehenen fünfmonatigen Freiheitsstrafe.

Der Beschwerdeführer habe am 13. November 1999 in Lambach einen näher bezeichneten Pkw ohne Einwilligung des Berechtigten in Gebrauch genommen, wobei der durch einen vom Beschwerdeführer verschuldeten Verkehrsunfall am Fahrzeug verursachte Schaden

S 36.894,-- betragen habe. Als Lenker des genannten Pkw habe er unter Missachtung des Vorranges fahrlässig einen Verkehrsunfall verursacht, durch den ein beteiligter Motorradlenker schwere Verletzungen am Körper erlitten habe. Schließlich habe er zwischen Dezember 1999 und 16. September 2000 in acht einzelnen, näher dargestellten Angriffen anderen Personen vor allem Geldbörsen mit Bargeld, Essensbons, eine Halskette sowie Handy-Zubehör im Wert von S 1.580,-- bis S 33.704,20 pro Angriff gestohlen bzw. zu stehlen versucht.

2. Mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 12. Dezember 2001 wegen der §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 2, 130, 15 sowie 125 und 126 Abs. 1 Z. 7 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Jahr.

Er habe zwischen 23. Jänner 2001 und 15. Jänner 2002 an verschiedenen Orten, teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit anderen Personen, teils nach Einbruch in Transportmittel bzw. nach Einsteigen in ein Transportmittel oder Öffnen eines Behältnisses mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel, in insgesamt 56 näher beschriebenen Angriffen Anderen gewerbsmäßig Sachen in einem S 25.000,-- übersteigenden Wert gestohlen bzw. zu stehlen versucht.

In der Zeit vom 18. bis zum 19. Dezember 2000 habe er in Wels im Bereich des Messegeländes dadurch, dass er mit einem spitzen Gegenstand insgesamt 21 Glasscheiben von Türen eingeschlagen habe, zum Nachteil der Welser Messe einen Sachschaden von S 61.518,-- herbeigeführt. Am 18. Jänner 2001 habe er im Bereich des Welser Messegeländes mit einem Notfallhammer die Glasfüllung einer Tür eingeschlagen, wodurch ein Schaden von ca. S 4.000,-- entstanden sei.

3. Mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 14. November 2005 wegen der §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1, 130 (1. und 4. Fall), 15 und 229 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten (davon 18 Monate bedingt nachgesehen).

Er habe die - zum Teil durch Einbruch, zum Teil durch Missbrauch von Bankomatkarten begangenen - gewerbsmäßigen Diebstähle in 56 weiteren, inhaltlich näher dargestellten Angriffen zwischen Juli 2003 und Februar 2004, teils gemeinsam mit mehreren abwechselnden Mittätern, fortgesetzt bzw. fortzusetzen versucht. Gemeinsam mit fünf weiteren Mittätern habe er Führerscheine, Bankomatkarten und andere Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden.

Der Beschwerdeführer sei seit 13. August 1992 in Österreich "polizeilich gemeldet". Er habe hier die Schule besucht und sei in der Folge einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen. Am 12. Mai 2007 habe er die österreichische Staatsangehörige S. geheiratet. Auch seine Eltern und seine Schwester, jeweils österreichische Staatsbürger, hielten sich im Bundesgebiet auf. Ihm seien wiederholt befristete Aufenthaltstitel, zuletzt am 5. Juli 2005 eine Niederlassungsbewilligung "Aufenthaltszweck: begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö; § 49 Abs. 1 FrG" erteilt worden.

Unter Berücksichtigung der enormen Vielzahl der gewerbsmäßigen Diebstahls- und Einbruchsfakten, der weiteren mit der Verursachung hohen Sachschadens verbundenen Straftaten sowie der raschen Rückfälle sei aus dem gesamten Fehlverhalten des Beschwerdeführers auf eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit iSd § 86 Abs. 1 FPG zu schließen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Die seit der letzten strafgerichtlichen Verurteilung verstrichene Zeitspanne von rund zwei Jahren sei zu kurz, um auf einen relevanten Gesinnungswandel des Beschwerdeführers schließen zu lassen. Aus seinem Verhalten sei nämlich eine besonders geringe Hemmschwelle sowie absolute Gleichgültigkeit gegenüber den Rechten, insbesondere dem Eigentum, anderer Personen sowie gegenüber den zum Schutz der Rechte Dritter erlassenen Rechtsnormen des Gastlandes abzuleiten.

Im Hinblick auf die dargestellte familiäre, private und berufliche Situation des Beschwerdeführers, der die deutsche Sprache perfekt beherrsche, während er der bosnischen Sprache - mangels einschlägigen Schulbesuchs - in Schriftform nicht mächtig sei, sei ihm eine hohe Integration in Österreich zuzubilligen. Diese werde jedoch durch die Vielzahl an einschlägigen Straftaten sowie weiters dadurch relativiert, dass ihn auch das familiäre Netz in Österreich nicht von der Begehung weiterer strafrechtlich relevanter Sachverhalte habe abhalten können. Das Aufenthaltsverbot erweise sich demnach gemäß § 66 Abs. 1 FPG als notwendig, weil andere Mittel - etwa zwei einschlägige strafgerichtliche Verurteilungen - nicht ausgereicht hätten, um den Beschwerdeführer zur Einhaltung der Rechtsordnung seines Gastlandes zu bewegen. Im Hinblick auf die aus der Schwere seiner wiederholten Delinquenz abzuleitende negative Zukunftsprognose wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation, sodass das Aufenthaltsverbot zulässig iSd § 66 Abs. 2 FPG sei. Aus diesen Gründen hätte auch eine Übung des der Behörde eingeräumten Ermessens zu Gunsten des Beschwerdeführers nicht dem Gesetz entsprochen.

Das Aufenthaltsverbot sei auf unbefristete Dauer auszusprechen gewesen, weil selbst zwei einschlägige Vorverurteilungen den Beschwerdeführer nicht davon hätten abhalten können, abermals in erheblichem Ausmaß straffällig zu werden. Unter weiterer Berücksichtigung der raschen, massiven Rückfälle und der Verwirklichung einer enormen Anzahl von strafrechtlich relevanten Sachverhalten könne nicht abgesehen werden, ob bzw. wann sich der Beschwerdeführer jemals wieder an im Bundesgebiet geltende Normen halten werde.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Gegen den Beschwerdeführer als Ehemann einer nicht freizügigkeitsberechtigten Österreicherin ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 erster bis vierter Satz FPG zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Für die Beantwortung der Frage, ob die dargestellte Annahme gerechtfertigt sei, ist demnach zu prüfen, ob sich aus dem gesamten Fehlverhalten des Fremden ableiten lässt, dass sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache von Verurteilungen, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen.

Nach den wiedergegebenen Feststellungen hat der Beschwerdeführer seine Straftaten - trotz zweier rechtskräftiger gerichtlicher Verurteilungen als Jugendlicher - im Erwachsenenalter in hoher Intensität fortgesetzt. Inwieweit nähere Feststellungen aus den gerichtlichen Strafakten, die der Beschwerdeführer pauschal vermisst, an diesem Umstand etwas ändern könnten, wird in der Beschwerdeschrift nicht konkret dargestellt.

Auch erfolgte die dritte Verurteilung (vom 14. November 2005) erst nach der erwähnten letztmaligen Erteilung eines Aufenthaltstitels (am 5. Juli 2005), sodass der Beschwerdeführer aus diesem Umstand für seinen Standpunkt nichts gewinnen kann. Ebenso hindert eine bedingte Strafnachsicht keine negative fremdenpolizeiliche Prognosebeurteilung, hat doch die Fremdenpolizeibehörde ihre Erwägungen - unabhängig von denen des Strafgerichtes zur Strafbemessung - selbständig zu treffen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2008, Zl. 2007/21/0160).

Angesichts der beharrlich über einen langen Zeitraum wiederholten gewerbsmäßigen Delikte gegen fremdes Vermögen ist davon ausgehend im Ergebnis die im § 86 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt. Daran kann auch eine in der Beschwerde ins Treffen geführte nachträgliche teilweise Schadensgutmachung nichts ändern.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde die Dauer des inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers, seine österreichischen Angehörigen und seine Berufstätigkeit im Bundesgebiet berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen erheblichen Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen. Wenn sie dennoch angesichts des in rascher Frequenz wiederholten in gewerbsmäßiger Absicht gesetzten Fehlverhaltens die Erlassung dieser Maßnahme im Licht des § 66 Abs. 1 FPG für zulässig, weil dringend geboten, erachtet hat, so ist dies in Ansehung des im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Verhinderung strafbarer Handlungen zum Schutz des Vermögens anderer Personen nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Unter Zugrundelegung des großen öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 Abs. 2 FPG vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Zum einen hat nämlich seine soziale Integration durch das jahrelang fortgesetzte massive strafbare Verhalten eine erhebliche Beeinträchtigung erfahren. Zum anderen ist die Heirat mit der Österreicherin S. erst am 12. Mai 2007, also zu einem Zeitpunkt erfolgt, an dem ein dauernder Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet infolge seiner strafgerichtlichen Verurteilungen nicht mehr als gesichert angesehen werden konnte. Der Eingriff in die Möglichkeit, zur Schwester und den Eltern, insbesondere dem mittlerweile erkrankten Vater, familiäre Kontakte zu unterhalten, die in ihrer Bedeutung im Übrigen durch die Volljährigkeit des Beschwerdeführers relativiert sind, ist auf Grund des massiven öffentlichen Interesses ebenso in Kauf zu nehmen. Von daher hat die belangte Behörde zu Recht der durch die dargestellten Straftaten in Österreich bewirkten Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes kein geringeres Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Angehörigen.

Schließlich begegnet auch die festgesetzte Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes keinen Bedenken. Gemäß § 63 Abs. 1 FPG, der für die Fälle des § 86 Abs. 1 FPG sinngemäß heranzuziehen ist, kann ein Aufenthaltsverbot in den Fällen des § 60 Abs. 2 Z. 1, 5 und 12 bis 14 FPG unbefristet und sonst für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Es ist - unter Bedachtnahme auf § 63 Abs. 1 FPG - für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarer Weise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2007, Zl. 2007/18/0723, mwN).

Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie angesichts der Vielzahl der vom Beschwerdeführer in rascher Abfolge gewerbsmäßig verübten erheblichen Straftaten zum Schluss gelangt ist, dass eine Wohlverhaltensprognose derzeit nicht möglich ist, das Aufenthaltsverbot also nicht befristet erlassen werden konnte.

Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 18. Februar 2009

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