Normen
32004L0038 Unionsbürger-RL Art3 Abs1;
32004L0038 Unionsbürger-RL;
62007CO0551 Sahin VORAB;
62008CJ0127 Metock VORAB;
EURallg;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z10;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z11;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z15;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art3 Abs1;
32004L0038 Unionsbürger-RL;
62007CO0551 Sahin VORAB;
62008CJ0127 Metock VORAB;
EURallg;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z10;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z11;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z15;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 27. August 2007 wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen kroatischen Staatsbürger, der am 16. März 2007 die deutsche Staatsangehörige S. geheiratet hatte und am 1. Juni 2007 Vater einer gemeinsamen Tochter geworden war, gemäß § 53 Abs. 1 und § 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.
Begründend führte sie aus, gegen den Beschwerdeführer bestehe "in Deutschland mit behördlicher Verfügung vom 19.10.2004, rechtskräftig seit 5.8.2006, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot, das für den gesamten Schengenraum gilt". Ungeachtet dessen sei er im Jahr 2007 aus Kroatien, wohin er aus Deutschland am 20. September 2006 abgeschoben worden sei, nach Österreich eingereist.
S. sei bereits im Jahr 2006 von Deutschland nach Österreich übersiedelt, um sich hier "in Form des freien Gewerbes des Sortierens von Abfällen" eine neue Existenz aufzubauen. Sie besitze seit 28. Februar 2007 einen entsprechenden Gewerbeschein der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck. Der Beschwerdeführer sei ihr in allen Lebenslagen, auch bei der Führung ihres Betriebes, behilflich. S. sei somit darauf angewiesen, dass der Beschwerdeführer weiterhin in Österreich verbleibe. Es bestünden intensive familiäre Bindungen zwischen den Ehegatten und dem gemeinsamen Kind.
Rechtlich bejahte die belangte Behörde ihre Zuständigkeit gemäß § 9 Abs. 1 Z. 2 FPG, weil der Beschwerdeführer weder EWR-Bürger noch ein Schweizer Bürger oder ein begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG sei. Letzteres sei trotz der Ehe mit einer EWR-Bürgerin zu verneinen, weil auf Grund seiner Einreise nach Österreich aus Kroatien "mangels Reisebewegung aus einem anderen EWR-Staat" ein Anwendungsbereich der Personenfreizügigkeit nach der Freizügigkeitsrichtlinie 2004/38/EG nicht gegeben sei. Das vom Gemeinschaftsrecht garantierte Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt gelte nur innerhalb des EWR-Raumes und damit "nur bei Bewegungen zwischen den Mitgliedstaaten".
Die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 FPG seien auf Grund des in der Bundesrepublik Deutschland erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbotes erfüllt. Der Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers mache die Ausweisung im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG nicht unzulässig, weil ein großes öffentliches Interesse daran bestehe, dass sich Fremde nur rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten. Zwar wögen die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers schwer, jedoch höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung einer Ausweisung, weshalb sich diese auch im Grunde des § 66 Abs. 2 FPG als zulässig erweise. Der Beschwerdeführer sei im Bundesgebiet, der Kürze seines Aufenthaltes entsprechend, gering integriert. Seine familiären Bindungen seien dadurch relativiert, dass ihm und seiner Ehefrau S. bewusst gewesen sei bzw. hätte sein müssen, dass sich das erwähnte unbefristete Aufenthaltsverbot "auf das gesamte EU- bzw. Schengengebiet auswirkt". Vor dem Hintergrund des großen öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen könne auch das der Behörde eingeräumte Ermessen nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers ausgeübt werden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 5. Dezember 2007, B 1755/07-7, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Über die im vorliegenden Verfahren ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
§ 2 Abs. 4 Z. 10, 11 und 15 FPG in der Stammfassung BGBl. I Nr. 100/2005 lauten:
"(4) Im Sinn dieses Bundesgesetzes ist
...
10. Drittstaatsangehöriger: ein Fremder, der nicht EWR-Bürger ist;
11. begünstigter Drittstaatsangehöriger: der Ehegatte, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine gemeinschaftsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht;
...
15. Recht auf Freizügigkeit: das gemeinschaftliche Recht eines EWR-Bürgers, sich in Österreich niederzulassen;"
Die Regierungsvorlage zum Fremdenrechtspaket 2005 (952 BlgNR 22. GP 76) führt hiezu auszugsweise Folgendes aus:
"Das Recht auf Freizügigkeit in Abs. 4 Z. 15 wird aus der Unionsbürgerschaft hergeleitet und verleiht jedem Bürger der Union und dessen Familienangehörigen das elementare und persönliche Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und in den Durchführungsvorschriften vorgesehen(en) Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten."
§ 9 Abs. 1 FPG lautet:
"§ 9. (1) (Verfassungsbestimmung) Über Berufungen gegen Entscheidungen nach diesem Bundesgesetz entscheiden, sofern nicht anderes bestimmt ist,
1. im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern und
2. in allen anderen Fällen die Sicherheitsdirektionen in letzter Instanz."
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat mit seinem Urteil vom 25. Juli 2008, Metock u.a. (C-127/08 ), Folgendes ausgesprochen:
"1. Die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG steht der Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, wonach sich ein Drittstaatsangehöriger, der der Ehegatte eines Unionsbürgers ist, der sich in einem Mitgliedstaat aufhält, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, vor seiner Einreise in den Aufnahmemitgliedstaat rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten haben muss, um sich auf die Bestimmungen dieser Richtlinie berufen zu können.
2. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 ist dahin gehend auszulegen, dass sich ein Drittstaatsangehöriger, der der Ehegatte eines Unionsbürgers, der sich in einem Mitgliedstaat aufhält, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, ist und diesen Unionsbürger begleitet oder ihm nachzieht, auf die Bestimmungen dieser Richtlinie unabhängig davon berufen kann, wann oder wo ihre Ehe geschlossen wurde oder wie der betreffende Drittstaatsangehörige in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist ist."
Ein Drittstaatsangehöriger, der Ehegatte eines Unionsbürgers ist, der sich in einem Mitgliedstaat aufhält, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, und der diesen Unionsbürger begleitet oder ihm nachzieht, kann sich somit auf die Bestimmungen der genannten Richtlinie unabhängig davon berufen, auf welchem Weg er in den Aufnahmemitgliedstaat gelangt ist (vgl. weiters den Beschluss des EuGH vom 19. Dezember 2008, Sahin, C-551/07 ).
Die Wortfolge "begleitet oder ihm nachzieht", an die § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG u.a. die Eigenschaft als begünstigter Drittstaatsangehöriger knüpft, ist gleichfalls gemäß der genannten RL 2004/38/EG auszulegen (vgl. dazu etwa die hg. Beschlüsse vom 20. Dezember 2007, Zl. 2007/21/0155, und vom 24. April 2008, Zl. 2007/21/0090). Auf die von der belangten Behörde als maßgeblich erachtete Reisebewegung des Beschwerdeführers (aus Kroatien) kommt es unter Berücksichtigung der zitierten Judikatur des EuGH nicht an. Ob der Beschwerdeführer als Ehegatte einer deutschen Staatsbürgerin iSd § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG als begünstigter Drittstaatsangehöriger anzusehen ist, hängt demnach nur mehr davon ab, ob diese ihr gemeinschaftsrechtlich begründetes Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hat. Dies ist jedoch nach Aktenlage und den Feststellungen der belangten Behörde zum Aufenthalt der Ehefrau des Beschwerdeführers und ihrer Berufsausübung in Österreich nicht fraglich. Gemäß § 9 Abs. 1 Z. 1 FPG hätte daher über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen, seine Ausweisung aussprechenden Bescheid der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Tirol entscheiden müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Juni 2007, Zl. 2007/18/0077).
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.
Die Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 2 VwGG unterbleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 18. Februar 2009
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)