VwGH 2008/15/0276

VwGH2008/15/027628.10.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Kitzbühel Lienz in 6370 Kitzbühel, Im Gries 9, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom 5. August 2008, Zl. RV/0377-I/06, betreffend Normverbrauchsabgabe für 2004 und Verspätungszuschlag (mitbeteiligte Partei: FS in K), zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §40 Abs1;
KFG 1967 §82 Abs8;
NoVAG 1991 §1 Z3;
KFG 1967 §40 Abs1;
KFG 1967 §82 Abs8;
NoVAG 1991 §1 Z3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Mitbeteiligten gegen die Vorschreibung der Normverbrauchsabgabe für 2004 und eines Verspätungszuschlages Folge und hob die Vorschreibung ersatzlos auf. In der Begründung ihres Bescheides führte sie aus, die Zollstelle Kufstein habe in einer Kontrollmitteilung dem Finanzamt mitgeteilt, dass der Mitbeteiligte mehrmals beobachtet worden sei, wie er mit seinem Pkw mit amtlichem deutschen Kennzeichen gegen 7.45 Uhr von K. kommend Richtung Deutschland fahrend unterwegs gewesen sei. Der Mitbeteiligte habe seinen Hauptwohnsitz in Österreich. Das Fahrzeug sei nach den Ermittlungen des Finanzamtes für den Beschwerdeführer auf seine Anschrift in Deutschland zugelassen worden.

Das Finanzamt habe mit den Bescheiden vom 2. Februar 2006 für dieses Fahrzeug Normverbrauchsabgabe sowie einen Verspätungszuschlag für 2004 festgesetzt. Es habe ausgeführt, weitere Erhebungen hätten ergeben, dass der Mitbeteiligte gemeinsam mit seiner Familie den Hauptwohnsitz in Österreich inne habe. Der Mitbeteiligte pendle nach seinen eigenen Angaben mit diesem Pkw von seinem Hauptwohnsitz in Österreich in die Bundesrepublik Deutschland.

In der Berufung gegen diese Bescheide habe der Mitbeteiligte vorgebracht, das Fahrzeug werde hauptsächlich von seinem Dachdecker- und Spenglereiunternehmen mit Sitz in Deutschland genutzt. Die überwiegende Kilometerleistung erfolge in Deutschland. Das Fahrzeug werde im Unternehmen für sämtliche betrieblichen Fahrten in Deutschland, wo das Unternehmen ausschließlich tätig werde, genutzt. Auch eine allfällige Privatnutzung erfolge zu 80 % in Deutschland. Die einfache Wegstrecke zwischen seinem Wohnsitz in Österreich und seinem Unternehmenssitz in Deutschland betrage 17,5 km, davon seien 13,5 km in Deutschland und lediglich 4 km in Österreich gelegen.

Das Finanzamt habe diese Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 2. März 2006 als unbegründet abgewiesen. Der Mitbeteiligte habe ausgeführt, er pendle jeden Tag zwischen seinem Hauptwohnsitz in Österreich und dem Betriebssitz in der Bundesrepublik Deutschland. Das Kraftfahrzeug werde daher jeden Tag in Österreich abgestellt und befinde sich auch während der Urlaubs- und eventuellen Krankheitstage in Österreich, sodass von einem dauernden Standort in Österreich auszugehen sei. Aus der Judikatur sei abzuleiten, dass Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit Hauptwohnsitz im Inland verwendet würden, als solche mit dauerndem Standort im Inland anzusehen seien. Diese Standortvermutung sei nicht nur auf von Privatpersonen, sondern auch auf von Unternehmungen verwendete Fahrzeuge anzuwenden. § 82 Abs. 8 KFG 1967 normiere auch, dass Fahrzeuge von sogenannten Pendlern, das seien Personen, die an Werktagen im Ausland tätig seien und regelmäßig an ihren inländischen Wohnort zurückkehrten, ihren dauernden Standort am Hauptwohnsitz des Pendlers, also am inländischen Wohnort inne haben.

Der Mitbeteiligte habe den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt.

Auf Grund weiterer Ermittlungen der belangten Behörde sei davon auszugehen, dass der Mitbeteiligte österreichischer Staatsbürger sei, in Österreich mit seiner Familie wohne und in einem rund 17 km entfernten Ort in Deutschland in Form eines Einzelunternehmens ein Dachdecker- und Spenglereiunternehmen betreibe. Seine Ehefrau, eine deutsche Staatsangehörige, sei in seinem Unternehmen angestellt. Der Mitbeteiligte und seine Ehefrau würden jeden Tag zwischen dem Wohnort in Österreich, wo er mit seiner Familie in einem Mehrfamilienhaus wohne, und dem Betriebsstandort in Deutschland pendeln. Der überwiegende Teil der Fahrtstrecke zwischen Wohnort und Unternehmensort liege in Deutschland. Der gegenständliche Pkw sei im Betriebsvermögen des Unternehmens und werde für betriebliche Zwecke am Betriebsstandort und vorwiegend von seiner Ehefrau für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte verwendet. Am Betriebsstandort werde das Fahrzeug für tägliche Fahrten zur Post, Bank, sowie zu den Baustellen, Kunden, Bauämtern und Behörden sowie für dringende Besorgungsfahrten zu den Lieferanten verwendet. Für diese betrieblichen Zwecke werde das Fahrzeug vom Mitbeteiligten, seiner Ehefrau und seinem Vorarbeiter benutzt. Diese betrieblichen Fahrten würden alle in Deutschland durchgeführt werden. Auch die privaten Fahrten seiner Ehefrau würden hauptsächlich in Deutschland durchgeführt werden. Seine Schwiegereltern wohnten in einem vom Betriebsstandort rund 120 km entfernten Ort in Deutschland, seine Ehefrau besuche die Schwiegereltern ca. einmal im Monat mit diesem Pkw. Die sonstigen privaten Fahrten (Einkäufe) würden ca. 1000 km im Jahr betragen. Der Einsatz dieses Pkws werde wie der der anderen betrieblich genutzten Kraftfahrzeuge von seinem Betriebsstandort bestimmt und dort würden auch die notwendigen Wartungs- und Reparaturarbeiten durchgeführt. Die Jahreskilometerleistung dieses Fahrzeuges betrage rund 20.000 km, wovon einschließlich der täglichen Wegstrecke zwischen Wohn- und Betriebsstätte in Österreich ca. 3060 km (ca. 15 %) gefahren würden.

Im Erwägungsteil führte die belangte Behörde aus, der gegenständliche Pkw sei auf den Mitbeteiligten unter der Anschrift seiner Einzelfirma in Deutschland zugelassen. Da der Mitbeteiligte seinen Hauptwohnsitz unbestritten in Österreich habe, dieses Fahrzeug mit ausländischem Kennzeichen ins Inland eingebracht und in diesem verwendet habe, sei es nach der Standortvermutung des § 82 Abs. 8 KFG 1967 bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setze die Beurteilung der Rechtsfrage, ob ein Fahrzeug seinen dauernden Standort entgegen der Vermutung des § 82 Abs. 8 erster Satz KFG 1967 nicht im Inland habe, Feststellungen über den regelmäßigen Ort sowie die Art und Weise der Verwendung des Fahrzeuges voraus, aus denen sich hinreichende Anhaltspunkte ergeben, ob das Fahrzeug bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung für Zwecke der Vollziehung des KFG einem bestimmten Ort außerhalb des Bundesgebietes zugeordnet werden müsse oder nicht (Hinweis auf die Erkenntnisse vom 19. März 2003, 2003/16/0007, und vom 23. Oktober 2001, 2001/11/0288). Es sei unstrittig, dass der Mitbeteiligte den gewerberechtlichen Standort seines Spenglerei- und Dachdeckerunternehmens allein in Deutschland habe und von dort aus sein Unternehmen leite und betreibe. Aus den vorgelegten Unterlagen gehe auch zweifelsfrei hervor, dass das gegenständliche Fahrzeug sich im Betriebsvermögen dieses Gewerbebetriebes befinde. Die belangte Behörde sehe auch keine Veranlassung, die vom Mitbeteiligten angeführte betriebliche Nutzung des Fahrzeuges von über 85 %, die nahezu ausschließlich im süddeutschen Raum erfolge, in Zweifel zu ziehen. Auch erscheine es glaubhaft und einsichtig, dass der Mitbeteiligte über den Einsatz des gegenständlichen Pkw wie auch über die anderen betrieblich genutzten Kraftfahrzeuge von seinem Betriebsstandort aus verfüge und auch dort die Wartungs- und Reparaturarbeiten durchführen lasse. Allein der Umstand, dass der Mitbeteiligte das Fahrzeug seiner in seinem Unternehmen beschäftigten Ehefrau für ihre täglichen Fahrten zwischen Wohnort und Betriebsstandort und für gelegentliche Privatfahrten am Wohn- und Betriebsort zur Verfügung stelle, könne den dauernden Standort des Fahrzeuges noch nicht am Wohnort des Mitbeteiligten in Österreich begründen. In einer Gesamtbetrachtung der dargestellten Umstände erachte es die belangte Behörde als erwiesen, dass über das Fahrzeug auf Dauer hauptsächlich vom Betriebsstandort in Deutschland verfügt werde und sich somit sein dauernder Standort in Deutschland befinde.

Zu prüfen sei daher noch, ob die Verpflichtung zu einer behördlichen Zulassung des strittigen Pkws in Österreich mit den entsprechenden Folgen einer NoVA-Pflicht nach Maßgabe des § 79 KFG 1967 bestehe, denn allein die Tatsache, dass das strittige Fahrzeug den dauernden Standort im Ausland habe, schließe die Zulassungspflicht im Inland nach § 79 leg. cit. nicht aus, wenn das Fahrzeug vor der darin normierten Jahresfrist ins Inland eingebracht worden sei. Es sei hiebei jedoch zu beachten, dass erst bei einer durchgehenden Verwendung des Fahrzeuges von mehr als einem Jahr im Inland die Zulassungspflicht im Inland ausgelöst werde, wobei durch jede Auslandsfahrt diese Frist unterbrochen werde und neu zu laufen beginne. Da die Ehefrau des Mitbeteiligten an den Arbeitstagen nahezu täglich mit diesem Pkw zwischen Deutschland und Österreich verkehre und somit diese Jahresfrist bei jeder dieser Fahrten unterbrochen werde und neu zu laufen beginne, sei auch eine Zulassungspflicht im Inland nach § 79 KFG 1967 ausgeschlossen. Damit sei der Tatbestand des § 1 Z. 3 NoVAG nicht erfüllt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die vom Finanzamt erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 1 Z. 3 NoVAG unterliegt der Normverbrauchsabgabe - abgesehen von hier nicht zutreffenden Ausnahmen - die erstmalige Zulassung von Kraftfahrzeugen zum Verkehr im Inland. Als erstmalige Zulassung gilt u.a. die Verwendung eines Fahrzeuges im Inland, wenn es nach dem Kraftfahrgesetz zuzulassen wäre, ausgenommen es wird ein Nachweis über die Entrichtung der Normverbrauchsabgabe erbracht. Durch die Einführung dieses Auffangtatbestandes (BGBl. I Nr. 122/1999) sollten all jene Fälle, in denen nur zum Zweck der Vermeidung der Normverbrauchsabgabe dauerhaft im Inland verwendete Fahrzeuge im Ausland zugelassen werden, der Normverbrauchsabgabe unterworfen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2008, 2006/15/0064).

Nach § 82 Abs. 8 KFG 1967 sind Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dauerndem Standort im Inland anzusehen. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 ist nur während eines Monats ab der Einbringung in das Bundesgebiet zulässig.

Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass der Mitbeteiligte seinen Hauptwohnsitz in Österreich hat und der in Rede stehende Pkw auf den Mitbeteiligten unter der Anschrift seines Einzelunternehmens in Deutschland zugelassen ist. Die belangte Behörde hat den gemäß § 82 Abs. 8 erster Satz KFG 1967 vorgesehenen Gegenbeweis, dass das auf den Mitbeteiligten zugelassene Fahrzeug seinen dauernden Standort nicht in Österreich habe, als erbracht angesehen.

Das Finanzamt wendet dagegen ein, bei Fahrzeugen von Einzelunternehmen könne der Gegenbeweis des § 82 Abs. 8 erster Satz KFG 1967 nicht dadurch erbracht werden, dass das Fahrzeug für das Unternehmen verwendet werde. Der Mitbeteiligte als Einzelunternehmer könne nur von seinem Hauptwohnsitz und nicht vom Ort seines Unternehmens aus über sein Betriebsfahrzeug verfügen.

Aus der Formulierung in § 82 Abs. 8 erster Satz KFG 1967, wonach "Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht und in diesem verwendet werden," bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen sind, ist abzuleiten, dass diese Standortvermutung nicht nur auf von Privatpersonen verwendete Fahrzeuge, sondern auch von Unternehmungen verwendete Fahrzeuge anzuwenden ist. § 82 Abs. 8 erster Satz KFG 1967 ist als lex specialis zu § 40 Abs. 1 leg. cit. zu sehen, welcher hinsichtlich des dauernden Standortes eines Fahrzeuges den Grundsatz normiert "als dauernder Standort eines Fahrzeuges gilt der Hauptwohnsitz des Antragstellers, bei Fahrzeugen von Unternehmungen der Ort, von dem aus der Antragsteller über das Fahrzeug hauptsächlich verfügt". Die Zulassung des Gegenbeweises des § 82 Abs. 8 erster Satz KFG 1967 durch die belangte Behörde ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Die belangte Behörde hat auch der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend zutreffend Feststellungen über den regelmäßigen Ort sowie die Art und Weise der Verwendung des Fahrzeuges getroffen. Die belangte Behörde ist in einer Gesamtbetrachtung der von ihr ermittelten Umstände zum Ergebnis gekommen, dass über das gegenständliche Fahrzeug auf Dauer hauptsächlich vom Betriebsstandort in Deutschland verfügt werde und sich somit sein dauernder Standort in Deutschland befinde.

Das Finanzamt bekämpft das Ergebnis der Beweiswürdigung der belangten Behörde insoweit, als es meint, die belangte Behörde habe den Betriebsstandort, von dem aus über das in Rede stehende Fahrzeug verfügt werde und der Kilometerleistung des Fahrzeuges eine Bedeutung beigemessen, die diesen Umständen nicht zukomme. Wesentlich sei hingegen die Tatsache, dass der Mitbeteiligte am ausländischen Betriebsstandort keinen weiteren Wohnsitz inne habe und von seinem inländischen Wohnsitz die täglichen Fahrten antrete.

Mit diesen Ausführungen zeigt das Finanzamt keine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde auf. Die belangte Behörde hat zutreffend auf die Verwendung des Fahrzeuges abgestellt und hervorgehoben, dass die betriebliche Nutzung des Fahrzeuges von über 85 % sich nahezu ausschließlich im süddeutschen Raum vollzieht. Allfällige Wartungs- und Reparaturarbeiten an diesem Fahrzeug werden am Betriebsstandort durchgeführt. Dazu kommt, dass nach den Ermittlungsergebnissen der belangten Behörde auch der überwiegende Teil der Privatfahrten in Deutschland vorgenommen wird. Wird aber das Fahrzeug weitaus überwiegend nicht in Österreich verwendet, kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie von der Erbringung des Gegenbeweises im Sinne des § 82 Abs. 8 erster Satz KFG 1967 ausgegangen ist.

Mit dem Einwand des Zweckes des § 1 Z. 3 NoVAG 1991 (Hintanhaltung von Umgehungshandlungen) übersieht das Finanzamt, dass die belangte Behörde eine solche verpönte Handlungsweise des Mitbeteiligten eben nicht festgestellt hat.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Wien, am 28. Oktober 2009

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