VwGH 2008/08/0007

VwGH2008/08/00071.4.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerden der M R in W, vertreten durch Mag. Margit Sagel, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 60/18, gegen die auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheide der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 29. November 2007, Zlen. 2007-0566-9- 000370 (protokolliert zur hg. Zl. 2008/08/0007), und 2007-0566-9- 000371 (protokolliert zur hg. Zl. 2008/08/0009), jeweils betreffend Widerruf und Rückforderung der Notstandshilfe, sowie Zl. 2007-0566-9-000372 (protokolliert zur hg. Zl. 2008/08/0008), betreffend rückwirkende Berichtigung und Rückforderung der Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AMSG 1994 §17 Abs3;
AMSG 1994 §17 Abs3;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.286,40, insgesamt daher EUR 3.859,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I. Die Beschwerdeführerin hat am 16. Jänner 2006 für den 19. Jänner 2006 einen Antrag auf Notstandshilfe gestellt, worin sie angab, dass ihr im Jahr 1949 geborener Ehegatte K.R. zu diesem Zeitpunkt Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich EUR 721,80 bezogen habe. In weiterer Folge legte die Beschwerdeführerin dem AMS Erklärungen ihres Ehegatten vor, wonach dieser für die Monate Jänner 2006 bis Jänner 2007 jeweils ein monatliches Nettoeinkommen von EUR 428,-- bzw. EUR 428,09 erzielt habe. Auf Grundlage dieser Angaben bzw. Erklärungen bezog die Beschwerdeführerin im Zeitraum Februar 2006 bis Jänner 2007 Notstandshilfe, wobei ihr täglich ein Betrag in Höhe von EUR 13,18 (in den Monaten Februar bis Juni 2006), von EUR 14,13 (im Monat Juli 2006), von EUR 21,85 (in den Monaten August und September 2006), von EUR 10,45 (in den Monaten Oktober bis Dezember 2006) bzw. von EUR 11,35 (im Monat Jänner 2007) gewährt wurde.

Wie aus den Verwaltungsakten ersichtlich ist, wurde mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Wien, vom 21. August 2006 dem Ehegatten der Beschwerdeführerin auf Grund seines Antrags auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension eine vorläufige Leistung ab 1. April 2006 von monatlich EUR 396,41 gewährt; aus der daraus resultierenden Nachzahlung vom 1. April bis 31. August 2006 (abzüglich Krankenversicherungsbeitrag und des zur Verrechnung einbehaltenen Betrages für das AMS Wien) gelangten EUR 376,79 je Monat zur Auszahlung; gleichzeitig wurde die monatliche Leistung ab September 2006 mit EUR 396,41 (abzüglich Krankenversicherungsbeitrag von EUR 19,62) festgelegt. Nach einer (ebenso in den Verwaltungsakten einliegenden) Mitteilung der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Wien, an den Ehegatten der Beschwerdeführerin betrug dessen Pensionshöhe zum 1. Jänner 2007 monatlich EUR 475,63 (abzüglich Krankenversicherungsbeitrag von EUR 23,54).

Mit Einkommenssteuerbescheid 2006 des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom 2. April 2007 wurde die Einkommenssteuer des Ehegatten der Beschwerdeführerin für das Jahr 2006 ausgehend vom ermittelten Gesamteinkommen in Höhe von EUR 14,827,79, das sich aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (Bezüge der Pensionsversicherungsanstalt) von EUR 4.370,20 und Einkünften aus Vermietung und Verpachtung von EUR 10.658,56 unter Berücksichtigung von Sonderausgaben von EUR 200,97 zusammensetzt, mit EUR 1.822,34 festgesetzt. Mit Vorauszahlungsbescheid 2007 gleichen Datums setzte das Finanzamt Wien 2/20/21/22 die Vorauszahlungen des Ehegatten der Beschwerdeführerin für das Jahr 2007 und die Folgejahre mit EUR 1.895,23 fest. Diese Bescheide langten am 12. April 2007 bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Dresdnerstraße (in der Folge: AMS Dresdnerstraße) ein.

Mit drei Bescheiden vom 22. Juni 2007 hat das AMS Dresdnerstraße in Anwendung der §§ 24, 25 und 38 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG)

1. die Zuerkennung der Notstandshilfe für den Zeitraum 1. März bis 31. Juli 2006 an die Beschwerdeführerin widerrufen und ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen in Höhe von EUR 2.415,03 verpflichtet sei;

2. die Notstandshilfe der Beschwerdeführerin für den Zeitraum vom 1. August bis 30. September 2006 "widerrufen bzw. rückwirkend berichtigt" (ohne dass ein Ausspruch über die Höhe des berichtigten Notstandshilfebezuges erfolgte) und die Beschwerdeführerin zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen Betrages von EUR 625,52 verpflichtet; sowie

3. den Widerruf der Zuerkennung der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 1. Oktober 2006 bis 31. Jänner 2007 ausgesprochen und die Beschwerdeführerin zur Rückzahlung des unberechtigt Empfangenen in Höhe von EUR 1.313,25 verpflichtet.

Den dagegen erhobenen Berufungen der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden hinsichtlich der oben zu 1. und 2. angeführten erstinstanzlichen Bescheide mit der Maßgabe keine Folge gegeben, dass sich der Ausspruch des zweitinstanzlichen Bescheides zu 1. auf den Zeitraum vom 1. Februar bis 31. Juli 2006 bezog. Ferner hat die belangte Behörde den oben zu 3. angeführten erstinstanzlichen Bescheid dahingehend abgeändert, dass die Bemessung der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2006 von EUR 10,45 auf EUR 5,48 sowie vom 1. bis 31. Jänner 2007 von EUR 11,35 auf EUR 6,48 jeweils täglich berichtigt und die in diesem Zeitraum zu Unrecht bezogene Notstandshilfe in Höhe von EUR 608,21 rückgefordert wurde.

In den weitgehend gleichlautenden Begründungen führte die belangte Behörde ausgehend von dem zuvor wiedergegebenen, unbestrittenen Sachverhalt neben Zitierung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen zur Bemessung der Notstandshilfe aus, dass bei der Notstandshilfe - im Gegensatz zum Arbeitslosengeld - das Einkommen des Partners Einfluss auf die Höhe des Notstandshilfeanspruches des Arbeitslosen habe, indem sein Einkommen nach bestimmten gesetzlich vorgeschriebenen Grundsätzen auf den theoretischen Notstandshilfeanspruch anzurechnen sei und lediglich der danach verbleibende Differenzbetrag zur Auszahlung gelange. Vom Nettoeinkommen des Partners würden sogenannte Freigrenzen abgezogen, wobei es sich um einen fixen Betrag handle, der den Partnern zur freien Verfügung verbleiben müsse; dieser betrage im Jahr 2006 EUR 458,--. Weitere Freigrenzen in Höhe von jeweils EUR 229,00 würden für jedes Kind gewährt, für das Unterhaltspflicht besteht. Diese Freigrenzen könnten nun auf Grund außergewöhnlicher finanzieller Belastung infolge von Krankheit, Schwangerschaft, eines Todesfalles sowie Rückzahlungsverpflichtungen infolge von Hausstandsgründung um bis zu 50% erhöht werden, wobei Kreditraten zu höchstens 50% der Ratenhöhe anerkannt würden. Gründe für eine Freigrenzenerhöhung gemäß § 36 Abs. 5 AlVG seien im Antrag auf Notstandshilfe vom 19. Jänner 2006 nicht geltend gemacht worden. Weiters ergebe sich aus dem Einkommenssteuerbescheid des Ehegatten der Beschwerdeführerin für das Jahr 2006 Einkommen aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von EUR 10.658,56, woraus geteilt durch 12 Monate ein monatliches Nettoeinkommen von EUR 888,21 resultiere.

Davon ausgehend gelangte die belangte Behörde (in dem zur Zl. 2008/08/0009 angefochtenen Bescheid) für den Zeitraum 1. Februar bis 31. Juli 2006 auf Grund nachstehender Berechung zum Ergebnis eines anrechenbaren Einkommens des Ehegatten der Beschwerdeführerin von tgl. EUR 37,87, welches den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Notstandshilfe von tgl. EUR 21,85 übersteige und weshalb kein Anspruch auf Notstandshilfe gegeben sei:

 

"EUR 888,21

Mtl. Nettoeinkommen

 

EUR 721,80

Arbeitslosengeld

abzüglich

EUR 458,00

Freigrenze für Ihren Gatten

 

EUR 1.152,01

Anrechenbares Einkommen (d.s. tgl. EUR 37,87)"

In dem zur Zl. 2008/08/0008 angefochtenen Bescheid vertrat die belangte Behörde (ohne nähere Aufschlüsselung) die Ansicht, dass die Notstandshilfe vom 1. bis 13. August und vom 19. bis 31. August 2006 sowie vom 1. bis 30. September 2006 wegen der Anrechnung des Einkommens des Ehegatten der Beschwerdeführerin von tgl. EUR 21, 85 auf EUR 10,68 zu berichtigen sei.

In dem zur Zl. 2008/08/0007 angefochtenen Bescheid leitete die belangte Behörde für Oktober 2006 aus der nachfolgenden Berechnung ein anrechenbares Einkommen von K.R. von tgl. EUR 16,37 ab und gelangte zu einem Notstandshilfeanspruch der Beschwerdeführerin von tgl. EUR 5,48 für die Monate Oktober bis Dezember 2006 sowie (wegen Änderung der Freigrenzen) von tgl. EUR 6,48 ab Jänner 2007:

 

"EUR 888,21

mtl. Nettoeinkommen

 

EUR 376,79

Berufsunfähigkeitspension

abzüglich:

EUR 458,00

Freigrenze für Ihren Gatten

 

EUR 229,00

zusätzliche Freigrenze

 

EUR 80,00

zusätzliche Freigrenze

 

EUR 498,00

anrechenbares Einkommen (d.s. tgl. EUR 16,37)"

Die Rückzahlungsverpflichtungen der Beschwerdeführerin wurden damit begründet, dass das Einkommen von selbständig Erwerbstätigen letztendlich durch den Einkommenssteuerbescheid für das Kalenderjahr, in dem Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen wurden, festgestellt werde, was bedeute, dass die endgültige Beurteilung erst mit Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2006 erfolgen habe können. Der Empfänger einer Leistung sei auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuerbescheides ergebe, dass die Leistung nicht in diesem Umfang gebühre. Wegen der Anrechnung des Einkommens des Ehegatten der Beschwerdeführerin sei daher die Notstandshilfe in den jeweiligen Zeiträumen zu widerrufen bzw. zu berichtigen und die daraus resultierende zu Unrecht bezogene Notstandshilfe rückzufordern.

Im Übrigen erfolgte eine detaillierte Aufschlüsselung der rückgeforderten Beträge.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, in welchen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete Gegenschriften, in denen sie jeweils die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragte.

II. Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Verbindung der Beschwerden auf Grund ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung über diese erwogen:

1. Gemäß § 33 Abs. 3 AlVG liegt Notlage vor, wenn dem Arbeitslosen die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist.

§ 36 AlVG idF BGBl. I Nr. 142/2004 lautet auszugsweise:

"(1) Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit erlässt nach Anhörung der gesetzlichen Interessenvertretungen der Dienstgeber und der Dienstnehmer Richtlinien über das Ausmaß der Notstandshilfe. ...

(2) In den nach Abs. 1 zu erlassenden Richtlinien sind auch die näheren Voraussetzungen im Sinne des § 33 Abs. 3 festzulegen, unter denen Notlage als gegeben anzusehen ist. Bei der Beurteilung der Notlage sind die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des (der) Arbeitslosen selbst sowie des mit dem Arbeitslosen (der Arbeitslosen) im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners (des Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin) zu berücksichtigen. ..."

§ 36a Abs. 1 bis 3 AlVG idF BGBl. I Nr. 128/2003 lauten:

"(1) Bei der Feststellung des Einkommens für die Beurteilung des Vorliegens von Arbeitslosigkeit (§ 12 Abs. 6 lit. a bis e), des Anspruchs auf Familienzuschlag (§ 20 Abs. 2 und 5), und für die Anrechnung auf die Notstandshilfe ist nach den folgenden Absätzen vorzugehen.

(2) Einkommen im Sinne dieses Bundesgesetzes ist das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, in der jeweils geltenden Fassung, zuzüglich den Hinzurechnungen gemäß Abs. 3 und dem Pauschalierungsausgleich gemäß Abs. 4. Einkommensteile, die mit dem festen Satz des § 67 des Einkommenssteuergesetzes 1988 zu versteuern sind, bleiben außer Betracht. Die Winterfeiertagsvergütung gemäß § 13j Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, BGBl. Nr. 414/1972, in der jeweils geltenden Fassung, bleibt außer Betracht. Bezüge aus einer gesetzlichen Unfallversorgung sowie aus einer Unfallversorgung der Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen sind nur zur Hälfte zu berücksichtigen.

(3) Dem Einkommen nach § 2 Abs. 2 EStG 1988 sind die folgenden Beträge hinzuzurechnen:

1. Steuerfreie Bezüge gemäß § 3 Abs. 1 Z 3 lit. b bis e, Z 4 lit. a und lit. e, Z 5 lit. a bis d, Z 8 bis 12, Z 15 lit. a, Z 15 lit. b, Z 22 bis 24, sowie § 29 Z 1 zweiter Satzund § 112 Z 1 EStG 1988;

2. die Beträge nach den §§ 10, 10a, 12, 18 Abs. 1 Z 4 sowie Abs. 6 und 7, 24 Abs. 4, 27 Abs. 3, 31 Abs. 3, 36, 41 Abs. 3 sowie 112 Z 5, Z 7 und Z 8 EStG 1988, soweit sie bei der Ermittlung des Einkommens abgezogen wurden;

3. Sonderunterstützungen nach dem Sonderunterstützungsgesetz, BGBl. Nr. 642/1973, und die besondere Schulbeihilfe nach dem Schülerbeihilfengesetz 1983, BGBl. Nr. 455."

§ 6 Abs. 1 und 6 NotstandshilfeV idF BGBl. II Nr. 490/2001 lautet:

"(1) Bei Heranziehung des Einkommens des Ehepartners (Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin) des (der) Arbeitslosen für die Beurteilung der Notlage ist wie folgt vorzugehen: Von dem Einkommen ist ein Betrag freizulassen, der zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhaltes des Ehepartners (Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin) und der allenfalls von ihm zu versorgenden Familienmitglieder bestimmt ist (Freigrenze). Der die Freigrenze übersteigende Teil des Einkommens ist auf die Notstandshilfe anzurechnen.

...

(6) Wenn der Arbeitslose oder sein Ehepartner (Lebensgefährte bzw. Lebensgefährtin) das 50. Lebensjahr vollendet hat und einen Grad der Behinderung von mindestens 50 vH aufweist oder eine Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit bezieht, so ist in jedem Fall eine Erhöhung der Einkommensgrenzen um 50 vH vorzunehmen; der Nachweis der Behinderung hat gemäß § 14 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, zu erfolgen."

§ 56 AlVG idF BGBl. I Nr. 179/1999 lautet (auszugsweise):

"(1) Gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstelle ist die Berufung an die Landesgeschäftsstelle zulässig. Gegen die Entscheidung der Landesgeschäftsstelle ist keine weitere Berufung zulässig.

(2) ...

(3) Die Landesgeschäftsstelle trifft die Entscheidung in einem Ausschuss des Landesdirektoriums.

(4) Das Landesdirektorium bei jeder Landesgeschäftsstelle hat einen Ausschuss zur Behandlung von Berufungen gemäß Abs. 1 einzurichten (Ausschuss für Leistungsangelegenheiten).

(5) Der Ausschuss für Leistungsangelegenheiten besteht aus folgenden drei Mitgliedern:

1. dem Vorsitzenden,

  1. 2. einem Arbeitnehmervertreter und
  2. 3. einem Arbeitgebervertreter.

(6) Den Vorsitz des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten hat der Landesgeschäftsführer oder ein von ihm damit beauftragter Bediensteter der Landesgeschäftsstelle zu führen.

(7) Der Arbeitnehmervertreter wird durch die Arbeitnehmervertreter des Landesdirektoriums, der Arbeitgebervertreter durch die Arbeitgebervertreter des Landesdirektoriums entsendet. Die Entsendung erfolgt durch einstimmigen Beschluss der jeweiligen Kurie und für die Dauer von sechs Jahren. Die neuerliche Entsendung ist möglich. Für den Arbeitnehmer- und den Arbeitgebervertreter ist die erforderliche Anzahl von Stellvertretern in gleicher Weise zu entsenden. Die Ausschussmitglieder und deren Stellvertreter müssen nicht Mitglieder des Landesdirektoriums sein.

(8) Stimmberechtigt sind die Mitglieder (Stellvertreter) des Ausschusses. Der Ausschuss ist beschlussfähig, wenn alle drei Mitglieder anwesend sind. Der Ausschuss fasst seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen."

2. Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, dass die Ausfertigungen der angefochtenen Bescheide an Stelle der Landesgeschäftsführerin (als Vorsitzender des Kollegialorgans) von einer dritten Person (hier: einem namentlich genannten stellvertretenden Abteilungsleiter) in deren Vertretung in unzulässiger Weise unterfertigt worden seien, ist auf die hg. Rechtsprechung zu verweisen, wonach die Unterfertigung der Bescheide, die im Ausschuss für Leistungsangelegenheiten beschlossen wurden, durch den Landesgeschäftsführer oder eine dazu ermächtigte Person rechtmäßig ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 2002, Zl. 2002/08/0041, mwN).

Auf der Grundlage des § 17 Abs. 3 Arbeitsmarktservicegesetz, BGBl. Nr. 313/1994, kann der Landesgeschäftsführer im Interesse einer raschen und zweckmäßigen Geschäftsbehandlung die ihm nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zustehenden Befugnisse hinsichtlich bestimmter Angelegenheiten auf seine Stellvertreter oder Träger von bestimmten Funktionen oder namentlich bezeichnete Mitarbeiter der Landesgeschäftsstelle zur selbständigen Erledigung übertragen. Nach der genannten gesetzlichen Bestimmung können Bedienstete daher durch verwaltungsinterne Akte zur Unterfertigung von Bescheiden ermächtigt werden (vgl. auch dazu das genannte hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 2002).

Im gegenständlichen Fall gibt es überdies keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Entscheidungen nicht durch den Ausschuss der zuständigen Landesgeschäftsstelle gefasst wurden, ebensowenig dafür, dass eine Ermächtigung des Unterfertigenden nicht erfolgt wäre.

Darüber hinaus kommt den Beschwerden aber Berechtigung zu:

Geltend gemacht wird, dass dem Ehegatten der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 29. August 2006 eine Invaliditätspension ab 1. April 2006 zuerkannt, der für diesen Fall gemäß § 6 Abs. 6 NotstandshilfeV vorgesehene zusätzliche Freibetrag von 50% des Freibetrages gemäß § 6 Abs. 2 NotstandshilfeV, das sind EUR 229,--, aber nicht rückwirkend ab 1. April 2006 berücksichtigt worden sei und dass die belangte Behörde rechtswidrigerweise vom Bruttoeinkommen des Ehegatten der Beschwerdeführerin und nicht von dessen Nettoeinkommen ausgegangen sei.

Auf Grund des Pensionsbescheides steht fest, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin rückwirkend ab 1. April 2006 eine Invaliditätspension bezieht. Damit liegt die Voraussetzung für die zusätzliche Freigrenze ab diesem Zeitpunkt vor. Dass die Pensionsnachzahlung für den Zeitraum vom 1. April bis 31. August 2006 zunächst einbehalten, das heißt allenfalls nicht unmittelbar an ihn ausbezahlt, sondern mit den zwischenzeitig durch das Arbeitsmarktservice erbrachten Geldleistungen verrechnet wurde, ändert daran nichts.

Da die Anrechnung der Pensionsleistung auf die Notstandshilfe für den Zeitraum ab Oktober 2006 (unter Berücksichtigung des zusätzlichen Freibetrages) dazu führt, dass der Beschwerdeführerin ein Teil der Notstandshilfe gebührt, ist nicht auszuschließen, dass dies auch für den Zeitraum vom 1. April bis 30. September 2006 der Fall ist. Soweit die belangte Behörde - abgesehen von einer nur den Zeitraum des Abspruches gegenüber dem erstinstanzlichen Bescheid betreffenden Berichtigung (ab Februar 2006 statt ab März 2006; der Rückzahlungsbetrag wurde nicht verändert) - auf Grund ihrer verfehlten Rechtsauffassung, der Pensionsfreibetrag gebühre in diesem Zeitraum nicht, die Berufung abgewiesen hat, ohne die erforderlichen Berechnungen anzustellen, erweist sich der Bescheid im Hinblick auf den Zeitraum vom 1. April bis 31. August 2006 als nicht ausreichend begründet. Dasselbe gilt für jenen angefochtenen Bescheid, der den Zeitraum August und September 2006 umfasst.

Da nach dem Gesagten jedoch ein sekundärer Verfahrensmangel vorliegt, waren die Bescheide zu den Zlen. 2008/08/0009 und 2008/08/0008 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Hinsichtlich des (mit zur Zl. 2008/08/0007 protokollierten Beschwerde angefochtenen) Bescheides, der den Zeitraum vom 1. Oktober 2006 bis 31. Jänner 2007 betrifft, gesteht die belangte Behörde selbst den - von der Beschwerdeführerin aufgezeigten - (relevanten) Berechnungsfehler zu, als das aliquote Bruttoeinkommen (von EUR 888,21) anstelle des aliquoten Nettoeinkommens des Ehegatten der Beschwerdeführerin (von EUR 736,22) in die Berechnung Eingang gefunden hat.

3. Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 1. April 2009

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