VwGH 2008/06/0210

VwGH2008/06/021024.2.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde 1. des Dr. G H und 2. des Dr. C H, beide in X, beide vertreten durch Dr. Hermann Kienast, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Friedrichgasse 6/IV/17, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 24. September 2008, Zl. 022504/2005 - 23, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: L GmbH in X; weitere Partei:

Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauG Stmk 1995 §13 Abs8;
BauG Stmk 1995 §13 Abs9;
BauRallg;
B-VG Art130 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §8;
BauG Stmk 1995 §13 Abs8;
BauG Stmk 1995 §13 Abs9;
BauRallg;
B-VG Art130 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat den Beschwerdeführern zusammen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 5. August 2005 (eingebracht am selben Tag) kam die mitbeteiligte Partei (kurz: Bauwerberin) um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung eines sechsgeschoßigen Bürohauses (zuzüglich eines Dachgeschoßes über einem Teil des Hauses) auf einer Liegenschaft in X ein. Auf dem Bauplatz befand sich ein zweigeschoßiges älteres Haus mit Satteldach (bezeichnet als Biedermeierhaus), welches abgebrochen wurde (Haus Nr. 25). Der Bauplatz liegt aus städtebaulicher Sicht im Bereich einer älteren Vorstadtbebauung mit einer gründerzeitlichen Bebauung entlang des (im Wesentlichen Nord-Süd verlaufenden) X-Kais, die, vom Bauplatz aus gesehen, im Anschluss an diesem beginnt und sich den Kai entlang nordwärts zieht. Das an den Bauplatz nördlich (von der Straße aus gesehen rechts) angrenzende gründerzeitliche Haus (Nr. 27) weist ein hohes Erdgeschoß (Hochparterre) und drei Obergeschoße sowie ein Satteldach auf. Straßenseits schließt auf der anderen Seite des Bauplatzes (südlich bzw. von der Straße aus gesehen links) ein zweigeschoßiges Gebäude mit Satteldach an (ebenfalls als Biedermeierhaus bezeichnet - Haus Nr. 23), daran anschließend ein freistehendes kleines Gebäude mit einem Satteldach, dessen First quer zur Straße liegt. Dann folgt eine Querstraße.

Der Bauplatz hat eine unregelmäßige Form (wie ein "verzogenes" Trapez). Gemäß den Bauplänen ist er straßenseitig 16,12 m breit, die seitlichen Längen betragen rechts 15,80 m (zum Haus Nr. 27) und rund 11,20 m links (zum Haus Nr. 23), die rückwärtige Seite verläuft leicht gebogen und ist rund 11,80 m lang.

Die Beschwerdeführer sind Eigentümer eines Grundstückes, welches (im Anschluss an das Grundstück, auf welchem das Haus Nr. 23 steht) im rückwärtigen Bereich an die linke Seite und daran anschließend im linken Bereich an die rückwärtige Seite des Baugrundstückes anschließt. Auf diesem Grundstück befindet sich unter anderem ein L-förmiges Haus, das, wie aus Lichtbildern zu schließen ist (die Baupläne geben darüber keinen Aufschluss), unterhalb des Daches zwei Geschoße aufweist und mit einer Giebelseite unmittelbar an die rückwärtige Grenze des Bauplatzes anschließt. Von den Beschwerdeführern wird behauptet, dass sich in dieser Giebelfront Fenster befinden (von der Behörde wurden dazu keine Feststellungen getroffen); solche Fenster sind auf den genannten Lichtbildern ersichtlich, und zwar eines anscheinend im Bereich des Erdgeschoßes, zwei weitere anscheinend im Bereich des Dachgeschoßes.

Das Baugrundstück liegt gemäß dem 3.0 Flächenwidmungsplan 2002 der Landeshauptstadt Graz im Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet sowie in einer Schutzzone nach dem Grazer Altstadterhaltungsgesetz

(GAEG).

Nach dem im Zuge des Bauverfahrens modifizierten Vorhaben (Anmerkung: hier wird nur auf die bewilligte letzte Fassung eingegangen) ist die weitgehende Verbauung des Bauplatzes vorgesehen, und zwar als geschlossene Bebauung straßenseits, wobei sich das Gebäude auch winkelförmig entlang der rechten Grenze (zum Haus Nr. 27) bis zur rückwärtigen Grundgrenze erstreckt (kurz: Hoftrakt). Frei bleibt lediglich im linken rückwärtigen Bereich ein trapezförmiger "Garten", mit einer Länge von rund 8,80 m entlang der hofseitigen Front, von rund 8,0 m entlang der rückwärtigen Grundgrenze, von rund 3,0 m entlang der linken Grundgrenze und von rund 4,2 m rechter Hand entlang des "Hoftraktes". Normal zur Grundgrenze gemessen beläuft sich somit der Grenzabstand von der Hoffront im Erdgeschoß zur rückwärtigen Grundgrenze auf rund 2,90 m/3,0 m bis auf rund 4,0 m. Im genannten "Hoftrakt" ist vom Erdgeschoß bis zum vierten Obergeschoß ein Stiegenhaus vorgesehen, darüber befinden sich im fünften und sechsten Obergeschoß jeweils Büroräumlichkeiten und jeweils ein "Putzbalkon" zur Grundgrenze, das fünfte und sechste Obergeschoß werden von einer außen liegenden Freitreppe erschlossen, die, über dem "Garten" liegend, im vierten Obergeschoß beginnt und bis zum sechsten Obergeschoß führt (zwischen dem fünften und sechsten Obergeschoß ist auch an einer anderen Stelle eine Wendeltreppe vorgesehen).

Die Beschwerdeführer erhoben in der Bauverhandlung vom 26. März 2006 umfangreiche Einwendungen gegen das Vorhaben, insbesondere im Hinblick auf die Verletzung der Abstandsvorschriften (die eingeholten Gutachten zur Frage der Bewilligung geringerer Abstände gemäß § 13 Abs. 8 Stmk. BauG seien widersprüchlich und unzureichend, die vorgesehene Abstandsverkürzung greife exzessiv in ihre Interessen ein und beeinträchtige die Belichtung ihrer Fenster in der Giebelwand ihres Gebäudes); sie hielten diese Einwendungen auch nach der (nach der Bauverhandlung) erfolgten Projektmodifikation aufrecht und erstatteten ein weiteres Vorbringen zur vorgenommenen Projektmodifikation.

Die Baubehörde erster Instanz hatte schon vor der Bauverhandlung städtebauliche Gutachten zum Projekt eingeholt. Die Grazer Altstadt-Sachverständigenkommission beurteilte in einem Gutachten vom 27. September 2005 das Projekt negativ, aber einzig und allein wegen der Gestaltung der Erdgeschoßzone.

Ein von der Behörde beigezogener Amtssachverständiger des Stadtplanungsamtes erstattete unter dem Datum "22.04.2005" unter Bezugnahme auf ein früheres Gutachten dieses Datums und auf das Ersuchen der Baubehörde vom 21. September 2005 ebenfalls ein Gutachten (die Datierung ist somit unzutreffend), in welchem zunächst die Umgebung beschrieben wird. Darin heißt es, mit den näher bezeichneten Häusern X-Kai 29, 31 und 33 (kurz: N-Häuser), welche unter Denkmalschutz stünden, liege ein Repräsentant des Gebäudetypus vor, der wesentlich das Erscheinungsbild des Kais präge und durch seine Dominanz das städtebauliche Erscheinungsbild vorgebe. Die baulichen Anschlüsse nach Norden bzw. nach Süden seien jeweils um ein Geschoß abgetreppt (betont wird die städtebauliche Bedeutung dieses Straßenzuges). Der nördliche Anschluss an den Bauplatz, also der Beginn der geschlossenen Bebauung Richtung Norden mit dem Abschnitt, in welchem sich die N-Häuser befänden, erfolge durch ein viergeschoßiges Wohngebäude (Anmerkung: Nr. 27), welches infolge des besonders hohen Erdgeschoßes und darauf folgenden Altbaugeschoße eine Gebäudehöhe von ca. 17 m aufweise.

Die bebaute Fläche des Grundstückes liege gemäß der Baubeschreibung bei 154,4 m2. Die gesamte Grundstücksfläche betrage 181,72 m2.

Für das vorliegende Bauansuchen ergäben sich nunmehr drei wesentliche städtebauliche Faktoren, die zu berücksichtigen und zu begründen seien: Nämlich einerseits die Überschreitung der Bebauungsdichte, dann die verringerten Gebäudeabstände und die Gebäudehöhe.

Zur Bebauungsdichte liege die gestalterische Beurteilung in Form eines positiven Gutachtens der Grazer Altstadtsachverständigenkommission mit einer schlüssigen Begründung vor (es folgen weitere Ausführungen zur Bebauungsdichte). Dieser bereits hohe Bebauungsdichtewert von 2,5 sei für dieses Geviert, wie auch für viele Bereiche der Altstadt kein geeignetes Instrument, städtebaulich innovative und an die Norm des städtebaulichen Bestandes angepasste Projekte zu realisieren. Durch anteilig geringe Grundstücksflächen (ein Gebäude stelle oft einen Bauplatz dar), wären bei Ausschöpfung der Dichte von 2,5 maximal 2,5 bis 3 Geschoße möglich. Der Anspruch auf ein für die Stadt bestimmendes Straßenbild könne daher nicht über eine Bebauungsdichte geregelt werden, sondern über städtebauliche Parameter, die Aufschluss über das äußere Erscheinungsbild und die Einfügungsmöglichkeit gäben, das seien im gegebenen Fall die Gebäudehöhe, Gebäudetiefe und die Ausformung des Gebäudes selbst.

Gemäß § 13 Stmk. BauG seien die Abstände der Gebäude untereinander geregelt. Infolge der bestehenden Grundstückstiefe von ca. 11 m an der engsten Stelle sei der Bauplatz bei Anwendung der Abstandsbestimmung nicht einmal mit einem eingeschoßigen Gebäude bebaubar. Gemäß § 13 Abs. 8 Stmk. BauG könne aber die Behörde geringere Abstände von den Nachbargrundgrenzen und Nachbargebäuden zulassen, wenn dies im Interesse des Ortsbildschutzes, der Altstadterhaltung, des Denkmalschutzes oder der Erhaltung einer baukulturell bemerkenswerten Bausubstanz liege. Im Sinne dieser Bestimmung liege ein Projekt vor, welches die Kriterien des Ortsbildschutzes, der Altstadterhaltung aber vor allem des Ensembleschutzes erfülle. Mit der Rücknahme der Baukörpertiefe auf 8,45 m werde ebenfalls die Tiefe des südlich angrenzenden Gebäudes (Anmerkung: Nr. 23) aufgenommen. Die städtebauliche Kontinuität und die hofseitigen Gebäudefluchten ohne Abtreppungen blieben erhalten.

Zur Gebäudehöhe führte der Amtssachverständige aus, die klare und einfache Formensprache der Bebauung entlang des Kais bestimme die Baukörperkonfiguration des Bestandes und der nachfolgenden Neubauten. Die höchste Erscheinung dieses Abschnittes werde durch die zuvor genannten Häuser vorgegeben. Alle weiteren Anschlussgebäude seien um maximal ein Geschoß, nicht jedoch in sich selbst, abgestuft.

Durch die Abstaffelung zum nördlich anschließendes Gebäude um ein weiteres Dachgeschoß würden Höhensprung und die Traufengliederung straßenseitig aufgenommen.

In einem weiteren Gutachten vom 18. Jänner 2006 führte die Grazer Altstadt-Sachverständigenkommission aus, die im Gutachten vom 27. September 2005 negativ bewertete Gestaltung und Nutzung der Erdgeschoßzone sei überarbeitet worden (wurde näher ausgeführt), das Projekt entspreche dem § 6 Abs. 1 GAEG und werde daher positiv begutachtet. In einem weiteren Gutachten vom 13. November 2006 wiederholte diese Kommission ihre Beurteilung, dass das Projekt dem § 6 Abs. 1 GAEG entspreche und daher positiv begutachtet werde.

Nach verschiedenen Verfahrensschritten erteilte der Stadtsenat mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 6. März 2007 die angestrebte Baubewilligung mit einer Reihe von Vorschreibungen. Soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, stützte sich die Behörde dabei insbesondere auf das Gutachten der Grazer Altstadtsachverständigenkommission vom 18. Jänner 2006 und auf das Gutachten des Amtssachverständigen des Stadtplanungsamtes vom 22. April 2005 (auch unter Hervorhebung des Umstandes, dass bei Einhaltung der erforderlichen Abstände das Baugrundstück praktisch kaum oder sogar gänzlich unbebaubar wäre). Auch das Vorbringen der Beschwerdeführer in Bezug auf Immissionen durch Licht- und Hitzereflektionen sei unbegründet, weil ihnen zum einen diesbezüglich kein Nachbarrecht zukomme, und zum anderen die Ausgestaltung dieser Westseite durchaus als ortsüblich anzusehen und demnach eine diesbezügliche Beeinträchtigung der Nachbarschaft auszuschließen sei.

Die Beschwerdeführer beriefen.

Im Zuge des Berufungsverfahrens legte die Bauwerberin ein (privates) städtebauliches Gutachten einer Architektin vom 14. September 2007 vor, das unter Anschluss einer Fotodokumentation zu einer positiven Beurteilung des Vorhabens gelangt. Die Berufungsbehörde holte ihrerseits ein ergänzendes städtebauliches Gutachten eines Amtssachverständigen des Stadtplanungsamtes (vom 14. Februar 2008) ein, dem ebenfalls eine Fotodokumentation sowie planliche Darstellungen und Darstellungen von Modellen einer "Bebauungsleitlinie" des fraglichen Gebietes angeschlossen sind. Das Gutachten kommt zusammengefasst zum Ergebnis, aus der Bebauungsleitlinie gehe nachvollziehbar hervor, dass eine Reduktion der Baukörperhöhe entscheidend die gesamte Fassadenabwicklung im fraglichen Bereich beeinflussen und den historisch gewachsenen städtebaulichen Willen zerstören würde. Das geplante Vorhaben füge sich bezüglich seiner Gebäudehöhe und Gebäudetiefe in das Erscheinungsbild des Straßenzuges ein und es sei die Abstandsverkürzung erforderlich, um diese Einfügung zu erreichen.

Die Beschwerdeführer äußerten sich ablehnend.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführer (sowie weiterer Berufungen anderer Nachbarn) keine Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt. Soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, stützte sie sich auf die vorliegenden städtebaulichen Gutachten, welche sie als schlüssig ansah, und verwies auch auf die Bestimmung des § 6 Abs. 1 GAEG. Aus der dem Gutachten des Amtssachverständigen des Stadtplanungsamtes vom 14. Februar 2008 angeschlossenen Bebauungsleitlinie (die im Auftrag des Stadtplanungsamtes erstellt worden sei) ergebe sich nachvollziehbar, dass das städtebauliche Ziel an diesem Straßenzug nur eine zeitgemäße Fortführung der das Bild der Bebauung prägenden, näher bezeichneten Gebäude sein könne, abgestuft in Richtung der südlichen Quergasse, um eine geschlossene repräsentative Bebauung zu erreichen. Aus den vorliegenden Gutachten ergebe sich auch nachvollziehbar, dass es zur Einfügung des geplanten Gebäudes in das Erscheinungsbild des Straßenzuges erforderlich sei, die hofseitigen Abstände zum Gebäude der Beschwerdeführer zu verkürzen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Steiermärkische Baugesetz 1995, LGBl. Nr. 59 (Stmk. BauG), in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 6/2008 und teilweise der Novelle LGBl. Nr. 27/2008 anzuwenden (die Novellierungen des Gesetzes im Zuge des Bauverfahrens sind allerdings für die hier relevante Abstandsproblematik nicht relevant).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, uva.). Das gilt weiterhin auch für den Nachbarn, der i.S. des § 27 Stmk. BauG die Parteistellung behalten hat.

Gemäß § 26 Abs. 1 Stmk. BauG kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlich-rechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über

"1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan und mit Bebauungsrichtlinien, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;

  1. 2. die Abstände (§ 13);
  2. 3. den Schallschutz (§ 43 Abs. 2 Z. 5);
  3. 4. die Brandwände an der Grundgrenze (§ 51 Abs. 1);
  4. 5. die Vermeidung einer Brandgefahr, einer sonstigen Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung (§ 61 Abs. 1, § 63 Abs. 1 und § 65 Abs. 1);

    6. die Baueinstellung und die Beseitigung (§ 41 Abs. 6)."

    § 13 Stmk. BauG lautet auszugsweise:

    "§ 13

    Abstände

(1) Gebäude sind entweder unmittelbar aneinander zu bauen oder müssen voneinander einen ausreichenden Abstand haben. Werden zwei Gebäude nicht unmittelbar aneinandergebaut, muss ihr Abstand mindestens so viele Meter betragen, wie die Summe der beiderseitigen Geschoßanzahl, vermehrt um 4, ergibt (Gebäudeabstand).

(2) Jede Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrenze errichtet wird, muss von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, wie die Anzahl der Geschosse, vermehrt um 2, ergibt (Grenzabstand).

(3) Steht ein Gebäude an der Grundgrenze, so hat der Nachbar, soferne durch einen Bebauungsplan oder durch Bebauungsrichtlinien nichts anderes bestimmt ist oder Gründe des Straßen-, Orts- und Landschaftsbildes nicht entgegenstehen, die Wahlmöglichkeit, entweder an die Grundgrenze anzubauen oder den erforderlichen Gebäudeabstand einzuhalten. Weist das Gebäude an der Grenze Öffnungen (Fenster, Türen und dgl.) auf, so ist der erforderliche Gebäudeabstand einzuhalten.

(4) ...

...

(8) Die Behörde kann geringere Abstände von den Nachbargrundgrenzen und Nachbargebäuden zulassen

(9) Der Gebäudeabstand hat, sofern ein geringerer Abstand als nach Abs.1 zulässig ist, mindestens 2,0 m zu betragen.

(10) ...

(12) Lässt der Verwendungszweck von baulichen Anlagen eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gesundheitsgefährdung der Nachbarschaft erwarten oder ist dies zum Schutz des Ortsbildes erforderlich, hat die Behörde größere Abstände vorzuschreiben.

(13) ..."

Der Bauplatz liegt in einem Schutzgebiet (Schutzzone) gemäß dem Grazer Altstadterhaltungsgesetz 1980, LGBl. Nr. 17 (kurz: GAEG - das Gesetz in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 71/2001).

§ 6 Abs. 1 GAEG lautet:

(1) Im Schutzgebiet (§ 2) ist beim Wiederaufbau abgebrochener Bauten sowie bei der Verbauung von Baulücken und sonst unverbauter Grundstücke den Bauten eine solche äußere Gestalt zu geben, dass diese sich dem Erscheinungsbild des betreffenden Stadtteiles einfügen; dasselbe gilt für Bauveränderungen sowie für Zu- und Umbauten bestehender Bauten. Portale und Schaufenster haben im Ausmaß ihrer Öffnungen die tragende Funktion der Außenmauern klar erkennen zu lassen.

Zentrale Frage des Beschwerdeverfahrens ist, welche Abstände das projektierte Gebäude zum Grundstück und zum Haus der Beschwerdeführer einzuhalten hat, wobei evident und unstrittig ist, dass das Vorhaben nicht einmal den für ein zweigeschossiges Gebäude erforderlichen Grenzabstand einhält.

Die belangte Behörde ist dabei erkennbar davon ausgegangen, dass es für die Bewilligungsfähigkeit des Vorhabens aus dem Gesichtspunkt der Abstandsvorschriften lediglich auf die im § 13 Abs. 8 zweiter Fall Stmk. BauG genannten (vereinfacht gesagt, im Wesentlichen schönheitlichen) Kriterien ankomme (lediglich beschränkt durch § 13 Abs. 9 Stmk. BauG). § 13 Abs. 8 leg. cit. nennt (nunmehr) drei alternative Fallkonstellationen (der dritte Fall wurde durch die Novelle LGBl. Nr. 27/2008 eingefügt), in denen eine solche "Abstandsnachsicht" in Betracht kommt. Darüber hinaus hat die Baubehörde bei der Ausübung ihres Ermessens alle nach dem Stmk. BauG in Betracht kommenden, insbesondere auch die negativen Auswirkungen einer solchen "Abstandsnachsicht" zu prüfen und zu beurteilen, nicht zuletzt auch betreffend die Liegenschaft des Nachbarn. Dabei ist die Verhältnismäßigkeit des dadurch bewirkten Eigentumseingriffes für den Nachbarn zu den verfolgten öffentlichen Interessen zu beurteilen. Der Nachbar, zu dessen Nachteil eine solche "Abstandsnachsicht" erfolgen soll, hat einen Rechtsanspruch auf gesetzmäßige Ausübung des Ermessens. Eine solche umfassende Prüfung unterblieb aber in Verkennung der Rechtslage, sodass die Sache noch nicht spruchreif ist.

Da die belangte Behörde die Beurteilungskriterien verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er ohne Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen aufzuheben war.

Die Beschwerdeführer haben mit ihrem Hauptbegehren die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit begehrt, "dies allenfalls nach Anberaumung einer mündlichen Verhandlung" (Eventualantrag). Eine mündliche Verhandlung war im Beschwerdefall nicht erforderlich und konnte daher unterbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 24. Februar 2009

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