Normen
AVG §8;
BauG Stmk 1995 §13 Abs2;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1;
BauG Stmk 1995 §4 Z29;
BauRallg;
VwRallg;
AVG §8;
BauG Stmk 1995 §13 Abs2;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1;
BauG Stmk 1995 §4 Z29;
BauRallg;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 je zur Hälfte binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bauansuchen vom 4. September 2007 (eingebracht am selben Tag) kam der Mitbeteiligte (kurz: Bauwerber) um die Erteilung der baubehördlichen Genehmigung zur Errichtung eines zweigeschossigen Mehrfamilienwohnhauses mit Tiefgarage auf einem Grundstück in Graz ein. Das zu bebauende Grundstück und das umliegende Gebiet sind gemäß dem 3.0 Flächenwidmungsplan 2002 als "reines Wohngebiet" gewidmet. Das Baugrundstück grenzt unter anderem an ein langes, schmales Grundstück, in der Natur eine Privatstraße (die im Flächenwidmungsplan nicht als Verkehrsfläche ausgewiesen ist), gemäß dem Vorbringen der Beschwerdeführerinnen mit einer Breite von 4,0 m und einer Fahrbahnbreite von 3,0 m, die laut Grundbuchsstand im Miteigentum zahlreicher Personen steht, darunter des Bauwerbers aber auch der Beschwerdeführerinnen (nach den Katasterplänen ist davon auszugehen, dass dieses Weggrundstück und ein unmittelbar daran anschließendes weiteres schmales langgestrecktes Grundstück zur verkehrsmäßigen Aufschließung der anliegenden Grundstücke dienen). Die Erstbeschwerdeführerin ist weiters Eigentümerin eines Grundstückes, welches, getrennt durch das Weggrundstück, gegenüber der zu bebauenden Liegenschaft liegt, die Zweitbeschwerdeführerin Eigentümerin eines Grundstückes, welches vom Baugrundstück durch andere Grundstücke getrennt ist.
Die Beschwerdeführerinnen erhoben in der Bauverhandlung vom 19. Dezember 2007 Einwendungen gegen das Vorhaben: Es überschreite die zulässige Bebauungsdichte und widerspreche dem Ortsbild. Es verletze auch (soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich) die Abstandsvorschriften, weil das Stiegenhaus zweigeschossig ausgeführt und überwiegend geschlossen sei, und damit der erforderliche Grenzabstand zum Weggrundstück nicht gegeben sei. Außerdem ergebe sich wegen der unzureichenden Zufahrtssituation und des unzureichenden Einfahrtsradius zur Tiefgarage eine unzulässige Verkehrsbelastung auf der Privatstraße: Die Privatstraße habe lediglich eine Fahrbahnbreite von 3 m, sodass ein Begegnungsverkehr nicht möglich sei. Die zusätzliche Belastung der Straße mit Fahrzeugen durch die Errichtung von vier Wohnungen und fünf Tiefgaragenplätzen sei daher eine erhebliche, unzulässige Mehrbelastung. Die Zufahrt sei zu schmal und unzureichend. Dazu komme, dass der Einfahrtsradius von der Privatstraße zur Tiefgarage unzureichend gewählt sei, sodass es dazu kommen werde, dass Fahrzeuge auf der Einfahrtsstraße halten müssten und die Privatstraße blockiert werde.
Im Hinblick auf die Einwendungen der Beschwerdeführerinnen nahm der Bauwerber eine Änderung des Vorhabens vor, die insbesondere das abstandsrelevante Stiegenhaus betraf. Weiters waren nun durch eine Reduktion der Fläche der Tiefgarage (durch Verlegung eines Liftschachtes) nur mehr vier statt fünf Pkw-Abstellplätze vorgesehen. Die Baubehörde gewährte dazu Parteiengehör.
Mit dem erstinstanzlichen Bescheid des Stadtsenates vom 15. April 2008 wurde die angestrebte Baubewilligung zur Errichtung eines mehrgeschossigen Mehrfamilienwohnhauses mit vier Wohnungen, einem Lift, einer Tiefgarage für vier Pkw samt Stützmauer für Abfahrtsrampe und Durchführung von Geländeveränderungen mit verschiedenen Vorschreibungen erteilt, wobei die Einwendungen der Beschwerdeführerinnen (in der Begründung des Bescheides) teils als unzulässig und teils als unberechtigt erachtet wurden. Zur Abstandsproblematik heißt es begründend, auf Grund der vorgenommenen Projektmodifikation sei das Stiegenhaus nunmehr nicht geschlossen, sondern offen ausgeführt, womit diesem nicht die Eigenschaft einer Gebäudefront zukomme, es daher nicht abstandsrelevant sei. Der Grenzabstand sei somit gewahrt. Zu den Zufahrtsverhältnissen führte die Behörde erster Instanz aus, damit werde kein Nachbarrecht im Sinne des § 26 Abs. 1 Stmk. BauG geltend gemacht. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass die Baubehörde hinsichtlich der Zufahrt zur Tiefgarage den zuständigen Bezirksingenieur des Straßenamtes als Amtssachverständigen konsultiert habe. Dieser habe nach Studium der vorliegenden Pläne und Unterlagen festgestellt, dass der Einfahrtsradius ausreichend dimensioniert sei. Nach der Projektmodifikation seien nunmehr vier Abstellplätze vorgesehen, das entspreche der Anzahl der Pflichtabstellplätze.
Die Beschwerdeführerinnen erhoben Berufung, die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde. Zur Begründung heißt es zusammengefasst, die Beschwerdeführerinnen seien hinsichtlich der erst in der Berufung vorgetragenen Immissionsbelastung präkludiert. Hinsichtlich der behaupteten Überschreitung der Bebauungsdichte, der Verletzung des Ortsbildes, der unzureichenden Zufahrt, der unzulässigen Verkehrsbelastung und des unzureichenden Einfahrtsradius zur Tiefgarage komme ihnen kein Mitspracherecht zu.
Bereits im Zuge des Verfahrens in erster Instanz sei das ursprünglich überwiegend geschlossen geplante, außen liegende Stiegenhaus nunmehr offen gestaltet worden, sodass diesem keine Eigenschaft als Gebäudefront zukomme und es daher nicht als abstandsrelevant anzusehen sei. Damit liege keine Verletzung von Abstandsvorschriften vor.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist das Steiermärkische Baugesetz 1995, LGBl. Nr. 59 (Stmk. BauG), in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 6/2008 anzuwenden.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, uva.). Das gilt weiterhin auch für den Nachbarn, der i.S. des § 27 Stmk. BauG die Parteistellung behalten hat.
Gemäß § 26 Abs. 1 Stmk. BauG kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlich-rechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über
"1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan und mit Bebauungsrichtlinien, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;
- 2. die Abstände (§ 13);
- 3. den Schallschutz (§ 43 Abs. 2 Z. 5);
- 4. die Brandwände an der Grundgrenze (§ 51 Abs. 1);
- 5. die Vermeidung einer Brandgefahr, einer sonstigen Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung (§ 61 Abs. 1, § 63 Abs. 1 und § 65 Abs. 1);
6. die Baueinstellung und die Beseitigung (§ 41 Abs. 6)."
Zur Frage der Verletzung des Ortsbildes kommt den Beschwerdeführern nach dem Katalog des § 26 Abs. 1 Stmk. BauG kein Mitspracherecht zu, auch nicht zur Frage, ob das Vorhaben die Bebauungsdichte überschreitet oder nicht, dies auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass eine größere Bebauungsdichte auch mit mehr Immissionen verbunden sei (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 27. November 2007, Zl. 2006/06/0307).
Was die behauptete Verletzung der Abstandsvorschriften anlangt, ist strittig, ob das außen liegende Stiegenhaus abstandsrelevant ist. Soweit in der Beschwerde nun die Einwendung in der Bauverhandlung wiederholt wird, das Stiegenhaus sei "überwiegend geschlossen (Westseite, Ostseite, Südseite, teilweise Nordseite)", übergehen die Beschwerdeführerinnen die im Hinblick auf ihre Einwendungen erfolgte Projektmodifikation: Die zum Weggrundstück gerichtete Gebäudefront (ohne das Stiegenhaus) weist Abstände zum Weggrundstück zwischen 5,03 m und 4,03 m auf und ist gemäß den Plänen rund 18,0 m lang. Das Stiegenhaus mit Außenmaßen von 2,72 m (Tiefe) x 4,49 m (Länge parallel der Gebäudefront) enthält eine zweiläufige Stiege mit Zwischenpodesten, die vom Erdgeschoß über zwei Zwischenpodeste zum ersten Obergeschoß führt (das Erdgeschoß wird nicht über diese Stiegenanlage erschlossen). Im ersten Obergeschoß reicht das Podest mit einer Abmessung von 1,63 m (Länge) x 1,30 m (Tiefe) über das eigentliche Stiegenhaus hinaus (bis zur dort befindlichen Lifttüre). Die Stiegenanlage ist durch ein Dach abgedeckt, die Konstruktion wird an den vorderen beiden Ecken durch quadratische Säulen (mit dem Querschnitt von 25 cm x 25 cm) getragen, die vom Erdboden bis zum Dach reichen. Entlang der Treppen und der Podeste gibt es Absturzsicherungen (Geländer mit senkrechten Metallstäben).
Der Grenzabstand nach § 13 Abs. 2 Stmk. BauG bezieht sich auf den Abstand der Gebäudefront zur Grenze. Eine "Gebäudefront" ist nach der Definition des § 4 Z 29 leg. cit. die "Außenwandfläche eines Gebäudes ohne vorspringende Bauteile, wie z.B. Balkone, Erker, Vordächer jeweils in gewöhnlichen Ausmaßen; an Gebäudeseiten ohne Außenwände gilt die Vertikalebene entlang des Dachrandes als Gebäudefront".
Das Stmk. BauG normiert weder absolute Maße, mit welchen Bauteile in den Grenzabstand ragen dürfen, noch auch konkrete relative Maße (beispielsweise Abmessungen solcher Bauteile im Verhältnis zur Höhe oder Länge der Gebäudefront). Unzulässig sind jedenfalls solche Bauteile, die so ausgeformt sind, dass sie gleichsam als vorgeschobene Gebäudefront in Erscheinung treten (vgl. dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 9. September 2008, Zl. 2007/06/0050, mwN). Es kommt daher letztlich auf die Umstände des Einzelfalles an. Im Beschwerdefall teilt der Verwaltungsgerichtshof die Beurteilung der belangten Behörde, dass das nunmehr nach Projektmodifikation offen geplante Stiegenhaus nicht als "vorgeschobene Gebäudefront" in Erscheinung tritt und daher nicht abstandsrelevant ist.
Die Beschwerdeführerinnen bringen, wie schon in der Bauverhandlung, vor, die Privatstraße weise eine Fahrbahnbreite von lediglich 3 m auf, sodass ein Begegnungsverkehr nicht möglich sei. Die zusätzliche Belastung der Straße mit Fahrzeugen durch die Errichtung von vier Wohnungen und fünf Tiefgaragenplätzen sei daher eine erhebliche, unzulässige Mehrbelastung, weil die Zufahrt hiefür zu schmal und unzureichend sei. Dazu komme, dass der Einfahrtsradius von der Straße auf das Grundstück zur Tiefgarage unzureichend gewählt sei, sodass es dazu kommen werde, dass Fahrzeuge auf der Einfahrtsstraße halten müssten und die Straße blockiert werde. Sie bringen weiters vor, dass dadurch zusätzliche Lärm- und Abgasbelastungen auftreten würden. Daran könne der Hinweis der belangten Behörde nichts ändern, dass ein solches Vorbringen in erster Instanz nicht erstattet worden und daher präkludiert sei; der Einwand der unzulässigen Verkehrsbelastung, der schon in erster Instanz erhoben worden sei, enthalte doch den Hinweis auf eine unzulässige Lärmbelastung und Schadstoffbelastung.
Dem ist zunächst zu entgegnen, dass die Beschwerdeführerinnen auch hier die vorgenommene Projektmodifikation übergehen, wonach nur mehr vier Abstellplätze geplant sind. Zur Frage, ob die Privatstraße zur Verkehrsaufschließung für vier Wohnungen mit vier Abstellplätzen zu schmal und unzureichend sei, kommt ihnen nach dem Katalog des § 26 Abs. 1 Stmk. BauG kein Mitspracherecht zu, auch nicht (jedenfalls für sich allein gesehen) zur thematisierten Frage des Einfahrtsradius zur Tiefgarage. Abgesehen davon hat die Behörde erster Instanz dargelegt, dass der Radius gemäß der eingeholten Stellungnahme eines Amtssachverständigen ausreichend sei, ein Argument, dem die Beschwerdeführerinnen in der Berufung nicht entgegengetreten sind und zu dem sie auch in der Beschwerde nichts vortragen. Angesichts einer Breite des Weggrundstückes von 4 m, wie vorgetragen, und einer Fahrbahnbreite von 3 m stellt sich das Problem des Begegnungsverkehrs auf dieser Straße nicht nur in Bezug gerade auf das zu bebauende Grundstück, sondern generell. Die projektierten vier Abstellplätze entsprechen (unbestritten) der Anzahl der erforderlichen Pflichtstellplätze. Für den Verwaltungsgerichtshof ist nicht erkennbar, dass durch die vorgesehene Bebauung des Grundstückes mit einem Gebäude mit vier Wohnungen (und nicht weniger, etwa drei oder zwei) eine Vermehrung der verkehrsbedingten Lärm- und Abgasimmissionen in einer nachbarrechtlich relevanten Sicht dahin entstehen könnte, dass dadurch das Projekt unzulässig wäre. Der Einwand ist daher unberechtigt; damit kann die Frage dahingestellt bleiben, ob diesbezüglich Präklusion eingetreten ist, wie von der belangten Behörde angenommen.
Ebenso kann die Frage dahingestellt bleiben, ob das Weggrundstück eine "öffentliche Verkehrsfläche" im Sinne des Stmk. BauG ist und, wenn nicht, ob sich aus dem Umstand, dass das Weggrundstück bestimmungsgemäß bloß als Weggrundstück nutzbar ist, allenfalls eine Beschränkung der aus dem Eigentum am Weggrundstück abgeleiteten Nachbarrechte ergeben könnte.
Vielmehr war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 27. Jänner 2009
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