VwGH 2008/05/0259

VwGH2008/05/025923.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der I GesmbH in Wien, vertreten durch Hule Bachmayr-Heyda Nordberg Rechtsanwälte GmbH, in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 47, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 30. September 2008, Zl. BOB-110/08, betreffend Feststellung der Unwirksamkeit einer Baubewilligung (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
BauO Wr §134 Abs3;
BauO Wr §134a;
BauO Wr §72;
BauO Wr §74 Abs1;
BauO Wr §74;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §56;
BauO Wr §134 Abs3;
BauO Wr §134a;
BauO Wr §72;
BauO Wr §74 Abs1;
BauO Wr §74;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 30. Juli 2003 wurde der Beschwerdeführerin als Bauwerberin die Bewilligung zur Errichtung eines näher beschriebenen Gebäudes auf der Liegenschaft EZ 109, KG Pötzleinsdorf, Khevenhüllerstraße 20, erteilt.

Im Baubewilligungsverfahren hatte Dr. K.K. als Eigentümer einer benachbarten Liegenschaft auf Grund rechtzeitig erhobener Einwendungen im Sinne des § 134a Bauordnung für Wien (in der Folge: BO) Parteistellung gemäß § 134 Abs. 3 leg. cit.. Der Baubewilligungsbescheid wurde ihm jedoch nicht zugestellt.

Mit Schreiben vom 11. Juli 2007 wurde von der Beschwerdeführerin der Baubeginn für den 16. Juli 2007 angezeigt.

Die Baubehörde erster Instanz führte am 12. September 2007 an Ort und Stelle Erhebungen durch und stellte fest, dass mit dem Bau nicht begonnen worden ist. Diese Feststellung wurde der Beschwerdeführerin unter Hinweis auf § 124 Abs. 2 zweiter Satz BO ("Wird mit dem Bau entgegen der Baubeginnsanzeige nicht begonnen, gilt diese als nicht erstattet.") mitgeteilt.

Mit Eingabe vom 22. Oktober 2007 beantragte die Beschwerdeführerin die bescheidmäßige Feststellung, dass die Baubewilligung vom 30. Juli 2003 nicht unwirksam geworden sei und der Lauf der Frist gemäß § 74 Abs. 1 BO nicht begonnen habe. Weiters wurde beantragt, den Baubewilligungsbescheid an den Nachbarn Dr. K.K. zuzustellen und die Beschwerdeführerin in der Folge "von der allseitigen Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides" zu verständigen.

Mit Bescheid vom 30. Jänner 2008 stellte die Baubehörde erster Instanz unter Spruchpunkt I. gemäß § 56 AVG fest, dass "1.) die rechtskräftige Baubewilligung vom 30. Juli 2003 ... gemäß § 74 Abs. 1 BO unwirksam geworden" ist und "2.) der Lauf der Frist gemäß § 74 Abs. 1 BO zum Beginn der mit Baubewilligung vom 30. Juli 2003 .. bewilligten Bauführung .. spätestens am 12. September 2003 begonnen und daher am 12. September 2007 geendet" hat. Unter Spruchpunkt II. wurde der Antrag auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides vom 30. Juli 2003 an den Nachbarn Dr. K.K. als unbegründet abgewiesen.

Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen und der bekämpfte erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass er im Spruchpunkt I. Unterpunkt 2.) wie folgt zu lauten hat:

"2.) Der Lauf der Frist gemäß § 74 Abs. 1 der Bauordnung für Wien (BO) innerhalb der mit der mit Bescheid vom 30. Juli 2003, ..., bewilligten Bauführung zu beginnen ist, hat auf Grund des Eintritts der Rechtskraft dieses Baubewilligungsbescheides mit 11. September 2003 am 11. September 2007 geendet."

Entscheidungswesentlich führte die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides aus, dass die zu lösenden Rechtsfragen (Unwirksamkeit einer Baubewilligung sowie Beginn und Ende der Baubeginnsfrist) zwar im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgesehenen Verwaltungsverfahrens behandelt werden könnten. Im Fall, dass auf dem Baugrundstück (unzulässigerweise) mit Bauführungen begonnen werde, könne die Baubehörde nämlich eine Baueinstellung verfügen. Im Baueinstellungsverfahren könne zwar geprüft werden, ob die Bauführung auf Grund einer aufrechten Baubewilligung und innerhalb der in § 74 Abs. 1 BO angeführten Frist durchgeführt werde. Ergäbe sich in diesem Baueinstellungsverfahren aber, dass infolge Unterganges der Baubewilligung oder des Ablaufes der Baubeginnsfrist die Bauführung konsenslos erfolge und daher die Beschwerdeführerin eine Verwaltungsübertretung begangen habe, so sei es im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Beschwerdeführerin als unzumutbar anzusehen, dass die Klärung dieser Rechtsfrage erst in diesem Baueinstellungsverfahren erfolge. Die Beschwerdeführerin habe somit im vorliegenden Fall einen Anspruch auf Erlassung eines Feststellungsbescheides, mit dem über die Wirksamkeit des Baubewilligungsbescheides vom 30. Juli 2003 sowie den Lauf der Baubeginnsfrist abgesprochen werde.

Es stehe fest, dass die Beschwerdeführerin mit dem Bau nicht begonnen habe. Nach der Zustellverfügung sei der Baubewilligungsbescheid ausschließlich an die Beschwerdeführerin als Partei gerichtet gewesen und dieser durch Hinterlegung am 27. August 2003 zugestellt worden. Die ungenutzt verstrichene Rechtsmittelfrist habe demzufolge mit Ablauf des 10. September 2003 geendet und es sei daher zu diesem Zeitpunkt die Rechtskraft dieses Bescheides gegenüber der Beschwerdeführerin eingetreten.

Dass der Baubewilligungsbescheid infolge der nicht vorgenommenen Zustellung an den Nachbarn Dr. K.K. noch nicht in Rechtskraft erwachsen sei, sei nicht von Bedeutung. Im Mehrparteienverfahren sei der Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides nach subjektiven und objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Erst wenn die subjektive Rechtskraft gegenüber allen Parteien des Verfahrens eingetreten sei, werde der Bescheid objektiv rechtskräftig und die aus ihm erfließenden Rechte könnten konsumiert werden. Wem der Bescheid als Partei zuzustellen sei, sei der Zustellverfügung des Bescheides zu entnehmen. Allein danach sei auch zu beurteilen, ob und zu welchem Zeitpunkt sowohl die subjektive als auch die objektive Rechtskraft eingetreten sei. Der Baubewilligungsbescheid vom 30. Juli 2003 richte sich seiner Zustellverfügung zufolge ausschließlich an die Beschwerdeführerin als einzige Partei des Verfahrens. Dadurch erwachse dieser Bescheid zugleich mit Eintritt der subjektiven Rechtskraft gegenüber der Beschwerdeführerin auch objektiv in Rechtskraft. Da die Beschwerdeführerin keine Berufung erhoben habe, sei der Baubewilligungsbescheid mit Ablauf der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist objektiv in Rechtskraft erwachsen. Mit der am 11. September 20003 eingetretenen Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides habe auch der Lauf der vierjährigen Baubeginnsfrist gemäß § 74 Abs. 1 BO an diesem Tage begonnen. Auf Grund des Umstandes, dass unzweifelhaft nicht innerhalb des vierjährigen Zeitraumes, gerechnet ab der Rechtskraft, mit der Ausführung des bewilligten Bauvorhabens begonnen worden sei, sei die Baubeginnsfrist am 11. September 2007 abgelaufen; der Baubewilligungsbescheid sei daher unwirksam. Eine Konsumation dieses Bescheides sei daher nicht mehr möglich. Ab Eintritt der Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides hätte die Beschwerdeführerin in rechtlich einwandfreier Weise mit dem Bau beginnen können. Dies sei ihr auch bewusst gewesen. Sie sei selbst von der Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides ausgegangen und habe knapp vor Ablauf der Baubeginnsfrist die diesbezügliche Anzeige erstattet, um die Unwirksamkeit der Baubewilligung zu verhindern. Es mute seltsam an, dass die Beschwerdeführerin über einen Zeitraum von vier Jahren der Behörde keinerlei Hinweise auf eine ihrer Ansicht nach noch fehlende Zustellung gegeben habe. Es sei somit der bekämpfte Bescheid zu bestätigen gewesen. Die Maßgabebestätigung sei nur eine Richtigstellung der Baubeginnsfrist. Der Antrag auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides an den Nachbarn Dr. K.K. sei unbegründet, da dieser nicht den rechtlichen Interessen der Beschwerdeführerin diene. Der Beschwerdeführerin stehe allein das Recht zu, dass die Baubehörde erster Instanz über ihr Ansuchen, mit dem die Baubewilligung erteilt worden ist, bescheidmäßig entscheide. Dies sei mit der Erlassung des Baubewilligungsbescheides erfolgt. Ein darüber hinausgehendes Antragsrecht, etwa dass im vorliegenden Fall der Baubewilligungsbescheid an andere als in seiner Zustellverfügung angeführte Personen zugestellt werde, komme der Beschwerdeführerin als Bauwerberin nicht zu.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Falle eines Streites darüber, ob Baumaßnahmen gesetzt wurden, die als Ausnutzung der Baubewilligung anzusehen sind, hat der Verwaltungsgerichtshof ein Feststellungsinteresse des Bauwerbers anerkannt (siehe zuletzt das hg. Erkenntnis vom 20. Juli 2004, Zl. 2003/05/0221). Im Erkenntnis vom 16. Juni 1992, Zl. 88/05/0181,VwSlg. 13.658/A, wurde zunächst betont, dass ein Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides generell nur dann zulässig ist, wenn er zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich ist; dies wurde für den Fall des Streites, ob Baumaßnahmen gesetzt wurden, die bereits als Ausnutzung der Baubewilligung anzusehen seien, als Feststellungsinteresse des Bauwerbers bejaht. Der Bauwerber könne nicht darauf verwiesen werden, dass er (erst) im Falle einer von der Behörde verfügten Baueinstellung, weil die Behörde die Bauführung wegen Ablaufes der Baubeginnsfrist als konsenslos ansieht, seinen Standpunkt in diesem Verfahren dartun könne, weil dies mit einem beträchtlichen wirtschaftlichen und organisatorischen Aufwand für den Bauwerber verbunden wäre (vgl. den hg. Beschluss vom 31. März 2005, Zl. 2002/05/1354). In diesem Beschluss hat der Verwaltungsgerichtshof auch die Zulässigkeit eines Antrages des Bauwerbers auf Feststellung, die Baubewilligung sei aufrecht, und somit auch insoweit das Feststellungsinteresse des Bauwerbers bejaht. Zutreffend hat die belangte Behörde dieses Feststellungsinteresse der beschwerdeführenden Bauwerberin auch bezüglich der Klärung des für die Beurteilung des Ablaufes der Gültigkeitsdauer der Baubewilligung maßgeblichen Zeitpunktes des Eintritts der Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides bejaht, zumal eine - allenfalls inhaltlich unrichtige - Rechtskraftbestätigung für den Eintritt der Rechtskraft des Bescheides rechtlich irrelevant ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. November 2004, Zl. 2004/05/0013).

Gemäß § 72 Bauordnung für Wien (BO) darf - von den hier nicht maßgeblichen Ausnahmefällen des § 62 BO oder § 70a BO abgesehen - der Bau begonnen und weitergeführt werden, wenn die erstinstanzliche Baubewilligung gegenüber dem Bauwerber und jenen Personen, die spätestens bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen gemäß § 134 Abs. 3 BO erhoben haben, rechtskräftig ist, oder wenn die zweitinstanzliche Baubewilligung gegenüber dem Bauwerber rechtskräftig ist.

Gemäß § 74 Abs. 1 BO werden die Baubewilligungen gemäß § 70 BO unwirksam, wenn nicht binnen vier Jahren, vom Tage ihrer Rechtskraft gerechnet, mit der Bauführung begonnen oder der Bau nicht innerhalb von vier Jahren nach Baubeginn vollendet wird.

Die im § 74 BO normierte Gültigkeitsdauer einer Baubewilligung wird vom Tage ihrer Rechtskraft an gerechnet und hängt von der Einhaltung der Baubeginns- und Bauvollendungsfrist ab. Mit dem Bau darf gemäß § 72 BO erst begonnen werden, wenn die erstinstanzliche Baubewilligung gegenüber dem Bauwerber und jenen Personen, die spätestens bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen gemäß § 134 Abs. 3 BO erhoben haben, rechtskräftig ist. Dies ist dann der Fall, wenn innerhalb der Berufungsfrist diese Personen keine Berufung erhoben haben, auf eine Berufung verzichtet haben oder eine von ihnen erhobene Berufung zurückgezogen haben (vgl. Moritz, BauO für Wien4, (2009) Anm. zu § 72, Seite 217).

Im Hinblick darauf, dass die Berechnung der Gültigkeitsdauer der Baubewilligung von deren Rechtskraft und dem Beginn der Bauführung abhängt, bedeutet Rechtskraft im Sinne des die Gültigkeitsdauer der Baubewilligung regelnden § 74 BO die für den zulässigen Baubeginn geforderte Rechtskraft des § 72 BO (vgl. hiezu auch die Verweise bei Moritz, BauO für Wien4, (2009) Anm. zu § 74 zu Abs 1, Seite 220, sowie Geuder/Hauer, Wiener Bauvorschriften5, Anm. 2 zu § 74 BO, Seite 561).

Die die Gültigkeitsdauer der Baubewilligung beschränkenden Baubeginns- und Bauvollendungsfristen beginnen daher erst dann zu laufen, wenn die (erstinstanzliche) Baubewilligung gegenüber dem Bauwerber und jenen Personen, die spätestens bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen gemäß § 134 Abs. 3 BO erhoben haben, rechtskräftig ist.

Wurde der (erstinstanzliche) Baubewilligungsbescheid gegenüber einer der im § 72 BO genannten Personen nicht erlassen und hat diese Person auf die Erhebung einer Berufung dagegen nicht verzichtet, konnte die im § 74 BO geforderte Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides nicht eintreten und die Frist für den Ablauf der Gültigkeitsdauer der Baubewilligung nicht zu laufen beginnen.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Ausgehend von ihrer unzutreffenden Rechtsansicht, die für die Gültigkeitsdauer der Baubewilligung maßgebliche Rechtskraft des (erstinstanzlichen) Baubewilligungsbescheides sei mit dessen Zustellung an die Beschwerdeführerin, die allein auf der Zustellverfügung genannt werde, eingetreten, hat es die belangte Behörde verabsäumt, Feststellungen darüber zu treffen, ob der (erstinstanzliche) Baubewilligungsbescheid auch gegenüber dem (offenbar) Parteistellung genießenden Nachbarn Dr. K.K. erlassen worden ist bzw. ob die Möglichkeit einer Berufung gegen den Baubewilligungsbescheid durch Personen, die spätestens bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen gemäß § 134 Abs. 3 BO erhoben haben, noch offen ist.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 23. November 2009

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