VwGH 2008/05/0068

VwGH2008/05/006816.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde 1. der F N und 2. der Mag. H N, beide in Wien, vertreten durch Prunbauer, Themmer & Toth, Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Biberstraße 15, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 13. Juli 2007, Zl. RU1-GP-748/001-2004, betreffend Kosten eines Enteignungsverfahrens nach dem NÖ Straßengesetz (mitbeteiligte Partei: Land Niederösterreich, Landesstraßenverwaltung), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §74 Abs1;
EisbEG 1954 impl;
LStG NÖ 1999 §11 Abs5;
VwGG §39 Abs2 Z6;
AVG §74 Abs1;
EisbEG 1954 impl;
LStG NÖ 1999 §11 Abs5;
VwGG §39 Abs2 Z6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerinnen haben dem Land Niederösterreich insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Gemeinde Rosenburg-Mold beantragte am 2. Mai 2005 gemäß § 12 NÖ Straßengesetz "die Bewilligung der Erschließungsstraße für die Häuser Stallegg 2, 9, 15 und 16".

Die Beschwerdeführerinnen sind Eigentümer des Grundstückes Nr. 49/2, KG Stallegg, auf welches sich das Straßenbauvorhaben bezieht.

Mit Bescheid des Bürgermeisters dieser Gemeinde vom 8. Juni 2005 wurde auf Grund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung vom 3. Juni 2005 die beantragte Straßenbaubewilligung erteilt. Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerinnen wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 27. Juli 2005 als unbegründet abgewiesen. Auch die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerinnen blieb erfolglos.

Mit Bescheid vom 22. Februar 2007 hat die NÖ Landesregierung über Antrag der Gemeinde Rosenburg-Mold die Enteignung des insgesamt 155 m2 großen Grundstückes Nr. 49/2, KG Stallegg, zum Zweck der Erhaltung der bewilligten Aufschließungsstraße verfügt und die Entschädigung für die dauerhafte Grundinanspruchnahme dieses Grundstückes festgesetzt.

Mit Schreiben vom 22. Jänner 2007 haben die Beschwerdeführerinnen ein Kostenverzeichnis vorgelegt und den Zuspruch der Rechtsanwaltskosten im Enteignungsverfahren in der Höhe von insgesamt EUR 7094,54 beantragt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde dieser Antrag zurückgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde unter Berufung auf das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1999, Zl. 95/05/0255, aus, dass gemäß § 11 Abs. 5 NÖ Straßengesetz 1999 im Enteignungsverfahren nach dem NÖ Straßengesetz 1999 die Kostenregelung des § 74 Abs. 1 AVG anzuwenden sei, wonach jeder Beteiligte die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten habe.

Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 3. März 2008, B 1455/07- 8, abgelehnt und die Beschwerde antragsgemäß gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführerinnen erkennbar in ihrem Recht auf Zuerkennung der im Enteignungsverfahren beanspruchten Rechtsanwaltskosten verletzt. Sie machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

In dem sowohl in sachverhaltsmäßiger als auch in rechtlicher Hinsicht vergleichbaren Beschwerdefall hg. Zl. 2005/05/0172, erledigt mit hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2008, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt:

"Mit Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 11. Februar 1993, VwSlg. 13.777/A, ging der Verwaltungsgerichtshof von seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 44 Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 ab und schloss sich der Auffassung des Obersten Gerichtshofes an, dass zu den Kosten des Enteignungsverfahrens im Sinne dieser Bestimmung auch jene der rechtsfreundlichen Vertretung zählten. Grundlage dieser Entscheidung war die Anordnung in § 20 Abs. 1 erster Satz Bundesstraßengesetz 1971, BGBl. Nr. 286, wonach über die Notwendigkeit, den Gegenstand und Umfang der Enteignung der Landeshauptmann als Bundesstraßenbehörde unter sinngemäßer Anwendung des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 entscheidet. Hervorgehoben wurde im Erkenntnis, dass diese Verweisungsnorm sich auf das gesamte Eisenbahnenteignungsgesetz bezieht.

Dieser Rechtsauffassung folgte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 16. März 1993, Zl. 91/05/0153, zur Rechtslage in Oberösterreich: Nach dem damals anzuwendenden § 60 Abs. 1 des Oö Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1975, LGBl. Nr. 22, entschied über die Notwendigkeit, den Gegenstand und Umfang der Enteignung die in § 59 genannte Behörde unter sinngemäßer Anwendung des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954. Auch dort bezog sich diese Verweisung auf das gesamte Eisenbahnenteignungsgesetz. Daher fand gleichfalls § 44 Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 Anwendung, sodass im Sinne des zitierten Erkenntnisses eines verstärkten Senates zu den Kosten des Enteignungsverfahrens auch jene der rechtsfreundlichen Vertretung zählten.

In Niederösterreich ist die Enteignung für Landesstraßen in § 11 NÖ Straßengesetz 1999, LGBl. 8500-1 (StrG) geregelt. Diese Bestimmung lautet (Hervorhebung nicht im Original):

'§ 11

Enteignung

...

(3) Über die Notwendigkeit, den Gegenstand und Umfang einer Enteignung nach Abs. 1 und 2 hat die Landesregierung zu entscheiden. Die Wirtschaftlichkeit des Straßenbauvorhabens ist zu berücksichtigen. In dem Bescheid ist auch die Höhe der Entschädigung festzusetzen.

(4) Der Enteignete ist für alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile schadlos zu halten. Der Wert der besonderen Vorliebe ist nicht zu ersetzen. Bei der Entschädigung einer Fläche oder eines Bauwerks ist der Verkehrswert heranzuziehen. Investitionen nach der Widmung als öffentliche Verkehrsfläche sind nicht zu berücksichtigen.

(5) Binnen 3 Monaten ab Rechtskraft des Bescheides nach Abs. 3 darf sowohl der Enteignete als auch der Straßenerhalter beim Bezirksgericht, das auf Grund der Lage des betroffenen Grundstück zuständig ist, die Neufestsetzung der Entschädigung begehren. Langt ein solcher Antrag bei Gericht ein, tritt die diesbezügliche Entscheidung der Landesregierung außer Kraft. Für das gerichtliche Verfahren sind die Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71/1954 in der Fassung BGBl. Nr. 297/1995, sinngemäß anzuwenden. Der Antrag auf gerichtliche Neufestsetzung darf ohne Zustimmung des Antragsgegners zurückgezogen werden. Wenn der Antrag zurückgezogen wird, gilt der im Bescheid bestimmte Betrag als vereinbart.

...'

Wie die belangte Behörde zu Recht in ihrer Gegenschrift aufgezeigt hat, enthält § 11 Abs. 5 StrG wohl auch einen Verweis auf die Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, aber ausdrücklich nur für das gerichtliche Verfahren. Damit ist die Rechtslage in Niederösterreich mit jener von Tirol (siehe das hg. Erkenntnis vom 29. April 1993, Zl. 93/06/0012) und jener von Vorarlberg (siehe das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1993, Zl. 92/06/0228) vergleichbar. In diesen Erkenntnissen verwies der Verwaltungsgerichtshof darauf, dass entgegen den Bestimmungen des Bundesstraßengesetzes und anderer Landesstraßengesetze sowohl das Tiroler Straßengesetz als auch das Vorarlberger Straßengesetz keinerlei Verweisungen auf das Eisenbahnenteignungsgesetz (mit Ausnahme für das außerstreitige Verfahren im Falle der Bekämpfung der Enteignungsentschädigung) enthielten und auch sonst keine sinngemäße Anwendung dieses Gesetzes in irgendeiner Weise vorgesehen sei. Da beide Gesetze den Ablauf des Enteignungsverfahrens abschließend regelten, bestünde auch keine Möglichkeit einer ergänzenden Heranziehung des Eisenbahnenteignungsgesetzes im Wege des Art. 13 Verwaltungs-Entlastungsgesetz 1925.

Auch hier regelt § 11 StrG die Enteignung vollständig; auch hier gibt es, abgesehen vom gerichtlichen Verfahren, keinen Verweis auf Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954. Damit bleibt es auch hier mangels abweichender Regelungen in den Verwaltungsvorschriften bei der allgemeinen Regelung des § 74 AVG, wonach jeder Beteiligte die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenen Kosten selber zu bestreiten hat (Abs. 1) und wonach ein Kostenersatz gegen einen anderen Beteiligten nur dann zusteht, wenn dies die Verwaltungsvorschriften bestimmen (Abs. 2). Hier bestimmt die Verwaltungsvorschrift keinen Kostenersatz durch einen anderen Verfahrensbeteiligten, weshalb es bei der Selbsttragung im Sinne des § 74 Abs. 1 AVG bleibt.

Gegen die Rechtslage in Niederösterreich bestehen auch keine - von den Beschwerdeführern ohnehin nicht behaupteten - verfassungsrechtlichen Bedenken: Der Verfassungsgerichtshof hat zuletzt in seinem Erkenntnis vom 3. Oktober 2007, B 1965/06, auf seine ständige Rechtsprechung verwiesen, wonach differenzierende Kostenersatzregelungen in verschiedenen Verfahrensbereichen, mögen diese auch eine gewisse Verwandtschaft aufweisen, noch nicht dem Gleichheitssatz widersprächen. Unsachlich wäre hingegen eine Regelung, wonach wohl dem im Enteignungsverfahren unterlegenen, nicht aber dem obsiegenden Enteignungsgegner Kostenersatz zusteht (s auch das Erkenntnis VfSlg. Nr. 15.190, betreffend § 7 Abs. 3 Eisenbahnenteignungsgesetz in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes, BGBl. Nr. 297/1995).

In seinem Erkenntnis vom 30. September 1996, VfSlg. 14.610, hatte sich der Verfassungsgerichtshof mit einer dem § 11 Abs. 5 StrG vergleichbaren Bestimmung zu befassen: Der den Ersatz von Wildschäden regelnde § 77 Abs. 1 Oö Jagdgesetz idF LGBl. Nr. 2/1990 sah vor, dass in gerichtlichen Verfahren das Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 sinngemäß anzuwenden sei. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes habe sich der Landesgesetzgeber im Rahmen des ihm von Verfassung wegen eingeräumten rechtspolitischen Gestaltungsfreiraumes gehalten, wenn er in gerichtlichen Verfahren über einen Anspruch auf Ersatz von Jagd- und Wildschäden den Grundsatz der Einseitigkeit der Kostenersatzpflicht verankert hatte."

Das Beschwerdevorbringen enthält keine Argumente, die den Verwaltungsgerichtshof zum Abgehen von dieser Rechtsprechung veranlassen könnten. Die von den Beschwerdeführerinnen zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof betrifft nicht die hier anzuwendende Rechtslage.

Wenn somit im verwaltungsbehördlichen Enteignungsverfahren nach § 11 StrG ausschließlich die Kostenregelung des § 74 Abs. 1 AVG Anwendung findet, können die Beschwerdeführerinnen durch den angefochtenen Bescheid nicht in den von ihnen geltend gemachten Rechten verletzt sein.

Damit erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Die Beschwerdeführerinnen haben die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war jedoch aus folgenden Gründen nicht erforderlich:

Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht.

Der EGMR hat in seiner Entscheidung vom 10. Mai 2007, Zl. 7401/04 (Hofbauer Nr. 2/Österreich) und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich) unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlicher Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit den Verfahren betreffend "ziemlich technische" Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtigte.

Im vorliegenden Fall handelt sich zum einen um rein rechtliche Fragen (Kostenersatzanspruch im Verwaltungsverfahren). Art. 6 EMRK steht daher dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Entscheidung

konnte daher im Sinne des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2009, Zl. 2008/05/0270).

Wien, am 16. September 2009

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